Steckenpferde und Rentenversicherung

Ich gehöre nicht mehr wirklich zu der Generation, die auf Steckenpferden durch die Gegend gelaufen ist, obwohl früher manchmal doch so mancher Besenstiel für Winnetous „Iltschi“ oder Old Shatterhands „Hatatitla“ herhalten musste. Vor Kurzem, während einer in den sozialen Medien verbrachten freien Minute, erfuhr ich, dass in Deutschland die erste Meisterschaft in Hobby Horsing abgehalten wurde. Dem musste nachgegangen werden. Schnell erfuhr ich: Hobby Horsing ist eine Sportart (sic!) bei der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Steckenpferden „reiten“, die aus einem Pferdekopf aus Plüsch oder Holz, manchmal einem Griff und immer einer Stange bestehen. Dabei treten die Reiterinnen und Reiter in verschiedenen Disziplinen an, wie zum Beispiel Dressur, Springen oder Freestyle-Choreografien. Bei der aus Finnland stammenden Sportart gibt es Wettbewerbe und Meisterschaften. Durch Hobby Horsing können Menschen ihrer Kreativität freien Lauf lassen und ihre eigenen Choreografien, Kostüme und Musikstücke kreieren; diese individuelle Gestaltungsmöglichkeit und die Möglichkeit, das Hobby Horsing als Ausdrucksmittel zu nutzen, ist ein besonderer Aspekt dieser Sportart, heißt es weiter. Hobby Horsing ist besonders bei jüngeren Menschen und vor allem bei Mädchen und jungen Frauen sehr beliebt.

Gleich drängte sich mir die in den Reihen meiner Generation gewöhnlich mit einem Schmunzeln gestellte Frage auf: „Die sollen dann unsere Renten bezahlen?“ Und so ist man schon bei einem der heißesten zeitgenössischen Eisen in Rumänien gelandet. Natürlich kann man jetzt das schwere Geschütz auffahren und vom Generationenvertrag sprechen oder von demografischer Entwicklung und geburtenfördernden Maßnahmen.

Geht man aber etwas differenzierter darauf ein, sind Gründe und Gegebenheiten klar, wobei jedoch die Perspektiven eher von Nebelschwaden verhüllt bleiben. Die Gründe: In Folge von Ceau{escus berühmten Juli-Thesen 1971 kam es in Rumänien zu einem demografischen Boom. Es geht um die Generation der sogenannten „decre]ei“ (Dekretchen). Die Abgrenzung dieser Generation ist noch umstritten. Meint man nur die Kinder, die in den ersten Jahren nach den Thesen geboren wurden – oder alle Kinder, die bis 1989 geboren wurden, da die besagte Gesetzgebung bis dahin noch in Kraft war? Nun die Gegebenheiten: in ein paar Jahren werden die ersten „decre]ei“ das Rentenalter erreichen und ihr Anspruch auf Rente ist laut Generationenvertrag mehr als gerechtfertigt. Laut dem Nationalen Statistikinstitut beträgt im Jahr 2024 das Verhältnis Rentner zu Angestellten acht zu zehn. Dabei steht das staatliche Rentensystem schon kurz von dem Zusammenbruch, wenn man pessimistisch-realistischen Analysen und nicht den Politikern, die im Wahlmodus agieren, traut. Man kann sich die Folgen ausmalen, wenn sich in ein paar Jahren nicht nur das Verhältnis umkehrt, sondern sich die Differenz Rentner zu Angestellten verdoppelt.
Die Perspektiven: Dass die Renten ausgezahlt werden, koste es was es wolle, ist in Rumänien eine Gegebenheit. Die Rentner stellen eine zu wichtige Wählerschaft dar, als dass man sie „verärgern“ würde. Wobei ein Teil der finanziellen Herausforderung von der privaten Pflichtrentenversicherung abgefangen werden wird. Doch eine weitere Herausforderung steht vor der Türe, über die niemand spricht: Mit der steigenden Lebenserwartung werden viel mehr Menschen das jetzt schon überforderte Gesundheitswesen in Anspruch nehmen. In ihrer angeborenen Kurzsichtigkeit haben das Rumäniens Machthaber gar nicht auf dem Radar, dabei handelt es sich um ein Problem, welches nicht nur mit Geld, wie im Falle der Renten, zu lösen ist. Will also meine Generation und die folgenden länger leben, werden wir den Krankenhäusern so lange wie nur möglich fern bleiben müssen. Mein Ratschlag: Besenstiel zwischen die Beine klemmen und Dressur, Springen und Freestyle-Choreografien üben. Denn bis dann ist Hobby Horsing wahrscheinlich Olympia-Disziplin (Break-Dance ist es ja schon) und wenn man richtig gut dabei ist, könnte man den einen oder anderen Wettbewerb gewinnen, wenn nicht sogar Olympiameister(in) werden – und dann hat man auch gleich das Problem der eigenen Rente gelöst.