Randbemerkungen: Der Gotterwählte und die Erlöserin

Zwei alte Männer warnten jüngst Amerika vor Untergängen. Der eine, Joseph Biden, vorm Untergang der Demokratie, der andere, Donald Trump, vorm Untergang Amerikas. Beide wollten mit einer düsteren Zukunft punkten. Der eine wurde aus Altersgründen von seiner Partei aus dem Wahlkampf hinausgedrängt. Der andere, nahezu gleich alt, stand plötzlich einer jüngeren, lachenden Gegnerin gegenüber, mit der er nichts anzufangen wusste, außer drauflosrüpeln: „dumm“, „fies“, Marxistin“, „Zicke“ – so die Grenzen seiner Sprachkreativität beim persönlichen Beleidigen - während Konjunktur-Famulus J. D. Vance von der „unglücklichen kinderlosen Katzen-Lady“ dozierte.

Dies, während der älteste Sohn des 1968 ermordeten Bürgerrechtlers und Baptistenpastors Martin Luther King, MLK III, gegenüber dem „Stern“ meinte: „In meinen bald 67 Jahren habe ich noch nie ein solches Maß an Begeisterung vor einer Wahl erlebt.“ Manche sagen: außer bei Barack Obama… K. D. Harris überflügelt bereits in Umfragen den Lügenbaron und Showmaster Donald John Trump.

Gegenüber dem hilflos und bulligdumm agierenden verurteilten Gesetzesbrecher Trump ist die „Zicke“ und „Marxistin“ Kamala Devi Harris Akademikerin, vertritt hauptberuflich als Staatsanwältin den Rechtsstaat Amerika, stammt von einer Inderin und einem Jamaikaner ab, die beide an renommierten amerikanischen Unversitäten tätig waren, ist mit einem Juden, Rechtsanwalt, verheiratet, ist Stiefmutter zweier Kinder, die sie mit „Mamala“ liebkosen und ist die erste Frau in Amerika, die reale Chancen hat, als zweite Farbige und erste Frau, Präsidentin der USA zu werden. Den psychologischen Pfad dazu hat die heute 77-jährige Hillary Diane Rodham Clinton im Wahlkampf gegen denselben Trump geebnet.
Angesichts ihrer rauhbeinig-primitiv-plumpen Wahlkampfgegner hat Kamala Harris eine griffige Formel für die Entscheidungsfrage 2024 in den USA gefunden: Zukunft versus Vergangenheit. Statt einer Referendumsfrage, wie sie das Gegnerduo Biden-Trump pflegte - „der oder ich“ – wie man sie immer schon aus amerikanischen W(Q)ahlkämpfen kannte - visiert sie eine Zukunftsvision an. Trump stehe in ihren Augen für die autoritär durchgeführte Restaurierung eines Amerikas, wo „viele unserer amerikanischen Mitbürger noch nicht die vollen Freiheiten und Rechte besaßen.“ Hingegen stehe sie für „eine bessere Zukunft, für alle Amerikaner“, denn sie sei „bereit zuzuhören“ und „erst danach zu entscheiden“, hieß es in ihrer Chicago-Rede. (Kontrast: Trump kennt alle Antworten, weil er Trump ist und „dealen“ kann.) Sie wählte sich (klar bewusst, als Farbige) den grundsoliden, (noch) strahlend(er als sie) lachenden, „alten weißen Amerikaner“ Tim Walz zum Vize.

Trump und Harris stehen auch für den amerikanischen Protestantismus. Für zwei entgegengesetzte Flügel. Religion spielt bei US-Wahlen eine unterschätzte Rolle. 2020 schrieb „Religion New Service“, dass die religiöse „Metissage“ der K. D. Harris „die Zukunft für die amerikanische Religion“ sein könnte. Denn im Grunde vertrete Harris ein Religionsmosaik, einen religiösen Pluralismus, zu dem sich angeblich eine Vielzahl der Amerikaner bekenne. Religiosität definieren diese nicht durch Tradition, sondern durch freie Entscheidung, was auch „offene Religiosität“ heiße.

Monsignore Tomas Halik (Tschechien) nennt Trumps Glauben „eine Art hysterischer Jahrmarkttrubel“ (Trumps weggeschossenes Ohrhautstückchen zeichnen den Gotterwählten, so Trump-Fans), „apokalyptische Angst“ werde geschürt, „Frustrationen und Ressentiments“ kultiviert, Gläubige mit „messianischen Verheißungen“ genährt. Trumps Christentum - „präpotent, aggressiv, fremdenfeindlich“ - schüre „Hass gegen religiöse Diversität, gegen Frauen.“ Trump, ein Sexgeier, zwinge seine eigene(n) Frau(en), bei Kind und Herd zu verharren.

Amerika wählt: Gotterwählter oder Erlöserin.