Planen in Traumschritten

Zu Besuch bei einigen Großbetrieben in der rumänischen Landwirtschaft

„Wir haben immer in Träumen gelebt. Unser erster Traum war, die Dächer der Wirtschaftsbauten dieses ehemaligen Staatsbetriebs in Motãtei Garã dicht zu machen. Der zweite Traum war, ein funktionsfähiges Büro zu haben. Der dritte Traum, die Pumpstation aus kommunistischer Zeit flottzukriegen und eine Bewässerungsgenossenschaft aufzubauen. Der vierte Traum war unser erster Steiger-Traktor mit mehreren hundert PS. So haben wir uns sozusagen von Traum zu Traum gehangelt und etwas Vorzeigbares geschaffen.“ 

Heinrich Quinte, der das unter der brennenden südrumänischen Sonne unweit Calafat sagt, schaut dabei auf seinen Partner Graham Bryce, einen Schotten, der im August seine rumänische Freundin in Schottland heiraten wird. 

Graham Bryce: „Ich hatte einiges an osteuropäischer Erfahrung, als ich Quinte kennenlernte und wir auf einer Hochzeit in Bulgarien beschlossen, gemeinsam etwas in Rumänien zu unternehmen. Ich war einige Jahre für eine deutsche Firma in Polen, sollte für eine englische Investmentfirma in die Landwirtschaft Bulgariens investieren, war in Ostrumänien und im Osten Deutschlands – drei Jahre in Sachsen-Anhalt – und bin heute total glücklich, mit Heinrich Quinte einen gemeinsamen Nenner und Betrieb gefunden und aufgebaut zu haben.“
 

Pumpstation wiederbelebt

Sein Deutsch klingt hart und anglisiert, aber ansonsten perfekt. Sein Söhnchen, das das Ungewöhnliche eines 20-köpfigen Besuchs in der unendlichen Weite der südrumänischen Agrarlandschaft sichtlich genießt und mit allen Mitteln die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versucht – auch durch englisch-rumänische Vielsprachigkeit und vor allem durch ein lautes und entschiedenes „NU!“ gegenüber allen Initiativen der Oltenierinnen, die den Kleinen zu bändigen versuchen – das Söhnchen ist mal auf seinen, mal auf Quintes Schultern – als hätte es zwei gleichberechtigte Väter.

Wir befinden uns in einem landwirtschaftlichen Betrieb im Süden Rumäniens, am rechten Ufer des Alt/Olt, einige Kilometer von der Donau und von Bulgarien entfernt. Die beiden Männer – zwei von den vier Gesellschaftern der Großfarm – haben die Besuchergruppe aus Nordrhein-Westfalen zuerst zum Besuch der Pumpstation an der Donau, südlich von Maglavit und östlich von Calafat eingeladen. Von hier aus können 50.000 Hektar bewässert werden, in einer Gegend, in der infolge des Klimawandels zunehmend Dürreprobleme herrschen.

Die 1976 gebaute Pumpstation wurde bis 1990/91 genutzt, dann aufgelassen und – nachdem sie den Dürreschock Südrumäniens durch massive Ernteverluste erstmals gespürt hatten – von Quinte und Bryce reaktiviert. Der Bewässerungskanal, in welchen das Wasser gepumpt wird, schafft das Lebenselixier durch natürliches Gefälle über 50 Kilometer weit Richtung Norden in die Donautiefebene. Bedienen kann sich daraus jeder, der die Minimalbedingungen der Mitgliedschaft in der Bewässerungsgenossenschaft erfüllt.
 

Pumpanlage als Ernteversicherung

Und das Wasser wird genutzt, zunehmend „auch von unseren rumänischen, amerikanischen, niederländischen oder französischen Nachbarn“, meint Bryce. Wie wir uns überzeugen konnten, auch als Badewasser von den Kindern der weit verstreuten südoltenischen Ortschaften dieses Raums, die auf Fahrrädern an die Kanalbrücken radeln. Vorläufig werden die Elektropumpen in diesem verhältnismäßig niederschlags-reichen Jahr nachtsüber für fünf Stunden angelassen. Geschätzte Bewässerungskosten pro Vegetationsperiode: 150 Euro/Hektar. Der Mehrertrag von bis zu drei Tonnen Körnermais pro Hektar „auf diesen traumhaft ertragreichen Schwarz-erdeböden“ macht die Bewässerung aber bezahlt. 

Riesige Berieselungsanlagen – Fahrbreite 460 und 630 Meter, je nach Anlage – stehen wie breitgestreckte stelzbeinige Spinnen über den Maisfeldern und kriechen mittels Sensoren und GPS die Kulturen auf und ab. Bei unserem Besuch, zwischen zwei Regenfällen, standen sie allerdings still. 
Umso besser konnte man den Unterschied sehen zwischen berieselten und der Natur überlassenen Maisfeldern – zum Zeitpunkt unseres Besuchs allein an der Höhe der Maisstauden: über 40 Zentimeter. „Es war kein Zufall, dass wir hier zuerst in Bewässerung investiert haben, und erst später in Traktoren“, bestätigt Heinrich Quinte. „Bei der Wiederinbetriebnahme gab es einen richtigen Volksauflauf. Eine solche Pumpanlage ist die beste Ernteversicherung in der Donautiefebene. So schaffen wir bei unserem Prämienprodukt, Körnermais, 10.000-12.000 Kilo, trocken, pro Hektar.“
 

Win-Win-Situationen mit den Franzosen

Den Absatz sichert eine französische Stärkefabrik in Calafat, die nicht nur die gesamte Maisproduktion von den gegenwärtig 1200 Hektar abkauft, sondern auch erstmals das hier sehr gut austrocknende Weizenstroh – fürs Erste 2000 Tonnen – zwecks Befeuerung. Für später ist auch eine Befeuerung mit Maisstroh angedacht. „So entstehen Win-Win-Situationen“, freut sich Heinrich Quinte, der zusammen mit Graham Bryce entschieden hat, ihre neuen Getreidesilos auch als Zwischenlager des Stärkeherstellers einzusetzen.

Als Win-Win-Situation bezeichnen die beiden auch die Kreativität ihrer Mitarbeiter. Dass Claas für Strohpressen – „von denen bestimmt einige Hundert in Rumänien bereits in Betrieb sind“ – keine Bedienungsanleitung auf Rumänisch mitliefert, ist bei ihnen absolut kein Hindernis. „Unsere Jungs gehen mit Gefühl und Vertrauen an die Maschinen – und es klappt immer!“, sagt Quinte. Dadurch, dass sie Raps, Weizen, Sonnenblumen und Mais anbauen, schaffen ihre Mähdrescher einen Jahresdurchschnitt von 750 Arbeitsstunden. Mit einer aus Serbien importierten Weizensorte ernten sie um die sieben Tonnen/Hektar. 

Aber der „Sozialismus in den Köpfen“ bereitet ihnen noch Kopfzerbrechen. Als sie einen 800 Hektar großen „Staatsbetrieb, der keiner und doch noch einer war“ kaufen wollten, konnte Graham Bryce bis zu einem Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium vordringen – „weiter war dann Schluss!“ So sind denn nach wie vor nur 800 Hektar der 3000 von ihnen verarbeiteten ihr Eigentum.
 

Neuer Beruf Pachthändler

Im Maroschtal bei Semlak treffen wir Deutsche, die für eine deutsche Investmentfirma landwirtschaftliche Flächen aufkaufen und verarbeiten. TAR Farming nennt sich das Unternehmen mit Sitz am Ortsausgang von Semlak in Richtung Seitin und als Erster stellt sich Markus Fornefeld, der „Flächenmanager“ vor. Er hält einen routinierten Vortrag über „Rumänien, ein Land Europas, wo man noch Land kaufen und als Ausländer auch halten kann“. Auch hier geht es um den besten Ackerboden, die Schwarzerde – für die gegenwärtig ein echter Erwerbwettbewerb zu laufen scheint. 

Die Erde hier im Maroschtal soll die beste überhaupt sein, ist zu erfahren, mit einer „vielkilometrigen Breite und einer Tiefe von bis zu anderthalb Metern – darunter Löss und die Grundwasserschicht.“ Nicht umsonst war das nahe gelegene Petschka, neben Topolovãt, in der kommunistischen Zeit wiederholt zu den besten Staatsbetrieben Rumäniens gekürt worden. Und nicht zufällig hat TAR Farming in Petschka einen Zweitbetrieb. „Infrastruktur, qualifiziertes Personal und Mentalität sind hier sehr in Ordnung“, führt Markus Fornefeld aus, „und auch mit den fiskalischen Vorgaben kommt man zurecht“.
 

Farm auf Expansionskurs

Der bei TAR-Farming für Ankauf von Ackerland zuständige junge Mann erläutert ziemlich offen seine Vorgangsweisen, auch bezüglich der Ankäufe von grundbuchsmäßig immer noch nicht erfassten Grundstücken – „Grundbucheinträge dauern bis zu zwei Jahren in Rumänien, obwohl das Gesetz dafür `21 Arbeitstage` vorschreibt“. Es laufe aber inzwischen auch schon ganz gut „mittels Prokura oder über Landmakler, doch auch im Direktverkauf“. 

Die vielen Tausend Einzelparzellen, die es auch hier als Folge unausgereifter Rückerstattungsgesetze gibt, machen engste Mitarbeit von Topografen und schwierige Manöver zwecks Flächenkonzentration und Flächentausch nötig. Die Pacht wird, wie überall, in Natura bezahlt, und es gibt „Pachthändler“, die mittels Vollmacht das Getreide übernehmen, verkaufen und den Pächtern die ihnen zustehenden Summen aushändigen. „Es funktioniert“, meint Fornefeld, „auch wenn noch der Selektionsprozess der Pachthändler im Gange ist.“

Zusammen mit Achaz von Winzingerode und Alexandra Siminciuc, mit der Markus Fornefeld früher in der Moldau zusammen gearbeitet hatte, gibt es bei TAR-Farming in Semlak ein junges Trio, das anscheinend gut funktioniert. 2008 bearbeitete die Firma hier 2400 Hektar – „davon 20 Prozent Eigentum, der Rest Pacht“ – Ende 2010 waren es 5000 Hektar (bei 60 Prozent Eigentum) und zum Zeitpunkt unseres Besuchs in Semlak Ende Juni waren es schon 7000 Hektar an drei Standorten, davon 5000 Hektar Eigentum. Über 3000 Hektar werden mit Körnermais (897 Hektar), Raps (785 ha) und Weizen (1245 ha) selber bebaut, 200 Hektar liegen als Brache und der Rest ist verpachtet. 

Die Firma ist in einer ihrer dynamischen Entwicklungsphasen und Achaz von Winzingerode, der für die Kulturen verantwortlich ist, hat immer mehr zu tun. 2011 rechnet er mit einer Ernte von 3,5 Tonnen Raps, 5 Tonnen Weizen und 8 Tonnen getrocknetem Körnermais pro Hektar. Zur Zukunft meint er: „Grundsätzlich wäre es vernünftig, wieder etwas mit Tieren zu machen. Das findet auch die ungeteilte Unterstützung des rumänischen Staats. Und in den Synergieeffekten unserer Firmenaufteilung über Deutschland, Polen und Rumänien liegen noch ungenutzte Chancen.“ Ansonsten sei man gemeinsam mit den Gesellschaftern noch „am Tüfteln“.
 

„Ein kleines Familienunternehmen“

15-20 Kilometer weiter nördlich, bei Reinhold Krüger – dessen Familie ebenfalls in Semlak lebt, „bis wir uns hier auf der Farm ein Haus bauen und uns eine Wohnung in Arad, wegen der deutschen Schule für die Kinder, anmieten“ – scheint auf den ersten Blick das Tüfteln beendet zu sein. Reinhold Krüger stammt – wie die meisten der Besuchten – aus Nordrhein-Westfalen und ist der Präsident des vor einigen Jahren gegründeten Klubs deutschsprachiger Farmer aus Rumänien. 

Er hat im Großraum Semlak 2006 angefangen, erst mal mit 300 Hektar. Mittlerweile bearbeitet er 1000 Hektar eigenes Land, peilt aber 1500 Hektar Ackerland an, „mehr nicht!“ Großteils aus Vermögensfinanzierung. Auch er ist, wie alle anderen Gesprächspartner, begeistert von der Qualität der hiesigen anderthalb Meter starken Schwarzerdeschicht, unter der sich Löss befindet. Krüger gehört einem Beregnungsverband an – auch die Maroschgegend ist von Bewässerungskanälen und Pumpstationen aus kommunistischer Zeit strukturiert – hat aber dessen Angebot „bisher zwei-mal benutzen müssen.“

Das sei hier auch ziemlich umständlich, „weil die Bewässerungsrohre von Hand verlegt werden müssen und weil ich, als ich meine Tagelöhner beobachtete, feststellen musste, dass denen die Ruhe- und Zigarettenpausen wichtiger waren als das Rohreverlegen.“ Zudem sei die Rohrkapazität „nicht ausreichend“. 

Krüger hat mit EU-Unterstützung mehrere Silos mit einer Lagerkapazität von je 1000 Tonnen gebaut, doch wären im vergangenen Jahr Getreidelagerungen „wegen des guten Preises nicht nötig“ gewesen. Als die Silos fertig waren, erschienen die Behörden prompt und fragten nach der Lagerungsgenehmigung (??!). Der Mann aus Lehr nennt seine Farm einen „kleinen Familienbetrieb“, wo er über 700 Hektar kompakt verfügt, „der Rest 15 km im Umkreis“. Lehrgeld habe er mit Kartoffeln und Zuckerrüben bezahlt – „Katastrophen, mit der Zuckerfabrik Oradea haben sich alle die Finger verbrannt, jetzt suchen die händeringend nach Erzeugern“. Am besten gehe es ihm mit den von allen Besuchern bewunderten Weizenschlägen. 

Ackerflächen zu finden sei „Glückssache“, aber in der Regel, wenn man die ersten größeren Flächen gekauft hat (gegenwärtige Hektarpreise in dieser Gegend: 2500-6000 Euro/ha, „aber nach oben offen“), „dann kommen die Leute auf dich zu“.

Statt Wächtern hat Krüger auf seinem Gut Kameras montiert – „die merken sich alles“ – kommt mit 3-4 Arbeitern aus, denn er legt selber Hand an, hat sich noch nicht entschieden, was er in Zukunft vorrangig anbauen wird, Weizen oder Mais. Oder vielleicht Raps? Nichts ist noch definitiv. 
Außer, dass er seine Zukunft in Rumänien sieht.