Überraschende Einblicke hinter die Kulissen der rumänischen Monarchie

Neue Forschungen beleuchten die Geschichte des Königshauses und akzentuieren dessen historische Rolle und Leistungen

Edda Binder-Iijima, Heinz-Dietrich Löwe, Gerald Volkmer (Hrsg.): „Die Hohenzollern in Rumänien 1866-1947. Eine monarchische Herrschaftsordnung im europäischen Kontext“; Böhlau-Verlag, Köln/Weimar/Wien 2010, 200 S., ISBN 978-3-412-20540-9 (=Studia Transylvanica Bd. 41), 29,80 Euro

Die Epoche der rumänischen Monarchie zwischen 1866 und 1947 zählt zu den historisch spannendsten und in ihren politischen Auswirkungen folgenreichsten Epochen der Geschichte des Landes. Ein gänzlich ideologisierter Forschungsbetrieb verhindert bis heute eine ernsthafte Beschäftigung mit der Rolle der Hohenzollern in und für Rumänien.

Immerhin erlangte das Land die große vaterländische Einigung 1918 und seine größte Ausdehnung in der Zeit und unter politischer Mitwirkung der Hohenzollern-Könige.  Noch heute zitieren allerdings vor allem ältere Zeitgenossen die kommunistische Propaganda, wonach der zur Abdankung gezwungene König Mihai 1947 mit Eisenbahnwaggons voll Gold und Schätzen das Land verlassen habe. Aktuelle Forschungsansätze beleuchten Licht und Schatten der rumänischen Monarchie mit überraschenden Ergebnissen.

Nach der Emanzipation Rumäniens vom Osmanischen Reich wurde die importierte Monarchie für manche Eliten auch zum Symbol für die gewünschte Ablösung östlich-orientalischer Kultur- und Politikbindung und die erhoffte Europäisierung westlicher Signatur. Der vorliegende Band setzt hier an und bietet eine genauso umfassende wie spannende Analyse dieser Zeitspanne. Dabei werden die rumänische Monarchie und ihre Akteure in ihrem Wesen und Wirken äußerst differenziert dargestellt und dabei Leistungen wie Scheitern gleichermaßen systematisch wie konzentriert beleuchtet.

Die zwölf Aufsätze internationaler Autoren beleuchten auch die Geschichte der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien wie auch die Frage, welche Rolle das Königshaus bei der „Europäisierung“ des jungen Staates im Sinne einer Verwestlichung gespielt hat. Was das Buch besonders wertvoll macht, ist der Umstand, dass die Beiträge diese „vier Könige mit sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten und Herrschaftsstilen“ (S. 4) in ihrer jeweiligen Eigenart und Wirkung würdigen.

Nach Lothar Maier sah sich Carol I. „auch als Träger einer zivilisatorischen Mission. Rumänien sollte preußisch-deutschen Leitbildern folgend in Europa ankommen.“ (S. 91) Entsprechend bitter war „der Zusammenstoß der Bukarester Realität mit den architektonischen, politischen und mentalen Vorstellungswelten des Fürsten“, wie Edda Binder-Iijima in ihrem ausgezeichneten Aufsatz „Europäische Integration durch Hofkultur“ betont (S. 99-121).

Wie ein roter Faden zieht sich der große Unterschied in der Persönlichkeit zwischen dem ersten König Carol I. (1866-1914) und Carol II. (1830-1840) durch die meisten Beiträge. In der Einleitung heißt es, „dass Carol I. durch Persönlichkeit und Herrschaftsstil Rumänien zu Größe und Ansehen führte, während Carol II. dieses monarchische Kapital durch seine skandalöse Lebensführung und persönlich motivierte politische Großspurigkeit beziehungsweise Widersprüchlichkeit verspielte“ (S. 7).

Ferdinand und Mihai wiederum können am meisten als „nationale Könige“ gelten, da sie „am stärksten mit den Interessen des Landes identifiziert wurden und jeder auf seine Art das Schicksal Rumäniens verkörperte.“ Dass Rumänien in seiner politischen Entwicklung immer zwischen Ost und West steht, wird in den meisten Beiträgen unterstrichen. Keith Hitchins hält dazu treffend fest: „Romania as a place of accomodation between East and West, as an experiment and, thus, as a project never finished, but always in the process of becoming” (S. 11). Für ihn war das Rumänien der Hohenzollern „a remarkable era” (S. 19). 

Auch die Rolle des Königshauses in der Zeit des Faschismus und bei der kommunistischen Machtergreifung wird beleuchtet. Hier wird vor allem König Mihai zu Recht sehr positiv wahrgenommen. „Sicher ist, dass sich das Königshaus, vertreten durch Mihai und seine Mutter Elena, während des Holocausts, aber auch während der schleichenden Machtübernahme der Kommunisten nach 1944, als integere Institution erwies und schließlich als letzte Institution übrigblieb, die nicht von den Kommunisten vereinnahmt werden konnte“, sodass „Mihai an das Wirken seines Großonkels anknüpfte und der Monarchie die Würde und Integrationskraft wenigstens für kurze Zeit wiedergab, die sein Vater Carol II. verspielt hatte“ (S. 8).
  
In seinem Beitrag über außenpolitische Orientierungsmuster Rumäniens in der Zeit von 1866 bis 1918 macht Mitherausgeber Gerald Volkmer deutlich, dass schon lange vor dem Amtsantritt Carol I. die Eliten der Moldau und der Walachei mit ihren Reformvorstellungen sich nach Westeuropa orientiert hatten und der Westen seinen „Siegeszug als Referenzmacht in der rumänischen Gesellschaft angetreten“ hat (S. 22). Weitere Beiträge behandeln wichtige Fragen, wie das Verhältnis des Königshauses zum Militär als „Herrschafts- und Legitimationsinstrument der Monarchie“, das Verhältnis des Königshauses zur deutschen Minderheit oder das Hofzeremoniell und die Hofkultur.

Besonders beachtenswert ist der Beitrag von Hans-Christian Maner über den umstrittenen König Carol II. („Der Anfang vom Ende der rumänischen Monarchie?“, S. 151-164). Er kommt zu einer überraschend positiven Wertung dieses Monarchen, dessen Einschätzungen zur politischen Lage nachgerade prophetisch wirken. Maner zeigt den Dandy-König als Denker, der auch politische Zusammenhänge treffend analysiert.

Der vorliegende Band stellt eine besondere Leistung dar und liefert zur Erforschung der rumänischen Monarchie einen wichtigen und hervorragenden Beitrag. Leider bleibt eine solche vorurteilsfreie Darstellung der rumänischen Monarchie immer noch der westlichen Forschung vorbehalten. Wer diese Hintergründe kennt und die Ereignisse seit 1989 verfolgt, kann verstehen, warum die kommunistische Nomenklatura über ihre Seilschaften im Iliescu-Rumänien nach der Dezemberrevolution so massiv gegen die Monarchie gekämpft und die Einreise von König Mihai so lange verhindert hat.

Nach über 20 Jahren Demokratie mit unwürdigem Parteiengerangel, Klientelpolitik und permanentem „Kampf der Paläste“ darf schon gefragt werden, warum Rumänien nach der Revolution nicht nach dem Vorbild Spaniens nach der Diktatur die konstitutionelle Monarchie eingeführt hat. Dem Land wären einige Präsidentschaftswahlk(r)ämpfe und manches Staatsoberhaupt erspart geblieben.