Randbemerkungen: Prüfen, reden

Zur Stunde der Niederschrift dieser Randbemerkung meldete Radio România Actualități stündlich, dass die Kontrollteams, die die Präfekten auf Wunsch ihres höchsten Chefs, Premierminister Ion Marcel Ciolacu, aufgestellt hatten, „über 2500 Pflegeeinrichtungen und -heime“ kontrolliert, über hundert mit Geldstrafen belegt und rund 50 auf Zeit oder ganz gesperrt hätten. Bürger Miregal kapiert: sind die effizient! Die Hauruck-Aktion läuft. Das System müsse noch verbessert werden. Dann ist in der Sozialpflege alles in Butter.

Rumänen seien Meister gelungenster problemfreier Zukunftsprojekte und in der Darstellung derselben als im Nu realisierte Realität. So Emil Ciorans Überzeugung.

In den 1990er Jahren arbeitete ich als Volontär an Seiten des ASB Nordrhein-Westfalen in Kinder- und Altenheimen des Banater Berglands. Umso nachhaltiger verwirrte mich der Eindruck, den die Medienberichte über die Zustände in den „Heimen“ in und um Bukarest in mir erweckten: in 32 Jahren seit der Wende hat sich NICHTS geändert. Familienministerin Gabriela Firea-Pandele, die Hand-aufs-Kreuz behauptete, „total unschuldig“ zu sein an den Zuständen vor allem in den „Heimen“ von Voluntari im Bukarester Speckgürtel, wo ihr Mann, Florentin Pandele, Bürgermeister ist. Die marktschreierische Lüge und die aggressiv-freche Falschheit standen ins sorgsam geschminkte Gesicht der ehemaligen TV-Nachrichtensprecherin geschrieben. Nachweislich hatte sie nie die Beziehungen zu ihrem ehemaligen Fahrer abgebrochen, seit Zeiten, als sie Bu-karester Oberbürgermeisterin war – und der stand hinter den „Heimen des Schreckens“. Ihre Freundin-Chefberaterin im Familienministerium gehörte der Leitung der Stiftung an, die die „Heime“ betrieb. „Wusste“ die Ministerin „nicht“. Alle Enthüllungen zu den „Heimen“ seien bloß Hetzjagd gegen sie und ihren Mann. Leider hatte der Sprecher der Patriarchie der rumänisch-orthodoxen Kirche nicht den Mumm, seinen empörten Beitrag zur Causa Firea-Pandele (nicht namentlich genannt) im Internet stehenzulassen (oder der Patriarch zwang ihn, den zu löschen? Die Firea-Pandeles haben der orthodoxen Kirche hohe Haushaltssummen „gespendet“…).

Im Gegensatz zur hysterischen Rundumschlägerei mit Verschwörungstheorien und persönlicher Bedeutungspotenzierung der Ministerin, war der Abgang des Ministers für Arbeit und Soziale Solidarität, Marius Budăi, relativ würdig. Nun schlagen die „konzentrischen Wellen der Schuld” (Andrei Cornea) niedere Chargen des sozialen Verwaltungsapparats aus der (Karriere-)Bahn, u. a. auch die Schwester der Ministerin, die dem Amt vorstand, das (trotz offensichtlicher Gesetzeslücken) kontroll- und weisungsbefugt bezüglich der Skandal„heime” gewesen wäre. Die natürlich (auch) nichts gewusst haben will von den Brutalitäten, Exzessen und Schweinereien. Unschuldslämmer herdenweise.

Kaum vorstellbar, dass 2023 die Kontrollen in den (viel zu wenigen...) sozialen Betreuungseinrichtungen anders laufen als zu Beginn der 1990er Jahre und in jenem Jahrzehnt: Geprüft wird, ob die Papiere in Ordnung sind, ein Blick in die Vorratskammer, in die Küche, vielleicht auch in die Schlafräume, irgendetwas wird sich schon finden, das nicht in Ordnung ist – Strafgelder, u. U. auch die Schließung, beweisen Kontrollakribie. Ich habe NIE erlebt, dass ein/e „Kontrolleur/in” auch nur ein Wort gewechselt hätte mit den Betreuten, sie nach ihrem Befinden gefragt hätte, oder gar, wie diese die Zustände im Heim finden. Das scheint sich überhaupt nicht geändert haben. Man ist – so deute ich die triumphalen Zahlen über die Höhe von Strafgeldern und die Zahl der Schließungen wegen formaler Mängel – im alten Trott verknöchert.

Der Einzige, von dem ich las, dass er mit den Betreuten gesprochen hat, ist der Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz.  Aber der hat mal als Volontär in Rumänien im Sozialbereich gearbeitet...