Vor 19 Jahren hat Aram I., der Katholikos des armenischen Katholikosats des Großen Hauses von Kilikien, Antelias, Libanon und des Nahen Ostens im brasilianischen Porto Allegre vor 3000 Delegierten, die 350 christliche Kirchen aus aller Welt (und mehr als 100 Ländern) vertraten, zwei für die Einheit aller Christen unumgängliche Vereinbarungen vorgeschlagen: die Einigung auf denselben Tag, an dem alle Christen der Welt Ostern feiern, und die gegenseitige Anerkennung der Taufe. In Brasilien fand zwischen dem 14. und 23. Februar 2006 die Generalversammlung des Weltrats der (christlichen) Kirchen statt.
Kardinal Walter Kasper, damals Präsident des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit aller Christen (heute ist das Kardinal Kurt Koch), sprach von „Schritten in die Richtung des heiligen Ziels der Wiederaussöhnung aller Christen in einer Einheitskirche“, zur „historischen Aussöhnung“ zwischen der Ost- und der Westkirche. Aber auch „enorme Schritte in Richtung Ökumene“. Nur: Der Päpstliche Rat hat noch immer zwei Abteilungen: Ost und West…Vorstöße in die „richtige“ Richtung hat es seit 1923 (Kongress der orthodoxen Kirchen unter dem ökumenischen Patriarchen Meletios IV. in Konstantinopel) viele gegeben (z.B. 1997, 2013, durch den koptischen Patriarchen von Alexandrien Tawadros II, 2015 und 2025 durch Papst Franziskus). Keine wurden verwirklicht. Die Ostkirche unterm Szepter Moskaus mauert stur. „Ostern gemeinsam? Einverstanden! Aber Nicäa muss respektiert werden. Die Westlichen sollen sich doch uns angleichen! Wir folgen unserer Tradition, und die ist wichtiger als die öffentliche Meinung.“ So das „Dritte Rom“.
Patriarch Kirill ist die rechte Hand Putins. Orthodoxie ist für Moskau Staatspolitik. Also Geopolitik. Aber die Welt – vor allem EU-Europa! – nahm Putins Vorstöße zur Vereinnahmung der Orthodoxie nie ernst. Etwa, als er den heiligen Berg der Orthodoxie, die Mönchsrepublik auf dem Berg Athos, besuchte und sich dort als Schutzherr der Welt-Orthodoxie inszenierte. Die Russische Nationalkirche liefert den ideologischen Überbau des Ukrainekriegs.
Die EU-Orthodoxie-Ignoranz begann mit der Aufnahme Griechenlands, Bulgariens und Rumäniens in NATO/EU. Brüssel gestaltete den Vorgang rein büro- und technokratisch. Die Macht orthodoxer Kirchen dieser Länder nahm Brüssel bestenfalls skeptisch distanziert wahr.
Fortschrittlich unter den Köpfen der Orthodoxie agiert seit dem 20. Jh. der ökumenische Patriarch von Konstantinopel. Nach dem Überfall des orthodoxen Russlands auf die orthodoxe Ukraine vor drei Jahren fand Pariarch Bartholomäos die deutlichsten Worte der Verurteilung Russlands. Orthodoxe russische Kirche mit einbegriffen.
Der Ukrainekrieg zieht sich auch durch die Orthodoxie. Orthodoxe Kirchen sind (als autokephal) Staatskirchen. Das „Dritte Rom“ unter Kirill besteht darauf, dass die orthodoxen Kirchen unabhängiger Ex-Sowjetrepubliken weiter Moskaus Kirchengerichtsbarkeit unterstehen. Die orthodoxe Kirche der Ukraine ist seit 2016 gespalten. Teils moskauhörig und staatlich nicht mehr anerkannt, gar verfolgt. Teils als ukrainisch-orthodoxe Kirche, Konstantinopel unterstellt. Zur Autokephalie fehlt ihr die Anerkennung der orthodoxen Nationalkirchen. Auch von Rumäniens BOR. Moskaus Einfluss?
Konstantinopel steht mit seiner Anerkennung einsam da. Kirill predigt dumpf in Moskau gegen „Satanisten“ in Kiew. Sein Segen gilt dem Aggressionskrieg gegen die Ukraine. Ein Patriarch als Kriegstreiber und Ko-Chefideologe von Krieg.
Dem politischen Denken von EU und NATO ist Orthodoxie fremd. Das orthodoxe EU-Europa wird ignoriert. Wahrscheinlich (sträflich) verharmlost. Schon klopft der Westbalkan an. Die „Zivilisationsgrenze“ S. P. Huntingtons bleibt umstritten. An ihr tobt ein auch ideologischer Krieg. Rumänien grenzt daran. Ostern feiert´s weiter mit der Ostkirche…