Regieren in Zeiten der Angst

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„Das Virus infiziert Trumps Wahlkampf“, betitelte das „Spiegel“-Team aus den USA vergangene Woche seine Wochenzusammenfassung des US-Wahlkampfes und argumentierte: „Wie fast alle politischen Narzissten empfindet auch Donald Trump die faktenbasierte Welt der Wissenschaft als Zumutung. Die Republikaner mögen sich seinem Machtwillen beugen, die Massen seiner Rhetorik verfallen. Ein Virus aber lässt sich nicht mit den Mitteln der politischen Verführung beeindrucken; was hilft, sind so schnöde Dinge wie Handhygiene, Seuchenkontrolle und ein wirksames Testverfahren.

Ende Februar hat der Präsident in einen Tweet behauptet, er habe die Ausbreitung des Coronavirus auch deshalb gebremst, weil er rechtzeitig die Grenze dicht gemacht habe. Nun allerdings stellt sich heraus, dass sich das Virus möglicherweise schon seit Wochen im US-Bundesstaat Washington unbemerkt verbreitet hat – und zwar auch deshalb, weil die amerikanischen Gesundheitsbehörden nur sehr sporadisch getestet haben.

Und es beruhigt viele Amerikaner nicht im Mindesten, dass Trump seinen Vizepräsidenten Mike Pence damit betraut hat, den Kampf gegen die Epidemie zu koordinieren. Der streng gläubige Pence war bisher immer vorne mit dabei, wenn es darum ging, wissenschaftliche Erkenntnisse in Frage zu stellen. (…) 2000 schrieb er: „Ungeachtet der Hysterie der Medien und der politischen Klasse gilt: Rauchen tötet nicht.“ Ein Jahr später nannte er den Klimawandel einen „Mythos“. Und kurz darauf erklärte er in einem Interview mit CNN, dass Kondome einen „sehr, sehr schlechten Schutz“ gegen Krankheiten wie AIDS böten und die einzig verlässliche Methode Abstinenz sei. Vor ein paar Tagen machte ein Foto auf Twitter die Runde, wie Pence ein Krisentreffen zum Coronavirus mit einem Gebet eröffnete.

Beim sowohl von Heiden als auch von Christen respektierten Aristoteles („Sophistische Zurückweisungen“) ist nachzulesen: „Weil in einer Überlegung die Voraussetzung entweder einer der Sätze ist, aus denen unmittelbar die Überlegung folgt, oder aber ein Satz, der zu einem solchen Satz führt, kann der Antwortgeber alle Sätze annehmen, wenn sie wahr oder wahrscheinlich sind. Aber gegen einen Universalsatz kann auch Einspruch erhoben werden. Denn eine Argumentation ohne einen solchen Einspruch zu unterbrechen, der reell oder scheinbar reell kommt, heißt, unnötig Schwierigkeiten schaffen. Folglich: lassen wir einen Universalsatz nicht gelten, für den viele Einzelfälle sprechen. Und haben wir keinen objektiven Einspruch dagegen vorzubringen, ist es offensichtlich, dass wir unnötig Schwierigkeiten schaffen. Diese Sünde werden wir umso eher begehen, als wir keine Gegenargumente erbringen dafür, dass der Universalsatz falsch ist. Doch ein Gegenargument reicht nicht, die Sünde zu vermeiden.“

Demnach doziert der antike Philosoph: Aus Einzelfällen ist keine verallgemeinernde Schlussfolgerung zu ziehen. Bezogen auf die Corona-Virus-Medienhysterie, die von Wuhan ausging: Könnte das nicht eine Krise sein, die aus der Unfähigkeit resultiert, ratio-dominiert zu regieren? Regieren heißt (doch auch), die Angst beherrschen, nie aber: den Regierten beibringen, mit der Angst umzugehen. Und passiert nicht gerade Letzteres uns allen? Denn, nüchtern betrachtet, leben wir nicht in einer Welt der Ängste? Die unaufhörlich drohen, in Panik umzuschlagen? Ist die Angst vor dem Covid-19-Virus nicht eine Angst unter vielen Ängsten, die uns bewusst sind oder medienvorgekaut bewusst gemacht werden und die jederzeit auf der Kippe stehen, in Panik umzuschlagen? Soziale Panik ist kaum zu kontrollieren. Wer will Panik? Und wer sind die Kontroll-Unfähigen? China hat ein paar Verantwortliche abgesetzt. Hat es deshalb weniger Ansteckungsfälle?

Das Wort Kollapsologie macht die Runde. Stecken wir in einer Kollapsphase? Haben wir aristotelische Gegenargumente parat?