Randbemerkungen: Der „Traum“ und die Politik

Während die EU mit der Ukraine und der Republik Moldau erste Beitrittgespräche begonnen hat, sind (fast zeitgleich) die Beitrittsgespräche mit Georgien eingefroren worden. Dies, weil „Der Georgische Traum“ seine politische Zukunft in einer Politik der zunehmenden Distanzierung zum politischen Abendland zu sehen scheint. Konkreter Ausdruck dafür: das in diesem Jahr erlassene und von den Russen kopierte Gesetz zum Maulstopfen der Zivilgesellschaft. Die europäischen Partner Georgiens haben sofort reagiert, dieses Gesetz werde den Weg Georgiens Richtung europäische Integration verbarrikadieren. Noch heftiger als sie die USA. Sie drohten, ihre Beziehungen zu Georgien revidieren zu müssen und auch darüber nachzudenken, gegen die Offiziellen der „Traum“-Regierung Georgiens individuelle Sanktionen zu verhängen.

Meinungen und Einstellungen driften in Georgien offensichtlich stark auseinander. Die Bevölkerungsmehrheit sei nach wie vor für eine europäische Integration – behaupten politische Beobachter. Präsidentin Salome Surabischwili (Jahrgang 1952), die im Pariser Exil geborene Tochter und Enkelin georgischen Adels und von Politikern, die am renommierten Institut für politische Wissenschaften in Paris 1972 ein Studium abschloss und danach bei Zbigniew Brzezinski an der Columbia University in New York ein Aufbaustudium absolvierte, war zwar von der Regierungspartei „Georgischer Traum“ als Parteilose im Präsidentschafts-Wahlkampf unterstützt worden, kämpft jetzt aber offen gegen die Russlandzugewandten. 

Die breiten Protestaktionen der Zivilgesellschaft und der Opposition gegen die russlandfreundlichen Tendenzen in der Politik Georgiens und das Veto von Salome Surabischwili sowie der Druck der vermeintlichen Partner aus Westeuropa und der USA nutzten bisher nichts. Das Gesetz über „die Transparenz ausländischen Einflusses“ ist von Parlamentspräsident Salva Papuaschwili Anfang Juni unterzeichnet worden und wird ab August voll angewandt. Medien und NGOs, die sich ausländischer Finanzierungen von mehr als 20 Prozent ihres Existenzbedarfs erfreuen, müssen sich als Organisationen registrieren lassen, die landesfremde Interessen vertreten. Zar Wladimir der Sture lässt grüßen ins Geburtsland seines Vorbilds Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili, alias Stalin.

Aufgrund dieses Gesetzes kann nämlich künftig das Justizministerium jederzeit Überwachungen und Beobachtungen anordnen gegen „verdächtige“ Organisationen, bzw. „Überprüfungen der Organisationen bezüglich der Konformität mit dem Gesetz“. Es bekommt das Recht, jederzeit Informationen anzufordern und zu horten, einschließlich persönlicher Natur. Das umstrittene Gesetz ist so konzipiert, dass es zum Druck- und Repressionsinstrument gegen alles umgedeutet werden kann, was der Regierung missliebig ist. Vor allem Dissidenten müssen noch mehr auf der Hut sein. Auch wenn Präsidentin Surabischwili die Gegenzeichnung des Gesetzes verweigerte, das Parlament schickte es ihr zurück. Laut Gesetz musste sie dann gegenzeichnen. Ihr Veto-Recht wurde vorher parlamentarisch annulliert.

Salome Surabischwili konterte mit einer „Charta Georgiens“, dem Aktionsplan zur Rückführung Georgiens nach Europa. Mit der „Charta“ möchte sie alle Oppositionsparteien auf ein einheitliches Vorgehen einschwören im Hinblick auf die kommenden Wahlen, mit dem Ziel, die Regierung von „Georgiens Traum“ abzulösen. Wahlen gibt´s in Georgien am 26. Oktober.

Surabischwili möchte aus diesen Wahlen auch ein informelles Referendum zum Zukunftsweg Georgiens machen: will man nun sich, nach rund 100 Jahren Moskauhörigkeit, Westeuropa nähern oder nicht? Das neue Parlament soll in der Causa Pro oder Contra Europa klar entscheiden, worauf die Präsidentin das Parlament auflösen und vorgezogene Wahlen ausschreiben will.

Surabischwili sieht das als ihren „friedlichen Weg“ an.