Die USA unter ihrem Präsidenten Donald Trump übt immer mehr Druck auf die Ukraine aus, um einem Friedensplan mit Russland zuzustimmen, der grundsätzlich ungünstig für die Ukraine gestimmt zu sein droht. Der stößt aber in der Ukraine selbst, zurecht, auf erbitterten Widerstand. Die geforderte Abtretung von Gebieten, die Russland erobert hat, ist dort nicht akzeptabel. Trump selber hat jüngst den Vorstoß gemacht, die schon 2014 eroberte Krim einfach Russland zuzusprechen.
Welche Auswirkungen hat aber der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine auf die südosteuropäischen Nachbarländer? Und auf die Unternehmen dort? Über die veränderte Sicherheits- und Wirtschaftslage sowie neue Gewichtungen des Investitionsinteresses diskutierten kürzlich die Mitglieder des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs Banat (DWC) in Temeswar. Auch der Deutschlandfunk hat über diesen Diskussionsabend einen vom Autor dieser Zeilen gezeichneten Bericht gebracht.
Beispiel Rumänien: Christian von Albrichsfeld, Vorstandsmitglied im Deutschsprachigen Wirtschaftsclub Banat im westrumänischen Temeswar – und bis vor Kurzem Rumänien-Chef eines der führenden deutschen Automobil-Zulieferer, hat seine Erinnerungen an den Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine so zusammengefasst: „Anfangs hatten wir eine große Unsicherheit. Und große Flüchtlingsströme.“ Das war vor etwas mehr als drei Jahren.
Aufrüstung als Chance der MOE-Wirtschaft
Und heute? „Von der Sicherheitslage sehen wir heute keine großen Schwierigkeiten. Es hat sich gezeigt, dass Rumänien sicher ist. Wir erleben da keine Ressentiments unserer Kunden und Lieferanten. Aber natürlich sehen wir jetzt auch, mit der allseits von der westlichen Wertegemeinschaft akzeptierten Notwendigkeit der Aufrüstung der NATO-Länder die Möglichkeit, dass Rumänien hier einen Hub bilden kann, weil wir auch an einer sehr langen Grenze mit der Ukraine sind.“
Die ist über 3000 Kilometer lang. Die Nachbarschaft zu einem Land im Kriegszustand trägt in Rumänien auch bereits dazu bei, dass sich neue Unternehmen ansiedeln. Auch deutsche. „Also, Rheinmetall ist auf jeden Fall eine Thematik“. Tatsächlich hat der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern erst kürzlich das Unternehmen Automecanica im zentralsiebenbürgischen Mediasch übernommen, das unter anderem geländegängige Militärfahrzeuge herstellt. Gleichzeitig hat Rheinmetall im nordwestrumänischen Sathmar/Satu Mare, nur wenige Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt, einen Service-Hub für die Reparatur vom Militärfahrzeugen und Panzern eingerichtet.
„Auf der anderen Seite sehen wir auch in Rumänien selbst, dass verschiedene Firmen, die nahezu stillgelegt waren oder vollständig stillgelegt gewesen sind, Munitionsfirmen, Waffenfabriken und andere, jetzt wieder zu neuen Leben erweckt werden. Oder dass zumindest jetzt umgehend untersucht wird, wie man diese Rüstungsunternehmen wieder fit machen könnte.“ Beispiel „Arsenal“ Reschitza.
Profitabler „Sonderweg“ Ungarn
Andererseits gibt es das Beispiel Ungarn: Péter Tamás, in Westrumänien tätiger Unternehmer und Honorarkonsul von Ungarn in Temeswar: „Tatsächlich – Orbán ist nach Moskau gegangen, um Gespräche zu führen – aber ist das eigentlich verboten?“ Die Reise des ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán nach Moskau stieß bei den meisten übrigen EU-Mitgliedsstaaten auf große Empörung. Was den starken Mann aus Budapest aber ziemlich kalt ließ.
Dass Ungarn aber gerade bei der Ausrichtung seiner Wirtschaftsbeziehungen zu Russland im großzügig ausgedeuteten Rahmen des geltenden Rechtsgefüges der EU eine eigene Strategie verfolge, sei durchaus legitim, meint Péter Támas und ergänzt letztendlich: „Ich würde sagen: Ein Geschäft ist ein Geschäft.“ …zum Beispiel, wenn es um den Bezug von günstiger Energie geht: Ungarn importiert weiter billiges Gas aus Russland. Der Preis ist auf 150 Euro pro 1000 Kubikmeter gedeckelt. Die Empörung darüber in anderen EU-Ländern ist zwar groß, auch in Deutschland. Aber trotz aller Empörung, und trotz, ja höchstwahrscheinlich sogar gerade wegen der günstigeren Energie aus Russland investieren auch zahlreiche deutsche Unternehmen munter weiter in Ungarn. Geschäft ist eben Geschäft...
Péter Támas zitierte schmunzelnd einige der deutschen Paradeunternehmen: „Audi hat die schönsten Gewinne, seitdem die in Györ Autos zusammenbauen. Mercedes will in Ungarn ausbauen, produziert schon seit geraumer Zeit in Kecskemét. Und BMW baut munter Fahrzeuge in Debrecen.“
Gibt’s bereits in MOE Kriegsgewinnler?
Die Beispiele aus Rumänien und Ungarn lassen unweigerlich eine Frage aufkommen: Sind so manche Länder in Ost- und Südosteuropa heimliche Kriegsgewinnler? „Würde ich nicht unbedingt so teilen. Man hat schnell geschaut, dass man unterstützen kann. Gerade Rumänien ist da sehr stark als Partner für die Ukraine aufgetreten.“ Was zunächst einmal Geld gekostet und kein Geld gebracht hat, stellt Anja Quiring klar, Regionaldirektorin Südosteuropa beim Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft. Sie stellt allerdings auch fest: Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine seien in den Nachbarländern des sich verzweifelt verteidigenden Staates ohnehin geplante Infrastrukturprojekte deutlich schneller angegangen worden. Und das werde verstärkt von der EU unterstützt. Ist also offensichtlich ganz im Sinne der EU.
„Für die Länder des westlichen Balkans gibt es den Wachstumsplan, der auch nochmals neue Mittel bereit hält für die Themenfelder Digitalisierung, Grüne Transformation und was sich ansonsten die Länder für ihre Reformagenden vorgenommen haben. Und diese neue Dynamik hat es eben vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges noch nicht gegeben.“ Der Krieg hat ein Umdenken ausgelöst, ein Neudurchdenken von Prioritäten. Hat letztendlich einen Impuls ausgelöst.
Allerdings, so dieselbe Anja Quiring vom Ostausschuss der deutschen Wirtschaft: „Langfristig ist es natürlich der Frieden und das unbedingte Ende des russischen Angriffskrieges, der für Prosperität in der gesamten Region sorgen wird und für stabilere Wirtschaften im gesamten Grenz- und Nachbarschaftsraum zur Ukraine.“
(Für die ADZ bearbeitet von Werner Kremm)