Schüler als Pandemie-Verlierer

Das entmutigende, entmündigende und entwürdigende Leben unterm gesundheitlichen Rettungsschirm, das wir zu führen gezwungen sind – zugegeben: auch weil es keine vernünftige Alternative dazu gibt – hat letztendlich eine einzige wirklich katastrophale Folge: es kostet Zukunft. Das Geld, das die Corona-Politik kostet, fällt offensichtlich viel schwerer in die Waagschale als der Zwang durch die Pandemie, die Schulen auf Sparflamme zu halten (halbe Klassen, Fernunterricht unter mangelhaften technischen Voraussetzungen, höhere Implikationsanforderungen an die Elternschaft, sequenzieller Wechsel vom Vor- zum Nachmittagsunterricht, unvergleichlich größere Anforderungen an eine ohnehin nicht glänzend ausgebildete Lehrerschaft usw.). Durch prekäre Voraussetzungen zur Bildung, also eigentlich für die Erziehung und Ausbildung der Kinder, wird unsere Zukunft mit Nonchalance oder aus organisatorischer Unfähigkeit geopfert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die wohl klügste Frau, die in der Gegenwartspolitik etwas zu sagen hat – und auf die gehört wird –, nannte in ihrem Sommerinterview unter den drei Prioritäten ihrer gegenwärtigen Regierungszeit, die im Zeichen der Covid-19-Pandemie steht, als erstes, dass alles getan werden müsse, damit die Kinder nicht zu „Verlierern der Pandemie” werden: „Die Schule darf niemanden zurücklassen“. Das darf als Kernsatz ihrer diesbezüglichen Aussagen dastehen. Sie gab zu, dass die Aufgabe, unter Voraussetzungen der Pandemie das Schulwesen zu organisieren, „eine der schwierigsten“ sei.

In Deutschland hat die Schule bereits überall begonnen, mit allen für nötig gehaltenen Vorsichts- und Präventionsmaßnahmen – die greifen. Oder auch nicht. Aber man ist die Sache entschlossen angegangen und, auch wenn Schule und Unterricht Ländersache sind, engagiert sich die Bundesregierung in diesen Sonderzeiten stark im Bildungsgeschehen.

Hierzulande wusste man am Wochenanfang noch nicht, ob denn jetzt die Schule wirklich am 14. September beginnt oder nicht, und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Die Räumlichkeiten, über welche die Schulen verfügen, sind dieselben wie eh und je (was hat doch die PSD im Wahlkampf 2016 an Versprechungen zu Bildung und Bildungsräumen gemacht...). Die Schülerzahl ist in etwa die gleiche wie zu Beginn des Schuljahrs 2019-2020. Um die „soziale Distanz“ zu wahren, könnte der Online-Unterricht noch das gesamte erste Semester des Schuljahrs 2020-2021 durchgezogen werden – aber woher sollen die vielen Tablets oder Laptops kommen, die die PNL-Regierung vollmundig versprochen hat, den sozial Schwachen bereitzustellen?

Kein Verantwortlicher will die vielen Pandemie-Unterrichts-Szenarien gegeneinander abwägen und eines davon herauslesen – mit allen Vor- und Nachteilen. Die clowneske Bildungsministerin eh nicht, aber auch nicht der Präsident, der doch Physiklehrer ist und dessen Bildungsintiative „România educat˛“ so vielversprechend klang, aber leider einschlief.

So bleibt faktisch wohl nichts übrig, als die Schulen ohne feste Regeln zu öffnen und Verantwortung auf Lehrer und Schulleiter zu schieben – ein hierzulande politisch bewährtes Muster – und inbrünstig zum Herrgott zu beten und Ihn zu bitten, er möge doch alles gutgehen lassen.

Wenn es zwei Wochen vor Schulbeginn noch keine für Lehrer und Schüler verbindlichen Regeln gibt und die Mittel noch nicht feststehen, mit denen Regelübertretungen zu ahnden sind – woher dann Vertrauen in die Schule? Wie können Eltern Kinder in eine Schule schicken, wenn bei fehlenden Regeln dort nach Gutdünken mehr oder weniger qualifizierter Schulleiter gehandelt wird? Immer noch wimmelt es in Rumänien von „Erleuchteten“, die nicht ans Virus glauben. Wer kann garantieren, dass die Kinder der „Erleuchteten“ sich Schulregeln fügen? Der Respekt vor Regeln und Gesetzen war noch nie Unterrichtsfach in diesem Lande.