Spitzenleistungen auf der Tatami

Adina Seitz gehört zu den weltweit besten SKDUN-Karatesportlerinnen

Adina zusammen mit ihren Eltern, Klaus und Cristina Seitz

Goldmedaillen sind in der Sammlung der Kronstädter Karate-Sportlerin am meisten vertreten.

Für die Pokale reicht der Platz bald nicht mehr.
/ Fotos: Ralf Sudrigian

Karate verbinden wir zunächst mit spektakulären Sprüngen, Angst einflößendem, schrillem Geschrei, Hiebe mit der Handkante, die Ziegelsteine zertrümmern, mit einer menschlichen Kampfmaschine a la Bruce Lee. Nicht diese Hollywood-Sichtweise aber brachte Adina Seitz auf dieTatami und zum Medaillenkampf bei Landes-, Europa- oder Weltmeisterschaften. Wie sie zu einer der Besten in ihrer Alterskategorie in dieser Kampfsportart werden konnte, was ihr Karate bedeutet und was sie weiter in dieser Hinsicht plant, darüber sprach ich mit Adina und ihren Eltern, Cristina und Klaus Seitz, anlässlich eines Besuchs zu Hause bei der Kronstädter Spitzensportlerin.

Jede Menge Medaillen und Pokale

In Adinas Wohnzimmer bewachen mehrere Hunde eine reiche Medaillensammlung. Von den Wandpostern blicken sie auf über 80 Medaillen (mehr als die Hälfte für erste Plätze), die über ihnen hängen.  Für die Pokale wird oben auf einem Schrank der Platz schon zu eng; Plaketten fehlen auch nicht. Da könnte selbst Christina Aguilera neidisch werden, wenn sie wüsste, dass ihr Poster von diesen Trophäen in den Schatten gestellt wird.

Die neusten „Anschaffungen“ sind zwei Bronzemedaillen und eine Goldmedaille – alle errungen von Adina, Mitte Oktober des Vorjahres in Bollate bei Mailand bei der 20. SKDUN-Karate-WM. SKDUN steht für Shotokan Karate Do of United Nations – einer der wichtigen internationalen Karate-Weltverbände, in dem Rumänien besonders gut vertreten ist. Adina Seitz konkurrierte im Kumite-Cadets-Wettbewerb (das heißt in der Alterskategorie 14-15 Jahre) im Einzel- und im Teamwettkampf. Eine Bronzemedaille erhielt sie im Einzelwettkampf, während sie die andere Bronzemedaille als Mitglied im Frauenteam erhielt. Zur Goldmedaille hat sie entscheidend mit zwei Siegen fürs rumänischen Mixed Cadet Team (bestehend aus drei Jungen und zwei Mädchen) beigetragen. Bei der WM nahmen rund 1200 Sportlerinnen und Sportler aus 34 Ländern der Welt teil.

Für all jene , die mit der Karate-Welt nicht so vertraut sind, ist es sinnvoll, kurz einige Grundbegriffe dieser Sportart zu erklären. Karate bedeutet eigentlich „leere Hände“, ist also ein Kampf ohne Waffen. Bei Kumite tritt man gegen einen Gegner an, wobei bei Angriff und Abwehr die Schläge und Tritte den Gegner nicht voll treffen, sondern abgeblockt werden, also eventuell den Kontrahenten nur leicht berühren. Kata kann man mit „Form“ übersetzen, also ein stilisierter Kampf  gegen einen oder mehrere imaginäre Gegner, wo genau einstudierte Kampfsequenzen vorgeführt werden, deren Technik, Schnelligkeit und Genauigkeit von den Kampfrichtern bewertet werden.
Adina hat sowohl in Kata als auch in Kumite zahleiche Siege und Podiumsplatzierungen errungen.

Die wichtigsten, neben den in Italien im Herbst gewonnenen Medaillen, wären: Europameister 2011, Kata; Vize-Europameister, Kumite (Ungarn), Europameister 2012, Kumite (Rumänien); dritter Platz beim World-Cup 2011, Kumite (Deutschland). Hinzu kommen zahlreiche in Rumänien gewonnene Wettkämpfe, einschließlich im Vorjahr der Meistertitel (Kata) und der Vizemeistertitel (Kumite).

Begonnen hat dieser steile Weg nach oben im Jahre 2008. Aber erst nach einem Umweg ... über  Schach und Tanzsport. Die Eltern wollten ihre Tochter für Sport und Bewegung interessieren, zumal Vater Klaus, als Stammspieler des Kronstädter Fußball-Zweitligisten „Metrom“, in dessen besten Zeiten, eine schöne Sportlerlaufbahn vorweisen kann. Beim Schach interessierte sich die kleine Adina eher für Süßigkeiten oder Spielsachen als Belohnung für ihren Fleiß, nicht aber für das Auswendiglernen von Spielzügen und -plänen. Beim Tanzsport herrschte gerade wieder einmal Jungenmangel und so wurde der Weg zu Karate frei, nachdem sie darauf von anderen Kindern neugierig gemacht wurde.

Training ist nicht alles

„An Karate gefällt mir alles. Es ist eine komplexe Sportart. Sie fordert von einem Konzentration, Schnelligkeit, Technik, Körperbeherrschung, sicher auch Ausdauer und etwas Kraft.“

Als Zehnjährige begann Adina mit dem Training beim Kronstädter Verein „JKA România“ – ein Privatverein, der seine Trainingseinheiten in den Turnsälen mehrerer Kronstädter Allgemeinschulen und sogar in einem Privatkindergarten abhält. Ihr heutiger Trainer ist Sensei (Lehrer, Meister) Dragoş Chiru. Er trägt den schwarzen Gürtel. Drei Dan sind seine Meistergrade. Adina ist in dieser Hierarchie, die mit dem weißen Gürtel der Anfänger beginnt, über mehrere Prüfungen heute beim braunen Gürtel angekommen und zählt nun zur höheren Klasse der Karateka.

Bei Weltmeisterschaften beteiligen sich nämlich nur jene Sportler, die mindestens den braunen Gürtel besitzen, während alle anderen im World-Cup antreten. Die Frage nach dem schwarzen Gürtel blockt Adina elegant ab: „Der schwarze Gürtel ist nicht unbedingt mein Ziel“. Wichtiger sei, möglichst viele Kenntnisse zu sammeln und sich ständig zu verbessern.

Das hat mit Bescheidenheit zu tun, wie auch mit einer realistischen Einschätzung der eigenen Kräfte. „Besser stufenweise zu neuen Erfolgen, als mal oben, mal unten sein.“ Die Kronstädter Karate-Sportlerin weiß auch, dass es, wie in allen Sportarten, in der Regel schwieriger ist, ein gewisses höheres Niveau beizubehalten als dieses zu erreichen. „Ich versuche, nach den jüngsten Erfolgen einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich muss weiterhin hart trainieren. Wer doppelt soviel wie ich arbeitet, kann mich einholen und auch überholen. Dann ist mein Fall umso tiefer und schmerzhafter“.

Adina weiß, dass neben Begabung und Training auch etwas Glück dabei sein sollte. Sie hat Vertrauen in ihre eigene Kräfte, was aber nicht heißt, dass nicht vor jedem Kampf, egal ob auf lokaler oder internationaler Ebene, auch die Aufregung da ist. Nicht immer sind die Kampfrichter perfekt; es gibt auch für sie gute und weniger gute Tage. Adina denkt nicht Tage voraus an einen bestimmten Kampf oder an eine gewisse Gegnerin, sondern konzentriert sich vor dem Kampf und stellt sich auf die konkreten Gegebenheiten ein. Ohne Niederlagen geht es dennoch nicht. „Dann analysiere ich meine Fehler und denke nach: Wo war mir meine Gegnerin überlegen?“

Furcht vor ungewollten Schlägen und Hieben – die zu Verwarnungen und sogar Disqualifizierung führen – hat sie nicht, obwohl auch mal ein blaues Auge oder kleinere Blessuren in Kauf genommen werden müssen. Nicht zu vergessen: Es handelt sich in dieser Variante nicht um einen Vollkontakt-Kampf, sondern um einen Kampfsport, bei dem man ständig die eigene Aggression unter Kontrolle hat, bei dem man seinen Gegner respektiert und wo man von Siegen und nicht von Schlagen spricht.

All das wird bereits bei der einleitenden Begrüßung zu jeder Trainingseinheit in Erinnerung gebracht: Aufstellung vor dem Sensei, gerade Haltung, geschlossene Beine und am Körper entlang gestreckte Hände, dann eine gegenseitige Neigung des Oberkörpers gefolgt vom Grußwort „Oss!“. Karate in seiner sportlichen Richtung erinnert noch an Kampfkunst, aber auch an eine Einstellung mit gewissen Regeln. Da kommen innere Ruhe, Gelassenheit, Sicherheit und geregelte Atmung neben Kampfgeist und Entschlusskraft zur Geltung.

Die Schule hat Vorrang

Adina Seitz ist Schülerin in der VIII.-B-Klasse des Honteruslyzeums. Trotz intensiven Trainings und gelegentlicher Reisen im In- oder Ausland sind ihre Schulzeugnisse bisher hervorragend. Nicht nur die Familie unterstützt sie, sondern auch Klassenlehrer Helmut Fugaru, ihre Klasse und die Schulleitung stehen hinter ihr und erkennen ihre sportlichen Erfolge an. Das heißt nicht, dass die bevorstehende Prüfung am Ende des Schuljahres zur Formalität wird.

Im Gegenteil – Adina reduzierte ab September bis Juli die Anzahl ihrer Trainigseinheiten auf zwei in der Woche. Bis dann verzichtete sie auch auf die freiwillige Tätigkeit als Übungsleiterin einer Anfängergruppe. Das hatte sie bisher mit viel Engagement betrieben. Nicht nur kleinen Kindern ab 5 Jahren, sondern auch Jugendlichen und jungen Erwachsenen brachte sie auf der Tatami Karate-Kenntnisse bei. Sie habe dabei selber viel dazugelernt, denn Vorzeigen und Verbessern sei eine gute Gelegenheit zur Selbstbeobachtung.

Sicher, mit den Kleinen müsse man auf deren Niveau sprechen und arbeiten – sie haben eben eher den Hang zum Spiel. Und ihnen will sie auch beibringen, was sie als Grundregel vom Sensei hörte – Karate wird ausschließlich im Saal praktiziert. Angeben und an Fremden das Gelernte ausprobieren – das gilt nicht. Mit einer von niemandem gewünschten Ausnahme: Man gerät selber ungewollt in unmittelbare Gefahr und muss zur Selbstverteidigung schreiten. Die Selbstverteidigung ist mitunter neben der sportlichen Betätigung auch ein Grund, dass Karate mehr Anhänger hat, dass die Kurse gut besucht sind, selbst wenn dafür etwas bezahlt werden muss.

Nicht unwichtig sind dabei auch internationale Erfolge, wie Adina sie vorweisen kann. Sie wurde deshalb auch zur Sportlerin des Vorjahres in ihrem Verein gekürt und gilt als Vorbild für viele  Karate-Praktikanten –eine Rolle, die mit höheren Erwartungen und einem gewissen Druck verbunden ist. Dessen ist sich auch Adina bewusst. Sie hat diese Herausforderung jedoch angenommen und will – in Absprache mit ihrem Trainer – weiterhin sowohl Kata als auch Kumite trainieren, obwohl das unter Aufrechterhaltung der gewohnten Erfolgsquoten nicht mehr so leicht sein wird.

Karate, eine Sportart die leider keinen Olympia-Status hat, könnte Adina weiterhin verhelfen, nähere oder fernere Reisen zu unternehmen. Das macht ihr Spaß, auch wenn die Reisen vielleicht irgendwann nicht mehr mit Karate in Verbindung stehen werden. Bis dann können aber noch gute Jahre vergehen – gute, auch im sportlichen Sinn.