„Nothelfer“ sind gefragt

Rettungsprojekt für eine sächsische Kirchenburg in Nordsiebenbürgen

Einige der vielen Freiwilligen, die bei der Rettung der Kirchenburg mithelfen
Fotos: die Verfasserin

In Märchen werden Prinzessinnen gerettet. In Siebenbürgen – Kirchen. Jahrhunderte alte Kirchen, gefährdete Baudenkmäler unterschiedlicher Art müssen dringend vor dem Verfall gerettet werden. Um sie kümmert sich die Ambulanz für Denkmäler/ Ambulan]a pentru Monumente. Dank der Stiftung Petrus Italus Trust und der neu gegründeten Ambulanz für Denkmäler Bistritz-Nassod tut sich nun was auch in Nordsiebenbürgen. Die Ambulanz fasst somit Fuß auch im ehemaligen Nösnerland und nimmt sich als ersten Rettungseinsatz die Sicherung der Kirchenburg in Wermesch vor. Der Einsatz am wichtigen gotischen Baudenkmal ist keinesfalls ein einfaches Unterfangen, erfreut sich aber schon von Anfang an großen Interesses bei der lokalen Gemeinschaft, bei Experten und bei den ehrenamtlichen Helfern, die alle für die alte Kirchenburg eine Zukunft sichern wollen.

Seit Jahrzehnten schon leerstehend, dem Verfall preisgegeben, ist die ehemalige evangelische Kirche ein trauriger Anblick. Risse an der Mauer, Löcher im Dachwerk und Bäume, die aus dem Dach herausragen, ein Schloss am südlichen Eingang und die Aufschrift „Zutritt verboten“ – „Intrarea oprită“. Ein trostloser Zustand. Ist da noch was zu machen? 

Du stehst einfach kopfschüttelnd und entmutigt vor der Ruine. Da kommen aber schon die ersten begeisterten Volontäre auf dich zu: Der 60-jährige Nea Nicu erzählt dir, wie er in seiner Kindheit beim Fangen der Tauben fürs Essen unter dem Kirchendach kletterte, er erzählt dir auch von den tüchtigen letzten Sachsen, die er als Kind im Dorf noch erlebt hat. Dann kommt die zehnjährige Adelina, die dich stolz zu einem Spaziergang einlädt – dahin, wo man den besten Blick auf die Kirche hat. Ihr Opa, Herr Nagy, gibt etwas zurückhaltend zu: „Ich hoffe, dass man es so macht, wie es mal war.“ 

Volontäre aller Altersgruppen und aus unterschiedlichen Ecken des Kreises, Archäologen, Architekturstudenten, junge und alte Dorfeinwohner, helfen alle mit bei der ersten Aktion an der Kirchenburg – die archäologischen Ausgrabungen, die Informationen zum Fundament der Kirche liefern sollen. Bei den Arbeiten bekommt man sowohl von der orthodoxen Kirchengemeinde als auch von der lokalen Gemeindeverwaltung tatkräftige Unterstützung.

Die Kirche – damals und jetzt

Eines der wertvollsten, interessantesten und imposantesten Baudenkmäler im Norden Siebenbürgens ist die evangelische Kirchenburg im Dorf Vermeș/Wermesch, im Süden des Kreises Bistritz-Nassod. Die Ursprünge der Kirche gehen auf das 14. Jahrhundert zurück, wobei die Kirche ihre aktuelle spätgotische Form im 16. Jahrhundert erhalten hat. Untersuchungen brachten wertvolle spätgotische Fresken ans Tageslicht, welche von den barocken Änderungen an der Kirche im 18. Jahrhundert unberührt geblieben sind. Zum Kirchenensemble gehören auch der Glockenturm und die Ringmauer, beide aus dem 16. Jahrhundert, sowie das Pfarrhaus und die alte Dorfschule. 

Anders als in Südsiebenbürgen ist ein Großteil der Nordsiebenbürger Sachen bereits im Herbst 1944 durch die deutsche Wehrmacht nach Deutschland und Österreich evakuiert worden. Davon kamen weniger als ein Viertel zurück. Somit fing eine traurige Etappe für das von ihnen hinterlassene Kulturerbe an. Eine in den 60er Jahren schrumpfende, veraltete und verarmte sächsische Bevölkerung konnte sich um den Erhalt der eigenen Kirche nicht mehr kümmern. Damals schon wies die Kirche Risse an der Mauer auf. So ging die Kirche aus dem Besitz der evangelischen Gemeinde in den Besitz einer noch ärmeren rumänischen Gemeinde über, die sich für ihre eigenen Zwecke gezwungen sah, eine neue, kleinere Kirche zu bauen. Die Wermescher Kirchenburg blieb unbenutzt.

Auf einer kleinen Anhöhe im Dorf gelegen, umgeben von über hundert Jahre alten Bäumen und mit weichen Hügeln im Hintergrund, prägt die Kirche immer noch das Bild der kleinen Ortschaft. Der Wettlauf gegen die Zeit hat aber schon längst begonnen, die Kirche ist nun einsturzgefährdet und bedarf dringender Sanierung. Die Konsolidierungsmaßnahmen der 2000er Jahre helfen auch nicht mehr – die damals angelegten Unterstützungen aus Holz gefährden nun das Gebäude noch mehr.

„Lebensrettende Maßnahmen“ und Sicherung 

Der marode Zustand der Kirche macht komplexe Arbeiten nötig, um den Einsturz der Struktur zu verhindern. In einer ersten Phase, die für Anfang 2022 geplant ist, begrenzt sich die Intervention auf die Reparatur des Dachstuhls und der Dachhaut des Chors, als ältester erhaltener Teil des Baudenkmals. In einer zweiten Etappe ist ein Oberbau über dem Mittelschiff als Schutzmaßnahme nötig, um Restaurierungsarbeiten mittel- und langfristig zu ermöglichen. Es handelt sich dabei um Notreparaturen, die dringend durchzuführen sind, um das Eindringen von Wasser und einen weiteren Verfall im Innenraum zu verhindern. Dadurch kann man einen Schutz für die wertvollen architektonischen Elemente gewährleisten – für das gotische Chorgewölbe, die gotische Wandmalerei auf großen Flächen im Inneren und die Fresken aus dem 14. Jahrhundert an der Außenwand des Chors.

Umnutzung und Wiederbeleben

„Neues Leben für die Kirche“ bedeutet nicht nur die Rettung in Form einer Nothilfe durch die Ambulanz, sondern auch ein Konzept zur Umnutzung, den lebensrettenden Maßnahmen müssen unbedingt wiederbelebende Maßnahmen folgen. Damit nicht erneut der Leerstand droht, braucht die Kirche einen Zweck für ihren neuen Lebensabschnitt. Langfristig kann dieses gefährdete und verlassene Kulturgut wieder zu einem Ort der Begegnung werden: Durch Miteinbeziehen der Nebengebäude im neuen Nutzungskonzept – also des Pfarrhauses und der ehemaligen Schule – will man eine Funktionalität des Ensembles das ganze Jahr über sichern: Mit Sommerschulen zur Restaurierung und im Winter Kursen zur beruflichen Ausbildung im traditionellen Handwerk für Jugendliche aus den Dörfern in der Umgebung, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung sind. Im gut erhaltenen Schulgebäude könnten etwa Kurse abgehalten und Räumlichkeiten für die Unterkunft der Freiwilligen eingeplant werden.

Über die Stiftung Petrus Italus

Die Ambulanz für Denkmäler hat die Stiftung Petrus Italus Trust für das Umsetzen von Rettungseinsätzen an Baudenkmälern im Kreis Bistritz-Nassod ausgewählt. Die seit Juni 2021 bestehende Stiftung setzt sich als Ziel, durch Interventionen an gefährdeten Baudenkmälern des Kreises einen Beitrag im Kampf gegen den anhaltenden Verfall dieses architektonischen Erbes zu leisten. 

Zu diesem Zweck will die Stiftung die Gemeinschaft sensibilisieren und mobilisieren, um so diese Denkmäler retten zu können. Zu den bislang in Gang gesetzten Projekten zählt der Einsatz an der evangelischen Kirche in Chiraleș/Kyrieleis und das umfassende Projekt zur Restaurierung historischer Tore in der Innenstadt von Bistritz. Die neogotische Kirche in Chiraleș war schon seit einiger Zeit ungenutzt und offen und blieb von dem Leerstand nicht unberührt. Zerbrochene Fenster wurden ersetzt, der Innenraum und die alten Möbelstücke gereinigt, Abfälle geräumt und die wild gewachsene Vegetation im Kirchhof entfernt. Nun ist die Kirche wieder funktionsfähig und wird als Konzert- und Ausstellungsraum genutzt. Die Arbeiten an den Toren der Innenstadt erfolgen mithilfe von ehrenamtlichen Helfern unter Aufsicht von Restaurationsexperten und Spenden aus der Gemeinschaft. Bislang wurden die Arbeiten an vier Toren aus dem 19. Jahrhundert abgeschlossen. Künftig ist die Sanierung von mindestens elf weiteren Toren vorgesehen.
 


Die Ambulanz braucht Nothelfer

Um gerettet zu werden, braucht die Wermescher Kirche Menschen. Menschen, die eine Gemeinschaft um sie bilden, die zu aktiven Nothelfern werden. Menschen, die sich nicht einfach wartend das Kulturerbe von der Zeit wegnehmen lassen.

Für den ersten Einsatz der Ambulanz an der Wermescher Kirche ist jede Form von Unterstützung sowohl nötig als auch erwünscht, sei es durch Tat, Expertise oder Spenden. Die Arbeiten an der Kirche werden voraussichtlich im Sommer 2022 anfangen und mithilfe von Freiwilligen unter Begleitung der Experten ausgeführt. Wer also als Volontär mit anpacken will, kann sich ab Ende Februar anmelden, wenn die komplette Liste der von der Ambulanz zu rettenden Denkmäler vorliegen wird.