Unser tägliches Brot

Die Stiftung Concordia: Bäckerei in Bukarest und Berufsschule in Ploieşti

Andreas Resch arbeitet bei der Stiftung Concordia seit ungefähr sieben Jahren.

Die duale Ausbildung befähigt die Jugendlichen, sowohl praktische als auch theoretische Kompetenzen zu erwerben.

In der Bäckerei werden auch Geburtstagstorten für die Kinder gebacken, die bei Concordia leben.
Fotos:Aida Ivan

„Aktives Fundraising macht man nicht hier, sondern im deutschsprachigen Raum, in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Sachspenden wie Kleidung und Lebensmittel kommen auch aus Rumänien”, erklärt Silvia Scherleitner, Vorstandsmitglied für Finanzen und Administration der Stiftung Concordia, als wir gerade dabei sind, Bukarest zu verlassen. Sie ist unter anderem auch für das Sozialunternehmen „Concordia Bakery” zuständig, das im Rahmen der Organisation funktioniert. Die Geschichte, die sich hinter der schicken, zentral auf der Piaţa Victoriei positionierten „Concordia Bakery” verbirgt, kann man nur durch einen Besuch der Bäckerei erfahren, die die Produkte liefert. Also begeben wir uns nach Ploieşti, zur Kinderstadt Concordia, wo sich der Betrieb befindet.

Die Entwicklung der Stiftung Concordia

Silvia Scherleitner wohnt seit 2001 in Rumänien, sie hat eine Tochter, die sich hier wie zu Hause fühlt, und pendelt ständig zwischen Österreich, Rumänien, Bulgarien und der Republik Moldau. Souverän im Auftreten und Handeln beschreibt sie die Entwicklung der Stiftung aus ökonomischer Perspektive, damit man sich einen Überblick über die international tätige Organisation schaffen kann. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen steht im Vordergrund bei Concordia Rumänien. Hinter „Concordia Bakery” steht die 20 Jahre lange Geschichte der Stiftung mit demselben Namen. Ursprünglich wollte sich Pater Georg Sporschill SJ für sechs Monate in Rumänien aufhalten, um den rumänischen Straßenkindern zu helfen. 1992 ließ er ein Projekt anlaufen, um diese Aktivität fortzusetzen. Zwanzig Jahre später und mit der Unterstützung von anderen tatkräftigen Menschen hat es sich zu einem System herausgebildet, das sich über die Grenzen Rumäniens hinaus entwickelt hat. Alters- und landesspezifische Lösungen werden geboten, sowohl hierzulande, als auch in der Republik Moldau und in Bulgarien. Insgesamt werden in allen drei Ländern etwa 1000 Kinder und 2500 alte Menschen betreut.

In Rumänien wurden mehrere Stationen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus armen Verhältnissen gegründet: das Lazarus-Zentrum in Bukarest (hier aufgenommen werden inzwischen nur noch Erwachsene, weil es in den letzten Jahren nicht mehr so viele Straßenkinder gibt), das Kinderdorf in Ariceştii Rahtivani (Kreis Prahova) und die Kinderstadt in der Nähe von Ploieşti, wo Kinder versorgt und ausgebildet werden. Es gibt noch ein paar Häuser und die Sozialwohnungen sind für diejenigen, die gelernt haben, ein bewusstes, selbstständiges und anständiges Leben zu führen und regelmäßig zur Arbeit zu gehen. In der Republik Moldau gibt es die höchsten Mitarbeiterzahlen. Auch hier gibt es ein Kinderdorf, in dem die Kinder wohnen, die in die öffentliche Schule gehen. Im Nachbarland wurden aber andere Bedürfnisse identifiziert: Hier wurde bemerkt, dass sehr viele alte Leute hilflos nach der Abwanderung ihrer Familienmitglieder zurückgeblieben sind. Aus diesem Grund gibt es ungefähr zehn Sozialzentren, in deren Rahmen rund 2500 alte Menschen unterstützt werden: Einmal pro Tag bekommen sie warmes Essen geliefert.

Die Organisation Concordia ist aber in Rumänien entstanden und hier ist sie am höchsten entwickelt. In einer ihrer Stationen, der COC (Concordia Kinderstadt, rum. Concordia Oraşul Copiilor), gibt es eine Berufsschule, die 2009 gegründet wurde. Da nicht alle, die von Concordia aufgenommen werden, die zwölfte Klasse abschließen, gibt es die Möglichkeit, als Kellner, Koch, Bäcker, Tischler oder landwirtschaftliche Hilfskraft ausgebildet zu werden. Es ist eine relativ kurze, duale Ausbildung nach österreichischem Modell. Die Idee einer Bäckerei bei Concordia wurde erfolgreich in die Tat umgesetzt und wächst seitdem fortwährend, erzählt Andreas Resch. Der Österreicher, der heute Leiter der Bäckerei-Abteilung der Berufsschule ist, ist nach Rumänien gekommen, um seinen Zivilersatzdienst abzuleisten: 2006 arbeitete er als Freiwilliger bei Concordia. Er sollte hier nur ein Jahr verbringen, aber er war ständig motiviert, länger zu bleiben. „Er war der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt”, verdeutlicht Silvia Scherleitner. Die Idee der Bäckerei ist entstanden, als das Backen in einer Backstube nur eine Freizeitbeschäftigung für die Kinder auf der Farm von Ariceşti war. Damals benutzte niemand die kleine Backstube. Mit der Zeit wurde die Bäckerei in einer ehemaligen LPG in der Nähe von Ploieşti zu klein, da hier für den internen Verbrauch, das heißt, für alle Kinder von Concordia Brot gebacken wurde. Also wurde eine Berufsschule gegründet. Die Bäckerei entwickelte sich über die Jahre: Dank Spenden konnte die neue Bäckerei in der Concordia-Kinderstadt errichtet werden. 

„Wir sind immer besser geworden”

Empfangen werden wir in der hochmodernen, professionellen Bäckerei in der COC traditionsgemäß, mit Brot und Salz. Seit 2011 funktioniert der Betrieb rund um die Uhr: Tagsüber arbeiten die Auszubildenden für den internen Verbrauch, nachts die Festangestellten für die Bukarester Concordia Bakery. „Unsere Kinder essen dieses Brot täglich”, erklärt der blauäugige Mann weiter, der dabei mitgeholfen hat, dass die Berufsschule eine „gewisse Dynamik bekommt”, wie Silvia ergänzt. Der Schwerpunkt der Initiative von Concordia ist aber die Ausbildung der Jugendlichen. Besonders hilfreich ist dabei für die Jugendlichen, dass sie ständiges Feedback bekommen. Andreas ist heute für die Bäckerei- und Patisserieschule zuständig und unterrichtet hier. Die 26 Jugendlichen, die diese Ausbildung machen, arbeiten acht Stunden am Tag. Die Berufsschule dauert ein Jahr, bis jetzt gibt es 30 bis 40 Absolventen. Mit den Jugendlichen wird individuell gearbeitet, sie werden mit viel Verständnis behandelt, was in einem anderen Unternehmen so nicht passieren würde. Deshalb gibt es mitunter Schwierigkeiten beim Integrationsprozess der Jugendlichen, erklärt Andreas. Von den fünf Bäckern, die nachts arbeiten, sind drei Absolventen der Concordia-Berufsschule.

Geplant wird eine Kooperation mit dem österreichischen Bildungsministerium, die Organisation soll mehr Unterstützung von Österreich bekommen. Andreas und Silvia erklären, dass es sehr schwierig ist, qualifiziertes Personal für die Berufsschule bei Concordia zu finden. Hier steht das Individuum im Mittelpunkt, deshalb sind sie immer auf der Suche nach Fachleuten, die sowohl Verständnis als auch Autorität, theoretische, praktische und menschliche Kompetenzen aufweisen können. Diese Kombination von Eigenschaften sei in Rumänien schwer zu finden, meinen Silvia und Andreas. Georgeta, eine der Angestellten, hat beispielsweise 30 Jahre Berufserfahrung im Bäckereiwesen, der Umgang mit den Jugendlichen verläuft aber nicht immer glatt. Andrei (16) ist einer dieser Jugendlichen – er ist bei Concordia aufgewachsen, macht jetzt seine Ausbildung und wohnt in der COC. Vor zehn Jahren wurde er von Concordia aufgenommen. Zu der Stiftung ist er durch die Direktion für Kinderschutz gekommen, die entschieden hatte, dass er bei seiner Familie nicht bleiben kann. Ab und zu besucht er seine Familie. Für die Schule zeige er nicht so viel Begeisterung, bei den praktischen Tätigkeiten hingegen habe er sich sehr stark entwickelt, erläutert Andreas, der zugleich auch Herstellungs- und Qualitätsleiter der Bäckerei ist.

Manche Jugendlichen, die bei der Concordia-Berufsschule die Ausbildung machen, waren im Gefängnis oder haben für eine kürzere oder längere Weile auf der Straße gelebt. Nicht jeder, der es will, kann die Ausbildung machen: Jeder muss sich erstens einer medizinischen Untersuchung unterwerfen, bevor er in die Schule kommt. Das erste Kriterium ist die Gesundheit, bei der Auswahl spielt auch das Verhalten eine wesentliche Rolle. An der Berufsschule sollen zukünftig auch Jugendliche und Kinder aus öffentlichen Einrichtungen aufgenommen werden, die aus sozial schwächeren Familien kommen. Diese wollen unbedingt die Berufsschule abschließen und werden dementsprechend einen guten Einfluss auf die anderen ausüben, meint Frau Scherleitner. Auch der Gruppendruck zeige seine Wirkung. „Es ist nicht gut, etwas isoliert auszubauen”, betont sie. Für die Berufsschule werden keine homogenen Gruppen gegründet: Alle Jugendlichen sind im Alter von 16 bis 18 Jahren und haben die Pflichtschule abgeschlossen. Die Schulabgänger werden privat unterrichtet, damit sie die Chance haben, vor einer Kommission diese Prüfung abzulegen.

Dadurch wird auch ein landesweites Problem angepackt, nämlich das des Mangels an Facharbeitern. Um die Situation zu verbessern, haben die AHK (Deutsch-Rumänische Industrie- und Handelskammer) und das rumänische Bildungsministerium die Initiative unterstützt. 90 Lei werden versprochen, wenn die Eltern ihre Kinder zur Berufsschule schicken. Vorteilhaft soll es schon sein: Absolventen dieser Berufsschule sind fachlich besser als andere, sie finden sich alleine beim Backen zurecht. Andererseits gibt es auch einen Nachteil: Trotz der guten Ausbildung sind die Straßenkinder schwer integrierbar, da sie nicht daran gewöhnt sind, Konflikte zu bewältigen. Die größte Leistung der Sozialarbeiter ist es, wenn die Kinder wirklich fähig sind, ein geordnetes Leben zu führen. Etwas zurückhaltend erwähnt Andreas einen Jungen aus Lugosch/Lugoj, der die Berufsschule abgeschlossen hat und jetzt in seine Heimatstadt umgezogen ist. Der Junge hat einen stabilen Arbeitsplatz gefunden und eine Frau geheiratet, die ebenfalls von Concordia betreut wurde. Regelmäßig telefoniert er mit dem Mann, dessen junger Sohn auf den Namen Andreas getauft wurde.

Plunder und Florentiner

Kuchen zu Weihnachten zum Spaß backen, eine Freizeitaktivität, eine Werkstatt, eine Berufsschule, Brot und Patisserieprodukte für alle Kinder der Stiftung, Catering für andere Firmen: Das sind die Schritte, die zur Entstehung der Concordia Bakery in der Iacob-Felix-Straße in Bukarest geführt haben. Jetzt ist Concordia Bakery eines der ersten Sozialunternehmen in Rumänien und das erste seiner Art. Das Vorhaben der Stiftung ist, das Bukarester Café in den Concordia-Kreislauf zu integrieren: Nachdem die Jugendlichen einen Beruf erlernt haben, sollen sie vorübergehend in der Bäckerei oder im Café arbeiten, um ihnen den Übergang von der „geschützten” Concordia-Welt zu einer Firma zu erleichtern.

Das Café wurde im Gebäude Premium Plaza auf 120 Quadratmetern eingerichtet. „Durch die Werbung für Produkte wird auch die Organisation bekannt gemacht. Es ist auch eine Methode, neue Partner für die Organisation zu finden”, erläutert Marius Bataus, Verkaufsleiter von Concordia Bakery. Es war auch wichtig, in Bukarest einen Verkaufspunkt zu eröffnen, da es in der Hauptstadt wesentlich mehr Deutschsprachige gibt als in Ploieşti. In der Concordia Bakery gibt es nur Bio-Produkte: Abgesehen von dem unerlässlichen Brot werden hier unter anderem typisch österreichische Delikatessen angeboten, wie Plunder und Florentiner. Das Rezept von Concordia ist im Grunde genommen ganz einfach, aber langwierig: Man nehme die Kinder von der Straße ...