Steiniger Weg zur Restaurierung der Kirche in Alzen

Zwischenstand zu einer fast unendlichen Geschichte…

Innenansicht der Kirche in Alzen, März 2021, Fotos: Martin Rill

Innenansicht der Kirche in Alzen, Mai 2024 Fotos: Martin Rill

Am 4. November 2020 ist das Gewölbe der evangelischen Kirche in der Kirchenburg von Alzen/Al]âna zu 80 Prozent eingestürzt. Es hat die kostbare Johannes-Hahn-Orgel aus dem Jahr 1780 stark beschädigt und das Gestühl unter einem tonnenschweren Schuttberg begraben. Groß war anfangs die Aufregung, Fernsehteams filmten vor Ort; eine beispiellose Spendenaktion in Siebenbürgen und vor allem in Deutschland brachte eine sechsstellige Summe in Euro ein. Trotzdem geschah bis heute – nichts! Auch nicht, nachdem am 4. November 2023, auf den Schlag drei Jahre später, der Rest des Gewölbes zusammenkrachte. 

18. Juni 2024. Ich sitze mit Martin Rill auf der Rückbank des Autos, das ihn durch Bukarest zum Denkmalschutzamt und später zum Kulturministerium fährt. Er soll mit eigenen Worten erzählen, was passierte, warum so lange nichts passierte, obwohl es an engagierten Menschen, an freiwilligen Helfern und auch an gutwilligen rumänischen Behörden nicht gemangelt hat. Im vergangenen Sommer war der denkmalschutzerfahrene Historiker vom Leiter der HOG Alzen, Hans Martin Tekeser, verzweifelt angesprochen worden, ob er nicht vielleicht helfen könne. Seither sind wieder zehn Monate verstrichen und die havarierte Kirche verfällt weiter. Letzter Stand: Das Projekt zur Genehmigung der Restauration, das derzeit 422 Seiten Papier umfasst und rund 60.000 Euro gekostet hat, wurde abgelehnt. Soll man jetzt lachen oder weinen? Doch Rill will sich nicht kleinkriegen lassen. Es gebe Zeichen, dass es doch noch genehmigt werde, sagt er vor seinen Gesprächsterminen. Und: Niemand habe den Siebenbürgern Prügel zwischen die Beine geworfen, auch nicht das rumänische Denkmalschutzamt, die Beziehungen seien eigentlich sogar ausgezeichnet. Es ist bloß... mal wieder so eine typisch rumänische Geschichte. Die man im O-Ton wiedergeben muss, sonst glaubt es keiner! Hier unser Gespräch.

Herr Rill, was haben Sie mit der Restaurierung der Alzener Kirche zu tun, wie sind Sie dazu gekommen?

Im letzten Sommer, bei unserer 700-Jahrfeier in Kleinscheuern, wurde ich vom Vorsitzenden der HOG Alzen, Hans Martin Tekeser, angesprochen, ob ich ihm nicht weiterhelfen könne, sie kommen mit dem Restaurierungsprojekt nicht voran – und das schon seit fast vier Jahren. Nach einer kurzen Bedenkzeit, denn ich habe noch andere Projekte laufen, habe ich zugesagt.

Ist die Kirche denn noch in Gebrauch?

Ja, sie war in Gebrauch, nicht in der kalten Jahreszeit, aber im Sommer. Es gibt eine kleine Gemeinschaft von 84 Gläubigen im Dorf und viele sogenannte Sommer-sachsen, denn in Alzen wurden nicht alle Häuser verkauft. 

Die Kuratorin, Rosemarie Müller, hat mir ein wenig Überblick über die Sachlage verschafft. Inzwischen hatten sie über den Abgeordneten der deutschen Minderheit, Ovidiu Gan], Mittel für die Beseitigung der Schäden bei der rumänischen „Compania Na]ional² de Investi]ii“ (CNI) angefordert. Die CNI hat prinzipiell zugesagt, aber verschiedene Unterlagen verlangt. Wer sollte die zusammenstellen? Ein junger Architekt aus Kronstadt, Peter Mrass, hat sich schließlich dazu bereit erklärt und mit der Bauaufnahme begonnen. Er hat als erstes verschiedene Unklarheiten mit dem Grundbuch festgestellt.

Was war unklar?

Die Kirche stand auf dem Friedhof. Und sie war nur als Gotteshaus eingetragen, ohne die Wehranlagen, noch dazu unter falschem Namen, als „biserica protestanta“, nicht „biserica evanghelica“. Die Wehranlagen, die es seit dem 15. Jahrhundert gibt, sind beim Transfer vom alten ins neue Grundbuch 1949 offenbar vergessen worden. Es hat zwei Monate gekostet, bis das geändert war.

Wie ging es weiter?

Es gibt diese Anforderungsliste vom Denkmalamt, was man braucht, damit man die Genehmigung zur Restaurierung beantragen kann: eine historische Studie, eine Schadenserfassung am Denkmal, ein biologisches Gutachten zu Befall von Wänden mit Schimmel oder Feuchtigkeit, ein geologisches Gutachten. Es mussten archäologische Arbeiten durchgeführt werden, so schreibt es das rumänische Denkmalschutzgesetz vor, bevor man eine Arbeit beginnt, es geht um die archäologische Freigabe. Wir haben eine komplette Foto-Dokumentation und eine Statik-Analyse erstellt. Wir haben all diese Büros ausfindig gemacht, die solche Vorhaben durchführen können und dürfen und haben ein Dossier von 422 Seiten zusammengetragen. Den Ordner haben wir beim lokalen Kulturamt in Hermannstadt eingereicht und sind dann damit nach Bukarest. Dort gab es ein negatives Urteil... Für all diese Unterlagen haben wir rund 60.000 Euro ausgegeben – und jetzt der negative Bescheid! 

Es gibt aber Signale dafür, dass das jetzt den normalen Weg gehen soll. Nur sind wir in der Mitte des Jahres und die CNI hat ihre Mittel schon verplant, dann kommt der Winter, und die Kirche wird auch nicht besser... 

Was wurde denn konkret beanstandet?

Angeblich hätten wir die Unterlagen nicht komplett eingereicht. Die Kommission hat aber nicht einmal den ganzen Ordner durchgesehen. Diese Besprechungen finden außerdem online statt und wenn Pläne von einem Quadratmeter Fläche auf Bildschirmgröße runterbeamt werden, ist nichts mehr zu erkennen. So wurde nicht bemerkt, dass inzwischen das ganze Gewölbe eingestürzt ist. Und im Gutachten der Technischen Kommission des Ministeriums stand, dass die Kirche in sehr schlechtem Zustand sei. Das historische Gutachten wurde gar nicht gelesen. 

Dann entsprach der Fachmann des Landeskonsistoriums, Architekt Emil Cri{an, nicht den Anforderungen, man bräuchte einen Spezialisten, der aber sitzt in Târgu Mure{. Und für andere Gewerke, Brandschutz, Elektrik oder Abwasser, sitzt der Spezialist in Târgu Jiu. Das halbe Land ist gerade damit beschäftigt, diese Unterlagen zu vervollständigen, damit wir diese zur nächsten Kommission wieder einreichen können. 

Gab es wenigstens Notrettungsmaßnahmen?

Es gab keine Notmaßnahmen an der Kirche – die sind auch nicht mehr nötig, das Gewölbe ist ja jetzt komplett eingestürzt. 

Aber worum wir uns gekümmert haben, ist die Rettung des Kulturerbes, das vom Einsturz beeinträchtigt wurde. Zum Beispiel die Hahn-Orgel, für deren Restaurierung wir über den Orgelausschuss beim Landeskonsistorium bei der Orgelbauwerkstatt in Honigberg ein Angebot eingefordert haben, das in beträchtlicher Höhe ausfiel (Anm. Red.: Auf Nachfrage bei der Orgelbauwerkstatt erklärt sich die Preisdifferenz durch Unterschiede in den vorgeschlagenen Restaurationsmaßnahmen, worauf hier nicht näher eingegangen werden soll). Weil wir laut Gesetz ohnehin drei Angebote einholen müssen und es in Rumänien keine andere Orgelbauwerkstätte gibt, haben wir dann in Deutschland erfahrene Fachfirmen ausfindig gemacht und einen Orgelbauer in den Flieger gesetzt. Nach der Besichtigung vor Ort hat uns die Werkstatt ein Angebot zum viel günstigeren Preis unterbreitet. Mit Genehmigung des Denkmalamtes und des Landeskonsistoriums wurden dann die Teile der Orgel, die noch erhalten sind, nach Deutschland gebracht und die Restauration hat schon begonnen.

Das Gestühl aber wurde vom Einsturz im Kirchenschiff durch Tonnen von Schutt komplett zerstört. Der wurde zwar entfernt, von extra angereisten Freiwilligen der HOG Alzen aus Deutschland, natürlich wieder mit Genehmigungen, vom Kreisrat, Baugenehmigung... Aber mit der Restaurierung des Gestühls und anderer Gegenstände können wir nicht beginnen, bevor das Gesamtprojekt losgeht.

Knirscht das denn bei den rumänischen Behörden, wenn Leute aus Deutschland kommen und anpacken wollen? Oder gibt es seitens der Siebenbürger Sachsen aus Deutschland Versuche, die Behörden zu umgehen?

Nein, im Gegenteil, wir haben eine gute Unterstützung durch das Denkmalamt. Eigentlich nur gute Unterstützungen, die ganze Zeit!

Es gibt auch immer den Gedanken, die noch in Alzen lebenden Leute mit einzubeziehen. Aber auch Rumänen aus dem Ort boten ihre Hilfe an. Etwa, nachdem das Restgewölbe eingestürzt war und nochmal Zerstörungen angerichtet hat.

Wird das Gewölbe originalgetreu wieder aufgebaut?

Nein, es wird anstelle des Gewölbes eine neue flache Kassettendecke aus Holz eingebaut. Die HOG hat eine Schreinerwerkstatt in Deutschland ausfindig gemacht, die nach Plänen des Architekturbüros Mrass ein Angebot eingereicht hat. Die Elemente werden in Deutschland vorgefertigt und dann innerhalb von zwei Wochen vor Ort montiert.

Welche Pläne gibt es für die weitere Nutzung der Kirchenburg?

Die Kirchenburg wird Teil eines touristischen Programms für das Harbachtal, das derzeit in Entwicklung ist. Im Burghüterhaus soll ein Infozentrum mit Cafe eingerichtet werden. Das Projekt entwickelt eine Fachfirma aus Bukarest.

Derzeit wird die Kirche an das Abwassersystem des Dorfes angeschlossen. In dem Zusammenhang muss man den Bürgermeister von Alzen, Adrian Antal - jetzt gewählt, damals Stellvertreter - sehr loben. Für unser Projekt hat die Gemeinde auf Zuruf von heute auf morgen Unterlagen bereitgestellt, das ganze Team hat auf unsere Anfragen problemlos reagiert. Und Leute gestellt, wir brauchten Strom, Schubkarren… es war eine super Zusammenarbeit.

Welche Probleme sind noch ungelöst?

Wir wissen nicht, ob die Finanzmittel des CNI für dieses Jahr schon ausgeschöpft sind. Wir hoffen, dass es noch Mittel gibt, wenn die technischen Gutachten da sind und wir im Herbst loslegen können.

Wie klappt die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und der HOG in Deutschland mit der EKR in Rumänien?

Von Seiten der Evangelischen Kirche haben wir eine gute Unterstützung durch Karl Hann aus Kerz, Mitglied des Bezirkskonsistoriums, und von Hauptanwalt Friedrich Gunesch mit seiner Finanzabteilung, denn die ganzen Bestellungen müssen ja intern abgewickelt werden. 

Später schreibt Martin Rill aus Deutschland:

Leider waren wir mit der Zusammenstellung der Unterlagen zu spät. Die Finanzmittel beim CNI hätten Anfang des Jahres beantragt werden müssen. Doch es besteht eine nächste Chance, auch staatliche Mittel zu erhalten. Das Nationale Denkmalamt (Institutul National al Patrimoniului) und das Kulturministerium Rumäniens bemühen sich um einen Plan B. Dafür werden zurzeit Bemühungen unternommen, um die Förderung zu beantragen. Wir hoffen, dass wir diesmal Erfolg haben und die Restaurierungsmaßnahmen spätestens nächstes Jahr beginnen können. 

Die ADZ wird weiter berichten.