Oft sind Sanierungsknüppel nötig

Der schwierige und teure Weg weg von den Staatsbetrieben

Symbolfoto: sxc.hu

Ob es die exklusiven Meriten des Insolvenzverwalters Remus Borza sind oder ob auch andere Faktoren da mitgespielt haben, das bleibe trotz der teilweise euphorischen Pro-Borza-Kommentare in manchen rumänischen Zentralzeitungen dahingestellt. Fakt ist, dass es dem Insolvenzverwalter gelungen ist, Hidroelectrica binnen eines Jahres zu sanieren, indem er, ohne Rücksicht auf Gewerkschaften, Politik und Parteien, Medien und „G`scheite Jungs“, wie Staatspräsident Traian Băsescu sie nennt, das getan hat, was die dazu Berufenen (und dafür Bezahlten) – Wirtschaftsministerium, Unternehmensleitung – nicht wagten/wollten/konnten.

Dass Hidroelectrica seit Ende Juni wieder auf eigenen Finanz- und Wirtschaftsfüßen stehen kann, wird als „Wunder“ bezeichnet, nachdem die jüngsten Privatisierungsbeispiele – Post, Oltchim –  jämmerlich auf dem Weg des Scheiterns sind. Dass der arrogant auftretende Borza das staatliche Energieunternehmen überhaupt als gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter übernahm, das zeugt entweder von Naivität oder von der Besserwisserei dessen, der über den Dingen steht. Das Energieunternehmen wurde von seiner seinerzeitigen Leitung – bis runter zu deren Chauffeuren – als persönliche Pfründe betrachtet, die von den sogenannten g`scheiten Jungs, mit Duldung der Führungsriege, geschröpft wurde (die sich ihrerseits, um beim schmatzenden Schröpfen gelassen zu werden, massiv als Parteienfinanzierer betätigten...). Auch wurde es als daunenwarmer Unterschlupf für jene genutzt, die grad von einkommensträchtigen Sesseln gestürzt worden waren (meist durch Regierungswechsel). Dass sich der clevere Borza also auf die Sanierung eines solchen Unternehmens einließ, das wundert. Das schien aber auch durch, als Borza zum Winterende 2012-13 vom verzweifelt um einen Status Quo ringenden Verwaltungsrat abgesetzt werden sollte und er eine „Tournee“ zu allen Unternehmen und „Lokalbaronen“ unternahm, die irgendwie von einer Rettung von Hidroelectrica hätten profitieren könnten.

Wirtschaftsrambo Borza

Borza wagte es nämlich, den „g´scheiten Jungs“ die Leitungen zu kappen, die es ihnen über Jahre ermöglicht hatten, zu lächerlich geringen Preisen Strom aus Wasserkraftwerken zu kaufen und bis ums Vier- und Fünf-, sogar Mehrfache verteuert zu exportieren. Deren Revanche für den (nahezu unkündigbaren) Langzeitvertrag: Sie ließen den Parteien, auf die es ankommt, Gelder zufließen. Viel Geld. Das Kappen der Leitungen hätte Borza fast Kopf und Stuhl gekostet. Aber er überlebte es. Allem Anschein nach sogar ohne die schützende Hand des – nicht nur in diesem Fall – Maulhelden Băsescu. Das war einer der wenigen bekannten Fälle, wo die Parteien jemand, der ihnen bei ihrer Schwarzgeld-Eigenfinanzierung in die Quere kam, nicht zu Fall brachten. Oder bringen konnten.

Borza schmiss alles raus bei Hidroelectrica, auf allen Etagen, was ihm überflüssig und geldfresserisch schien. Er störte einen sozialen Oberflächenfrieden im Staatsbetrieb, der vor allem auf der unaufhörlichen Einkommenssteigerung der Angestellten beruhte. Das führte beispielsweise dazu, dass bis zu seinem Kommen der Fahrer des Generaldirektors mehr verdiente als der Staatschef Rumäniens. Vorher musste Rumänien hoch verzinste Auslandskredite aufnehmen, um den Einkommenshunger der Angestellten seiner Schwarzen Löcher zu stillen, jener Unternehmen, die fürstliche Löhne zahlten für Führungspersonal, das die Unternehmen aus lauter „Höchstkompetenz“ in den Abgrund „leitete“ und ein Einkommen hatte wie in prächtig funktionierenden Großbetrieben wirtschaftlich gesunder Staaten.

Natürlich brüllte jener Teil der Medien, die auch mitprofitierten von der Kulanz der Unternehmensleitungen, dass der Preis, den Borza einforderte, zu hoch sei. Und mit ihnen brüllten die Gewerkschaften, die durchaus Großprofiteure des Scheinparadieses in Staatsunternehmen sein können. Borza setzte den Kehrbesen an bei Möchte-Gern-Kapitalisten, die von Parteien mit (Staats-)Unternehmensleitungen betraut werden, wo sie sich mit Geld volllaufen lassen können, aber vom Tropf der Steuerzahler abhängen, ohne im Stande zu sein, die ihnen anvertrauten Unternehmen profitabel zu machen.

Wartet Rumäniens Wirtschaft auf Wunder?

Letztendlich entließ Borza – der selber dafür überhaupt nicht schlecht entlohnt wurde – Hidroelectrica wieder als saniertes Unternehmen auf den Markt Rumäniens und hat viel-leicht auch andere Unternehmen gerettet. Etwa das Reschitzaer Maschinenbauwerk UCMR (über die Zusammenhänge erschien bereits einiges in der ADZ).
Aber wie viele Borzas und wie viele „Mirakel Borza“ hätte man seit der Wende gebraucht, um einen Trend aufzuhalten, der seit mindestens anderthalb Jahrzehnten in Rumänien anhält? Eine genaue Übersicht der Firmenpleiten in Rumänien ist schwer zu machen, einerseits, weil das Phänomen erst seit 1995 systematisch erfasst wird (1995 gab es 448 Firmenpleiten in Rumänien...) und andrerseits, weil die Aktualisierung zeitlich recht lange dem gegenwärtigen Zeitpunkt nachhinkt: Sie geht bis 2010. Aber immerhin: Tendenzen und Fakten sind auch so wahrnehmbar.

Am besten sind sie anhand der staatlichen Unternehmen zu verfolgen, wo grundsätzlich „taktische Pleiten“, Pleiten aus wirtschaftlichen Gründen auszuschließen sind, um privat zu retten, was noch zu retten ist. Zwischen 1995 und 2010 stieg die Zahl der Pleiten um das 85-fache auf 38.175. Damit sind in 15 Jahren in Rumänien insgesamt rund 200.000 Firmen pleitegegangen. Nicht nur Staatsfirmen, aber die meisten sind solche. Zwischen 1995 und 2006 gab es einen „Pleitenhöhepunkt“: 2002 meldeten 15.707 Firmen Zahlungsunfähigkeit an, nachdem ab 1999 deren Zahl von 5002 hochgeschnellt war. Dann gab es, mitten in der Regierungszeit Adrian Năstases und seiner PSD, eine Stabilisierung der Pleitenzahl bei 9500 Firmen pro Jahr, die bis 2006 anhielt, um dann steil nach oben zu gehen bis zu den 38.175 Pleiteerklärungen des Jahres 2010.

Entlassung als Generallösung

Hauptsächliche Sanierungsmaßnahme in insolvenz- oder pleitebedrohten Unternehmen waren die Entlassungen. Rekordhalter bei Entlassungen war in den vergangenen Jahren der Eisenbahn-Gütertransport CFR-Marfă, der jüngst für 202 Millionen Lei (endlich) vom Staat abgestoßen wurde. An seine inländische private Konkurrenz. Zwischen 2006 und Ende 2012 sind bei CFR Marfă 7566 Personen entlassen worden. Rund 35 Prozent aller Arbeitnehmer des Eisenbahn-Güterverkehrs. Die meisten Entlassungen geschahen 2010-12, denn 2009 hatte CFR Marfă noch 17.089 Arbeitnehmer, Ende 2012 waren es 11.588.
Von den bis vor Kurzem 20 größten Staatsunternehmen Rumäniens haben allerdings nur elf auf Entlassungen zurückgegriffen, um Geld zu sparen, bzw. als wirtschaftliche Sanierungsmaßnahme. Die restlichen neun haben ihre Belegschaften – meist (aber nicht immer) bescheiden – aufgestockt.

Die Lage sieht demnach laut aktuellen Statistiken so aus: CFR Marfă (- 7566), Romsilva (- 4701), CFR Călători (- 1899), Oltchim (- 1478), RATB (- 865), Electrificare CFR (- 511), RADET (- 470), Loteria Naţională (- 465), CNADNR, der Nationalstraßen- und Autobahnenbetrieb (- 232), das Nationale Salzunternehmen (-191), Nuclearelectrica (- 152). Neuanstellungen tätigten: Termoelectrica (+ 432), Romgaz (+ 227), Hidroelectrica (+ 132), Transgaz (+ 124), Poşta Română (+ 114), Metrorex (+ 71), Tarom (+ 35), Transelectrica (+ 29), Hochseehafen-Verwaltung APM Konstanza (+21).

Das Auge des IWF

Insgesamt ist der weitaus überragende Spitzenreiter bei Entlassungen der Eisenbahnkomplex (Güter- und Personentransporte sowie Elektrifizierungswesen), dem auch durch die zahlreichen Privatbahnen, die als – eigentlich überraschend – rentabel eingestuft werden, starke Konkurrenz erwächst. Bei den staatlichen Gesellschaften, die Neuanstellungen getätigt haben – trotz des seit Zeiten der Boc-Regierung geltenden Einstellungsstopps beim Staat – , spricht man in den Medien teilweise von rentablen Unternehmen (mit oft massiven Tendenzen zur Selbstbereicherung der Führungskräfte – siehe das Beispiel Nuclearelectrica Cernavodă und das öffentlich gemachte Lohngeschacher des Führungsteams), teilweise von Unternehmen, die trotz Insolvenzgefahr weitere Anstellungen tätigen und immer auf den staatlichen Steuertropf schielen (die Post, beispielsweise).

Termoelectrica, der Spitzenreiter bei Arbeitnehmer-Neueinstellungen, hat es 2009 und 2010 gewagt und seine Belegschaft von 1718 Arbeitnehmern auf 2150 aufgestockt. Mitten in der Wirtschafts- und Finanzkrise. Die 20 staatlichen Unternehmen sind nicht zufällig ausgesucht. Sie stehen großteils auf dem Monitoringprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) hinsichtlich ihrer Finanz- und Personalpolitik, weil sie von den Geldgebern Rumäniens für traditionelle „Schwarze Löcher“, als Schlucker von Steuergeldern und dem Staat gegenüber hochverschuldet, gehalten werden.
Das profitabelste Staatsunternehmen Rumäniens ist übrigens Romgaz.

Chance und Gefahr: Abfindungen

Viele der Restrukturierungs-, Privatisierungs- und Liquidierungsprogramme von rumänischen Staatsunternehmen gehen mit massiven Entlassungen einher, für welche mitunter riesige Summen an Abfindungen ausgezahlt werden. Denken wir nur an die Geldmassen, die ins Schiltal gepumpt wurden, als man mit der Schließung der unrentablen Steinkohlengruben begann – und die, außer vorübergehend vollem Portemonnaie der Kumpel, rein gar nichts gebracht haben. Rechnet man die Abfindungen von den Privatisierungseinnahmen des Staats ab – und es gibt keine Tarifverträge mehr, welche die Gewerkschaften ohne Abfindungsklauseln unterzeichnen – dann bleibt aus den Privatisierungen nur wenig Profit übrig, abgesehen von der Tatsache, dass die Endlosschlucker von Steuergeldern allmählich verschwinden. Was wohl der größte Profit wäre.

Zwischen 1997 und 2010 wurden den aus unterschiedlichsten Gründen Entlassenen aus Staatsbetrieben 1.856.574.276 Lei (oder, berechnet und summiert nach den jeweiligen durchschnittlichen Wechselkursen des betreffenden Jahres: 1.038.843.274 Euro) an Abfindungen ausgezahlt. Entweder aus den diversen Staatsfonds und Sonderbudgets oder aus EU-Zuwendungen zu diesem Zweck (wie im Falle des Schiltals). Spitzenjahre waren dabei 1999 (331.914.700 Lei) und 2000 (318.621.500 Lei), wobei 2010, im letzten uns zugänglichen statistisch erfassten Jahr, 22.730.082 Lei oder 5.399.198 Euro an Abfindungen ausgezahlt wurden (2009 waren es fast doppelt so viel: 41.598.232 Lei oder 9.817.155 Euro).

Parallel zu solchen Summen ist die Zahl der Arbeitnehmer stetig gesunken. Laut Statistiken des Arbeitsministeriums und des Nationalen Statistikinstituts hatte Rumänien 1990 8,1 Millionen Arbeitnehmer. 1997 waren es nur noch 5,4 Millionen (1,54 im Privatsektor, 3,87 im öffentlichen  Sektor) und 2012 waren in Rumänien nur noch 4,1 Millionen Arbeitnehmer aktiv (1,4 Millionen beim Staat). Die massiven Abgänge waren entweder über Entlassungen und entsprechende Abfindungen (die bis zu 30 und mehr besteuerbaren durchschnittlichen Monatslöhnen gingen) oder als Übergänge in die Rente passiert (so erklärt sich auch die hohe Zahl der Rentner unter oder um 60 Jahre, die Rumänien hat).

Vielleicht erklärt diese Ziffernflut dem aufmerksamen Leser unter anderem, warum in Staatsbetrieben ein Wirtschaftsknüppel wie Remus Borza manchmal dringend notwendig ist. Dem erfolgreichen Insolvenzverwalter selber dürfte Hidroelectrica den endgültigen Durchbruch zu einer Größe des Bereichs gebracht haben, sozusagen: als „unser Mann für schwierige Fälle“. Ob das ihm aber künftig vergleichbare Aufträge bringen wird? Wer sich erinnert, mit welcher (auch medial gesteuerten) Wucht der Verwaltungsrat von Hidroelectrica versucht hat, ihn mitten in seinem Mandat loszuwerden, der muss das auch als Warnung für andere empfinden, die sich in ähnliche Lagen wie Hidroelectrica begeben. Bleibt die Frage: Wem nutzt so ein Borza?