Randbemerkungen: Emotion als Handlungsvektor

Er hat verfügt, dass die USA aus dem Pariser Klimaabkommen austritt. Er hat Amerika aus der Transpazifischen Partnerschaft zurückgezogen. Er hat die Welthandelsorganisation geschwächt. Er hat Zölle gegen EU-Stahl und -Aluminium eingeführt. Er hat den Handelskrieg gegen China entfesselt. Er zog die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurück. Er bekrittelte die G7 und schocklobte Diktatoren vom Schlage eines Putin, denen Menschen- und Völkerrecht egal sind. Er hintertrieb Ukraine-Hilfen. Ein sturer Streiter für seine Wahrheiten (die Wahlkampfniederlage gegen Joe Biden hat er nie zugegeben), schaffte er es, durch Fake News und eigensinnige Wiederholung von Lügenpropaganda die Republikaner unter seine Kontrolle zu bringen (auch, indem er all seine Gegner in der Partei ausbootete). Er befeuerte den Sturm aufs Kapitol und erschütterte, wie kein US-Präsident vor ihm, den Glauben an die Grundfeste der Demokratie – aus purem Eigennutz. Er ist grundsätzlich unvorhersehbar, unkalkulierbar, immer für Überraschungen gut. Wer ihm einen „unkonventionellen Politikstil“ nachsagt, lobt ihn. Einen „narzisstischen Populisten“.  

„Donald Unberechenbar“ ist aussichtsreichster Kandidat für die im Frühjahr 2024 startenden Wahlen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner. Egal, wie die zahlreichen Prozesse ausgehen, die gegen ihn laufen oder die noch kommen werden, inklusive jener wegen der privaten Hortung von Geheimdokumenten aus seiner Regierungszeit (37 Anklagepunkte muss der Richter in Florida gegen ihn klären, vor dem er Dienstag dieser Woche zu erscheinen hatte, nachdem seine Anwältearmee in corpore vorher ihren Hut genommen hat;  den Richter hat Trump selber ernannt, als er Präsident war…).

Lange Zeit war Twitter seine Haupttrompete. Hier kündigte er – oft ohne Rücksprache mit seinen Beratern – wichtige Entscheidungen an (auch betreffs das Personal des Weißen Hauses, inklusive der Regierung), und der Verdacht, dass es sich um spontane „Bauch“-Entscheidungen gehandelt hat, bestätigte sich zunehmend. So kamen häufige Veränderungen an der Regierungsspitze oder in wichtigen Ämtern zustande, sich widersprechende Ankündigungen und Entscheidungen zuhauf – und nie gestand der (in seinen Augen) Unfehlbare einen Missgriff ein. Die Untergrabung von Entscheidungen seines Regierungsteams – Minister wie Berater – gehörte zum Alltagsgeschäft des Kaprizenhaften, Hauptsache: Er blieb im Fokus. Organisatorische Kohärenz war dem Sprunghaften fremd. Aber er hatte die totale Kontrolle über seine politische Agenda. Politische Visionen ließ er keine erkennen – abgesehen von griffigen, aber unterm Strich primitiv tribalistischen „Make America great again!“ Auch die liberale Nachkriegsordnung war ihm nur ein Beiseiteschieben wert. Ebenso die Nato („Ich werde den Re-Evaluierungsprozess der Nato-Zielsetzungen zu Ende führen, den ich in meiner Präsidentschaft begonnen habe“, drohte er bereits).

Unverändert gilt die Meinung jener 50 Republikaner, die Trump inzwischen kaltgestellt hat: „ (…) ein Präsident muss diszipliniert sein, seine Emotionen beherrschen, nur nach reiflicher Überlegung handeln. (…) Trump besitzt keine dieser grundsätzlichen Eigenschaften. Er ermutigt keine ihm entgegengesetzten Meinungsäußerungen. Es fehlt ihm jede Selbstkontrolle. Er handelt impulsiv. Er verträgt keinerlei Trump-Kritik. Er hat unsere engsten Verbündeten durch sein chaotisches Verhalten alarmiert.“ 

Dass er Macht auf sich bündeln und zuschneiden kann, das hat er bewiesen. Auch, dass ihm die emotionale Intelligenz zur Ausübung dieser Macht fehlt. Selbstrechtfertigung auf Fiktionsbasis, Impulsivität, aggressives Defensivverhalten, wenn er sich persönlich angegriffen oder nur beleidigt fühlt, Empathielosigkeit gegen alles, was außerhalb seines Familienumfelds liegt, Wankelmut – das sind Trumps Charakteristika. 

Wenn der wiederkommt…