Rumäniens Fernkopie Moldawien

Wenn die Amerikaner ihre Präsenz hier als „Erfüllung unserer Funktion als Schutzmacht“ Rumäniens darstellen, wie das jüngst der immer noch nicht abgelöste US-Botschafter Hans Klemm erklärte, dann kann, in Anlehnung daran, die vielseitige Präsenz Rumäniens in Moldawien mit leichter Übertreibung als „Anwesenheit im Konfrontationsgebiet“ bezeichnet werden. In diesem tief gespaltenen Land treffen die Interessen und die Einflusssphären der EU mit jenen Russlands direkt und in der Regel brutal aufeinander, heftiger als in der Ukraine. Das patriotische Zusammengehörigkeitsgefühl, von dem hierzulande mehr oder weniger geschwärmt wird, lässt der Realpolitik den Vortritt. (Übrigens: Die Umfragen in Moldawien besagen immer noch, dass in Moldawien bei rund einem Viertel bis höchstens einem Drittel der Bevölkerung ein Interesse am Zusammengehen mit Rumänien besteht.)

Oberflächlich betrachtet, erlebt Moldawien eine seiner (vielen und vorübergehenden) innenpolitischen Krisen. Im Grunde aber geht es um die Konfrontation zwischen Pro-Europäern und Pro-Russen, um eine Art historisch-politische Entscheidungsschlacht. Dass plötzlich die Russophilen Dodons („Sozialisten“) mit den Pro-Europäern der Maia Sandu zusammengehen, dürfte auch eine Fernwirkung der Verschiebungen in Bukarest sein, die vom Einlochen des PSD-“Daddys” Liviu Dragnea ausgelöst wurden. Dragnea unterstützte insgeheim den Oligarchen Vladimir Plahotniuc. Der Fall Dragneas war für Plahotniuc eine Warnung. Nicht zufällig hat der Oligarch sein Land am vergangenen Freitag verlassen...

Zunächst reagierte allein Meleșcanu, der Außenminister. Zweideutig, verschroben, wie die Politik Rumäniens gegenüber der Moldau ist. Dies nicht seit Neuestem. Plahotniuc erfreute sich im vergangenen Jahrzehnt vielseitiger Unterstützung seitens rumänischer Institutionen, die größte vor zehn Jahren, als sein politischer Aufstieg begann. Sein politisches Agieren kann als eine Fernkopie des Handelns von Dragnea gesehen werden, mit dem Zweck der stufenweisen Unterordnung staatlicher Institutionen und zuletzt das Anvisieren von Allmacht. Desgleichen nutzte er die ihm „ergebenen” TV-Sender zu heftigen Kampagnien gegen den plötzlich gewandelten ehemaligen Russenfreund Igor Dodon und enthüllte u. a., dass bis zum 1. April 2019 an Dodons „Sozialisten” monatlich rund 800.000 Dollar aus russischen Quellen überwiesen wurden. Außerdem unterstellte Plahotniuc Dodon ein politisch-nationalistisches Grauenszenario, für Moldawien wie für Rumänien: die Absicht der Föderalisierung!

Plahotniuc setzte auch seine andere „Wunderwaffe”, das Verfassungsgericht (VG), ein (wo vier von sechs Richtern von Plahotniuc kontrolliert wurden). Man sieht, es gibt in Moldawien sehr viele Ähnlichkeiten mit dem „großen Bruder“ Rumänien. Das VG dekretierte und widerrief in einem Tempo, das Rumänien fremd ist, und stiftete letztendlich bloß Unruhe und Unsicherheit. Und so wie der PSD-Hampelmann Tudorel Toader zur Venedig-Kommission delegiert wurde, um sie zu beeinflussen, so schickte Moldawien Alexandru Tănase, eine Parteienmarionette, mit demselben Auftrag hin. Der „erklärte“ der Kommission die in Chișinău vom Verfassungsgericht Plahotniucs dekretierten Verfassungsverletzungen der Gruppe Dodon/Sandu.

Alldem kommt die moldawische Verfassung (Art.63, Art.65) entgegen, die Amtsenthebungen eines Präsidenten und die Auflösung des Parlaments sehr leicht macht. Interessant die Stellungnahmen von Russland, den USA und der EU zum Chaos in Moldawien, vor allem aber die zweideutige Haltung Rumäniens, des „Möchtegern-Bruderlands“, von dem aus schon lange keine „Blumenbrücken” mehr über den Pruth gelegt werden.
Um das Weinland Moldawien kann es einem leid tun: dort zeichnet sich keine Zivilgesellschaft ab, die fähig wäre, den sich vertiefenden Spalt zwischen Ostlern und Westlern zu schmälern.