Über Präsidenten

Foto: sxc.hu

1953, als Generalissimus Stalin, der Machthaber der Sowjetunion, verstarb, wurden in ganz Rumänien Trauerveranstaltungen verordnet. Alle Werktätigen hatten sich auf dem Zentralplatz ihres Wohnortes schmerzerfüllt einzufinden und ihr Leid durch zahlreich vergossene Tränen kundzutun.
Die Werktätigen wollten jedoch nicht weinen, sie schauten bloß betrübt drein, aber das hatten sie auch vorher schon getan, dank des toten Diktators. Bloß die von der kommunistischen Partei verordneten Claqueure schluchzten allesamt auf Kommando und skandierten den Namen des Toten im Chor. Und ich, das muss ich jetzt leider zugeben, habe mich diesem Chor angeschlossen und aus Leibeskräften mitgerufen: Sta-lin! Sta-lin! Aber das tat ich nicht etwa, um mein Leid auszudrücken, sondern aus purer Freude über das dargebotene Spektakel.

Ich war damals drei Jahre alt, saß auf den Schultern meines Vaters, der mich gar nicht mehr beruhigen konnte, und sich bei jedem meiner Freudenschreie verängstigt umsah. So hat meine Karriere als Dissident begonnen.
Aber Spaß beiseite, der Tod ist eine tragische Angelegenheit, es sei denn, man freut sich, dass einen plötzlich ein schlimmer Diktator verlassen hat. Ein Schelm, wer jetzt an Kim Jong-il denkt, bei dem man eher um den künftigen Frieden besorgt war.

Aber zurück nach Osteuropa: 1965, als ich in der achten Klasse war, kam eines Tages der Schulleiter in den Klassenraum und sagte: „Kinder, gestern Abend ist Genosse Gheorghe Gheorghiu-Dej, der rumänische Staatspräsident, von uns gegangen. Heute fällt der Unterricht aus.“ Und so brach ich abermals in Freudengeschrei aus, zusammen mit meinen Mitschülern, denn an diesem Tag standen uns zwei schwierige Klassenarbeiten bevor. Und so wurden wir alle zu Dissidenten, für eine halbe Minute lang, die uns allerdings ganze drei Stunden Nachsitzen kostete.
Gheorghiu-Dej wurde nach seinem Tod von Nicolae Ceauşescu abgelöst, der sich in den folgenden Jahren zu einem durchgeknallten Diktator entwickelte. Er schaltete und waltete nach Herzenslust und machte das Land zu einem Riesengefängnis. Und das Schlimmste dabei war, dass er sich bis auf seine fortgeschrittene Paranoia bester Gesundheit erfreute.

Mit anderen Worten, es gab keinerlei Aussicht auf einen Machtwechsel. Denn das haben Diktatoren so an sich: Sie weigern sich systematisch, die Macht abzugeben, es sei denn, sie geben den Löffel ab.
Im heutigen Osteuropa sieht es ganz anders aus, Rumänien, zum Beispiel, ist heute eine Demokratie, und der Präsident Băsescu wird von der Bevölkerung heiß geliebt, laut eigener Aussage. Meine rumänischen Freunde erzählen zwar eher das Gegenteil, aber so ist das eben mit den Präsidenten: Man muss sie nicht lieben, sondern respektieren, schade nur, dass auch das in Rumänien nicht der Fall ist.

In Weißrussland oder Russland hingegen respektiert man die Präsidenten, und wählt sie daher immer wieder ins Amt, mit einer überwältigenden Mehrheit. Vergessen wir jetzt mal die Massenproteste wegen Wahlfälschung. Die sind nicht echt! Wer es nicht glaubt, der soll Lukaschenko oder Putin fragen. Putin ist zwar kein Präsident mehr, aber er wird es bald wieder werden, wetten?
Und was ist mit Deutschland? Da sieht es ganz anders aus, da gibt es einen Bundespräsidenten, der moralisch intakt ist und sauber wie der frisch gefallene Schnee in den Alpen. Wer es nicht glaubt, der soll Christian Wulff fragen. Oder nein, pardon, er erteilt im Augenblick keinerlei Auskunft.