Russenhass und Erzhunger

Über das plötzlich wieder belebte Interesse an der Banatit-Lagerstätte von Neumoldowa

Das Anreicherungswerk für Kupferarmerze Moldomin wurde vor sechs Jahren stillgelegt. Heute gibt es wieder mehr Interesse für die Kupfervorkommen, sodass sich auch die Industriespionage damit beschäftigt.
Archivfoto:Werner kremm

Ein Teil der rumänischen Presse kocht wieder mal über vor Russenhass. Auf dem Internationalen Flughafen „Henri Coandă“ in Bukarest ist ein russischer Staatsbürger verhaftet worden, bei dem Dokumentationen und Grubenkarten bzw. geologische Karten über die Lagerstätte von Kupfer und seltenen Erden bei Neumoldowa an der Donau gefunden wurden. Sofort ist er von den Medien zum „Spion“ abgestempelt worden und die „zuständigen Organe“ sind mit dem ihnen charakteristischen Ernst an die Untersuchungen und Verhöre geschritten. In den Medien ist bald ein ganzer „Spionagering“ entstanden, dem ein „Chef der russischen Auslandsspionage“ persönlich vorstand. Die Politiker hatten reichlich Gelegenheit zu kritisieren, wieso die augenblicklichen politischen Gegner seinerzeit, als sie an der Macht waren, nichts unternommen haben, um „zum Nutzen des Landes“ selber an die Nutzung der so wertvollen geologischen Reserven zu schreiten. Wie die Sache ausgeht, ist momentan weniger wichtig, obwohl vorhersehbar.

„Banatite“  längstens bekannt

„Moldomin“ Moldova Nouă, das Kupferbergwerk und Anreicherungswerk für Kupferarmerze, war in den sechs Jahren seit der Einstellung des dortigen Betriebs in den Medien vor allem als bedrohlicher Umweltverschmutzer und für die Schrottdiebe als Goldgrube präsent. Im geologischen Sprachgebrauch heißen die Erze des Vorkommens von Neumoldowa an der Donau, die seit Anfang des 19. Jahrhundert bekannt sind und damals gleich an den Bergakademien in Schemnitz/Banska Stiavnica und Freiberg untersucht wurden, „Banatite“. Sie haben einen durchschnittlichen Kupfergehalt von drei Prozent. Sie müssen also in einem aufwendigen und mit viel Umweltgift versetzten Verfahren massiv angereichert werden, bevor sie in eine Kupferschmelze (in diesem Fall nach Baia Mare) gebracht werden können und daraus Kupfer entsteht. Was übrigbleibt, der Abraum, ist hochgiftig. Jahrzehntelang wurde er auf zwei Abraumhalden mit Kronenteichen zur Feuchthaltung gelagert. Seit der Staat den Betrieb von Moldomin eingestellt hat, werden auch die Kronenteiche nicht mehr durch Hochpumpen von Donauwasser nachgefüllt, die Halden sind trocken und dem Spiel der Winde ausgesetzt. Der giftige Sand verstreut sich über das weite serbisch-rumänische Donautal.

Das Interesse an Kupfer hingegen ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen und heute kostet die Tonne Kupfer an der Londoner Börse rund viermal mehr als 1990. Trotzdem hat der rumänische Staat über seine Kupfer-Förderunternehmen (Hauptsitze in Deva und Baia Mare) eher Interesse am Ankauf der serbischen Kupfergruben rund um Maidanpek – die eigentlich in der südlich-balkanischen Verlängerung der Karpaten bzw. des Banater Erzgebirges nicht fern des rechten Donauufers liegen – gezeigt (an Vorkommen, die übrigens etwa um dieselbe Zeit wieder entdeckt wurden wie die am rumänischen Ufer – eigentlich waren beide Vorkommen bereits den Römern und Daziern bestens bekannt).

Dauerschlaf des  Wirtschaftsministeriums

Die Modernisierung von Moldomin hat der rumänische Staat sträflich vernachlässigt, und nicht einmal als der rasante Anstieg der Kupferpreise in den 1990er Jahren begann, ist jemand beim Wirtschaftsministerium aufgewacht. Eine verkorkste Privatisierung ließ das öffentlich geäußerte Interesse am Kauf von Moldomin, inklusive aller Abbaulizenzen ober- und untertag (der Untertagabbau in der Grube „Suvorov“ war schon zu Beginn der 1990er Jahre zugunsten des Tagebaus im Grubenfeld Neumoldowa aufgegeben worden) einschlafen. All das trotz des Interesses, das alle großen Kupferunternehmen, von Chile und Kanada bis nach China und die Philippinen rund um den Erdball an einer Versteigerung von Moldomin gezeigt hatten (und dies trotz der ungeheuer hohen Kosten einer umweltgerechten Sanierung der beiden Abraumhalden am linken Donauufer, die eine der Bedingungen für den Verkauf war). Der rumänische Staat aber machte plötzlich aus Staatssicherheitsgründen einen Schritt zurück. Kupfer war zumindest als strategisch wichtiges Element wiedererkannt worden. Auf der Interessentenliste für die Versteigerung standen achtzehn globale Kupfererzeuger, das weltweite Who`s who der Branche. Umsonst.

Seither ist nur noch zeitweilig – nicht zuletzt dank der Hartnäckigkeit einer kleinen lokalen Umweltschutzorganisation aus Orawitza (GEC Nera) – von den brandgefährlich-gifthaltigen Abraumhalden am Donauufer die Rede, von wo die Winde der Donauklamm den giftigen Staub gleichermaßen ans rumänische und ans serbische Ufer der Donau treiben und Felder, Wiesen und Brunnen sowie die Körper der Anwohner vergiften. Die Zahl der Krebserkrankungen in diesem Abschnitt des grenzüberschreitenden Naturschutzgebiets (!!!) Eisernes Tor-Djerdapp soll unvergleichlich höher sein als im Durchschnitt der beiden Länder.

K.u.k.-Karten als Geheimnis?

Als das Karansebescher Unternehmen für Prospektions- und Schürfarbeiten (IPEG Karansebesch) noch existierte, war dort immer wieder zu erfahren, dass die besten Prospektionsarbeiten nach abbaubaren Erzen und implizite die besten geologischen Karten (zumindest) des Banats noch in der guten alten Zeit des k.u.k.-Reichs angefertigt worden sind. Die gesamte Arbeit des Schürf- und Prospektionsunternehmens beruhe auf der Verifizierung und „Vertiefung“ (lies: Detaillierung) dieser Karten, bekannte man freimütig, ob es sich nun, wie in den 1970er Jahren, um die Vorkommen von Ölschiefer im Großraum Anina/Steierdorf, um die Goldvorkommen im Großraum der Almascher/Almăj-Senke oder um die Vorkommen an Braunkohle bei Karansebesch, Mehadia und im Almăj-Becken handelte. Oder eben um die Kupferarmerze von Neumoldowa. Von seltenen Erden war seinerzeit noch keine Rede.

Und diese Karten – oder deren Kopien – sind in allen besseren Archiven, in Wien oder Budapest oder sogar in Temeswar, einsehbar. Mehr noch, der Autor dieser Zeilen fand in den 1980er Jahren im Hof des Rathauses der Gemeinde Dognatschka, im Beisein seines väterlichen Freundes und Dognatschka-Führers, des vielseitig interessierten Tischlermeisters Daniel Gassenheimer, sowohl Original-Forst- wie Grubenkarten des Banater Erzgebirges, zum Teil wunderschön mit handgemalten phantasievollen Bergmandln verziert. Was man so zusammenraffen konnte, das wurde dem (erst später so genannten) Museum des Banater Montangebiets übergeben. Damit will allerdings nichts anderes gesagt sein, als: die alten k.u.k.-Karten über den reichen Inhalt des Banater Erzgebirges sind lange kein Geheimnis mehr und bloß fehlendes Interesse ist ein Hindernis gewesen, sie einzusehen. Worin liegt dann die Staatsgefährdung?

Nährböden für  Spionageverdächtigungen

Logischerweise müsste auch das Bukarester Unternehmen für geologisch-bergbauliche Entwurfsarbeiten IPROMIN, wo die Planungen neuer Gruben bzw. der Ausbau bestehender Abbauwerke geplant wird, zumindest Kopien dieser alten geologischen Karten besitzen. Was aber wahrscheinlich nicht überall ohne Weiteres einsehbar ist, das sind die aktuellen Schätzungen bezüglich des Umfangs, Inhalts an reinen Metallen und der Rentabilität des Abbaus von Lagerstätten. Und an solchen Daten dürfte das wirkliche Interesse liegen, das als Industrie- bzw. Wirtschaftsspionage ausgelegt werden kann, wenn die IPROMIN-Angestellten – die übrigens den Status öffentlicher Beamten genießen – solche Daten weitergegeben (oder -verkauft?) haben.
Wie dem auch sei: Um den oder die „russischen Spione“ sollten wir uns keine weiteren Sorgen machen. Die kommen durch Austausch mit rumänischen „Spionen“, die zur rechten Zeit in Russland hoppgenommen werden, wieder frei. Sollte aus dem, durch Wirtschaftsspionage oder nicht, geäußerten Interesse der Russen an Erzvorkommen im Banat etwas Handfestes werden – Gott sei Dank, das bedeutet schließlich nichts anderes als Investitionen und Arbeitsplätze für das Banater Bergland.
Aber in unserer globalisierten Welt, wo alles allen bekannt ist – weil aus dem Weltall, aus dem Wasser der Weltmeere und auf Erden allerlei „aufmerksame Augen“ alles beobachten, was da kreucht und fleucht und ruht –, wer kann da schon wirklich ein Geheimnis bewahren? Und sei es auch noch so staats(sicherheits)wichtig?