Raucher

Was bewegt einen erwachsenen Menschen, hingebungsvoll an einem mit vertrockneten Blättern gefüllten, qualmenden Papierstäbchen zu nuckeln – und dies auch noch in aller Öffentlichkeit? Wieso bläst er statt dessen nicht Seifenblasen in die Luft? Das würde witziger aussehen und wenigstens besser riechen. Was bei jungen Leuten als Imponiergehabe beginnt, wird später leider schnell zur Sucht. Doch selbst unter Wissenschaftlern herrscht keine abschließende Klarheit, was stärker ist: der wiederbelebte Nuckeltrieb, den wir als Säugetiere von Geburt an in uns tragen, oder die körperliche Abhängigkeit vom Nikotin. Wenn es nur ersteres wäre, dann könnte man ja auch am Daumen lutschen. Wie, das ist peinlich? Na, und ein Lagerfeuer vorm Maul etwa nicht! Wenn es hingegen nur letzteres wäre, dann würden bestimmt viel mehr Raucher zum Nikotinpflaster greifen und sich ihr Laster durch sanfte Reduzierung der Dosis ganz leicht abgewöhnen. Eine weitere Theorie besagt, dass Raucher bloß auffallen wollen. Doch wenn man meint, der Umwelt Aufmerksamkeit heischend üble Gerüche aufzwingen zu müssen, dann doch bitte ohne Schadstoffe. Wie wär’s statt dessen mit einem kräftigen Stinkerkäse, im transparenten Aromabeutel um den Hals getragen? Oder einer Knoblauchkette à la Dracula?

Gottlob hat die EU der Geruchsbelästigung mit gesundheitsschädlichem Nebeneffekt schon lange einen Riegel vorgeschoben und verbietet das Rauchen in öffentlichen Gebäuden und Restaurants – und schafft damit gleich ein anderes Problem: die Segregation von Rauchern und Nichtrauchern. Wie früher Katholiken und Evangelische, Schwarze und Weiße, so spaltet sich fortan die Gesellschaft in Nichtraucher und Raucher: „Raucherclub“ nennt man nun angeblich in Deutschland Restaurants, die ihre qualmenden Kunden nicht verlieren wollen. Um die Gesetze nicht zu verletzten, muss man dort Mitglied werden, erzählte mir ein junger Mann, der seine nichtrauchende Freundin auch gleich einschrieb, sonst hätte sie auf dem Balkon oder auf der Straße essen müssen. Auch nicht ganz das Wahre, oder?

Wo bleibt eigentlich die Kreativität der Industrie, um diesem Problem endlich Abhilfe zu schaffen? Es ist doch so himmelschreiend einfach: Man muss nur ein Ersatzprodukt erfinden, das alle drei Motivationsfaktoren fürs Rauchen gleichermaßen berücksichtigt. Bingo! Und hier die Lösung: der Raucherschnuller! Der Raucherschnuller ist ein Dispositiv, das beim Saugvorgang kleine Mengen von Nikotin freisetzt, das über die Mundschleimhaut direkt in die Blutbahn gelangt. Damit haben wir gleich zwei Fliegen auf einen Streich erschlagen: den Nuckeltrieb und den Suchtfaktor. Bloß dass halt ein Schnuller nicht gerade cool wirkt.
Bis jetzt jedenfalls. Das heißt, bis meine kürzlich patentierte Erfindung den Markt erobern wird: der personalisierte Designerschnuller.

Den gibt’s dann je nach Kundentyp in futuristisch wirkendem Edelstahl, in Barbierosa mit Blümchen und Glitter oder im Military-Look mit Hirschhornrand. Für Öko-Fans könnte man ein handgeschnitzes Holzmodell aus der Maramuresch andenken, während die Dame der gehobenen Gesellschaft sicher das vergoldete Modell mit Brilli im Schnullerring bevorzugt. Den begleitenden Herrn lassen wir dann am cremefarbenen Emailleschnuller mit Mercedesstern saugen. Damit Nichtraucher und Kinder vom neuen Modespaß nicht ausgeschlossen werden, könnte man den Sauger statt mit Nikotin auch mit Aromastoffen bestücken. Wie wär’s mit den Klassikern Erdbeer, Vanille und Schoki? Oder etwas gewagter: Pizza, Knoblauch-Blattspinat, Schweinebraten mit Semmelknödeln?

Den Schnulli montiert man dann am besten ans Handy. Denn so sparen wir uns endlich den aggressiven Klingelton – beim Nuckeln sieht man ja, ob jemand anruft. Und weil „Raucherschnuller“ nicht cool genug klingt, lassen wir uns am Erfolg des Wortes „Handy“ inspirieren und nennen das neue Produkt ganz einfach – „Mundy“!