Russlands neuer, alter Präsident

Wladimir Putin bekommt ein Vertrauensvotum von zwei Drittel der Wähler

Russland, das größte Land der Welt, wählte am Sonntag den Präsidenten. Zur Wahl standen vier wohlbekannte Kandidaten: der noch-Premierminister Wladimir Putin, Gennadi Sjuganow, der Leader der Kommunistischen Partei, Wladimir Schirinowski, der Leader der russischen Liberal-Demokraten sowie Sergei Mironow, der Vorsitzende der kremlnahen, sozialdemokratisch gerichteten Partei „Gerechtes Russland“. Das neue Gesicht der Wahlkampagne war der Milliardär Mihail Prochorow.

Der Verlauf der Wahlkampagne ließ wenig Zweifel am Sieg des Regierungschefs und Vorsitzenden der Partei „Geeintes Russland“ Wladimir Putin zu. Daran zweifelten weder seine zahlreiche Anhänger noch die westlichen Medien. Nur taten sie dies aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die Ersten glaubten an ihren Leader und seine Fähigkeit, das Land in eine bessere Zukunft zu führen. Die Anderen waren und sind davon überzeugt, dass die „korrupte Staatsmacht“ alles Mögliche dafür tun wird, um Putin wieder an die Spitze der Machtpyramide zu bringen.

Die Wahlwerbung, welche die Kandidaten für das höchste Amt in Russland kostenlos von den westlichen Medien erhielten, erlaubte es ihnen, die Kosten der Wahlkampagnen (rund 39 Millionen Euro) in Grenzen zu halten. All die Artikel und Reportagen, ob Schimpfen auf den „Diktator“ Putin oder Lob auf die „echten Demokraten“ von der Opposition, trugen dazu bei, dass die normalerweise weniger aktiven im Ausland lebenden Wähler am Sonntag die Botschaften und Konsulate förmlich stürmten.

Die Wahlbeteiligung in Russland selbst lag bei rund 57 Prozent und hat sich im Vergleich zu den letzten drei Präsidentschaftswahlen um rund zehn Prozent verringert.

Die Präsidentschaftswahlen in Russland waren von einer Anti-Putin-Kampagne in den westlichen Maßmedien begleitet. Mehrere Leitartikel im „Der Spiegel“ erinnerten an die besten Zeiten des Kalten Krieges. Die Autoren rochen den „Gestank des KGB“, entzauberten den „Märchenkönig“ und beschuldigten Putin, die Staatsangestellten sowie das Militär für seine Ziele zu missbrauchen. Dass gerade diese Kategorien der Bürger am meisten von Putins Regierungsstil sowie der gelenkten Marktwirtschaft und Demokratie profitiert haben, übersieht man gerne.

Die trotz der Weltkrise wachsenden Gehälter und Renten sowie die sanfte Regulierung der Lebensmittel- und Spritpreise ermöglichen dem beträchtlichen Teil der Bevölkerung einen anständigen und – was noch viel wichtiger ist – gesicherten Lebensstil. Den Rückkehr zu dem Chaos und der Wilderer-Wirtschaft der 1990er Jahre wünscht sich kein normaler russischer Bürger.

Aber auch die US-amerikanische Presse wusste bereits vor den Wahlen vom Wahlbetrug und der staatlichen „Regelung“ des Volksentscheides zu berichten. Einige hundert Tausend Wahlbeobachter und die Videoüberwachung der 90.000 Wahllokale ließ zwei der Konkurrenten die Wahlen als „demokratisch“ und „richtig“ anzuerkennen. Nur der Kommunistenführer Sjuganow sprach von „undurchsichtigen“ Wahlen, die seine Partei nicht anerkennen will.

Desgleichen drohte er, wie schon seit Jahren, mit dem Zusammenbruch der russischen Wirtschaft, vor dem Russland nach der Wahl Putins unmittelbar stehe. Natürlich meldeten einige „unabhängige“ Wahlbeobachterorganisationen hunderte und sogar tausende Fälle des Walbetrugs. In wieweit diese den Tatsachen entsprechen, werden die Staatsanwaltschaft und die Polizei gemeinsam mit der zentralen Wahlkommission feststellen. Sicher ist, dass die abgegebenen Stimmen im Wahllokal Nummer 1402 in Dagestan nicht mitgezählt werden.

Dort ließen sich die Mitarbeiter nicht einmal von den live übertragenen Webkameras stören und schoben Dutzende von Stimmzettel in die Wahlmaschine. Doch sind die der zentralen Wahlkommission vorliegenden Beschwerden „für das Wahlergebnis unbedeutend“, wie es kurz vor Mitternacht aus Moskau hieß.

Die Tatsache, dass Putin haushoch, mit fast 64 Prozent, gewonnen hat, ließ „Der Spiegel“ aufschreien. Die Webkameras hätten nicht überall und nicht durchgehend funktioniert. Manipuliert seien die Wahlen gewesen. Nur die schwachen Kandidaten seien zur Wahl zugelassen worden. Doch werden dabei keine Namen genannt.

Der einzige von der zentralen Wahlkommission abgelehnte Kandidat, Grigori Jawlinski, lag in den Umfragen bei 3 bis 5 Prozent. Sogar der stärkste und älteste Opponent, der Kommunist Sjuganow, kam auf die rund 17 bis 18 Prozent, die er nach der vorläufigen Auszählung der Stimmen auch bekam.

Vielleicht sollte man sich im demokratischen Westen damit abfinden, dass Russen Putin mehr vertrauen, als es dem Westen lieb ist. Und die Oppositionsführer sollten sich bei den nächsten Wahlen ein besseres Wahlprogramm ausdenken, als nur den Slogan „Putin muss weg!“
Die Opposition in Russland hat für die kommenden Tage Proteste angekündigt.

Das ist eine Aufgabe der Opposition. Doch wird die wohlbetuchte Schicht, die nach mehr „Demokratie“ und weniger staatlicher „Einmischung“ in die Wirtschaft verlangt, an den Wahlergebnissen nicht rütteln können. Die Mehrheit des russischen Volkes hat Wladimir Putin sein Vertrauen für die nächsten sechs Jahre ausgesprochen.

Die Aufgaben, die vor dem neuen Präsidenten stehen, sind nicht einfach: Bekämpfung von Korruption, wirtschaftliche Entwicklung des Landes weg von der Rohstoffwirtschaft, Stärkung der politischen Präsenz Russlands auf dem internationalen Parkett. Die wichtigste Pflicht bleibt jedoch die Steigerung des Lebensstandards der Bevölkerung des Riesenlandes, denn darum geht es den Wählern in erster Linie. Die meisten Bürger sind davon überzeugt, dass Putin als einziger der angebotenen Präsidentschaftskandidaten es schaffen kann.