„Vergangene und kommende Zeiten“

Lesungen aus österreichischen und französischen Referenzwerken mit Martin Ploderer

Martin Ploderer erfreute das Bukarester Publikum mit einem erhebenden Leseabend im Französischen Institut. | Foto: die Verfasserin

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe zum 25-jährigen Bestehen des Österreichischen Kulturforums in Bukarest und zur hundertjährigen Gründungsfeier des Französischen Instituts in Rumänien haben die beiden Institutionen gemeinsam eine gut besuchte Reihe von performativen Lesungen des österreichischen Schauspielers Martin Ploderer aus österreichischen und französischen Referenzwerken unter dem Titel „Vergangene und kommende Zeiten“ organisiert.

 Die Rumänien-Tournee von Martin Ploderer führte zunächst am 26. Februar nach Jassy/Iași, wo das Deutsche Kulturzentrum Gastgeber des Leseabends war, am 28. Februar nach Kronstadt/Brașov ins Apollonia-Kulturzentrum im Beisein der Dramatikerin Elise Wilk, aus deren neuem Stück „Glückliche Menschen“ die Öffentlichkeit in Premiere einen Abschnitt zu hören bekam, der letzte Halt war am 1. März im Französischen Institut in Bukarest. Die Leseabende wurden in deutscher und französischer Sprache mit rumänischer Übersetzung gestaltet. 

Der galante Meister der österreichischen Bühne, Martin Ploderer, führte die Zuhörer mit seiner sicheren Stimme, den Ton mal abschwächend, mal in Tiraden galoppierend, durch aktuelle Texte klassischer wie zeitgenössischer französischer und österreichischer Autorinnen und Autoren. 

Der Leseabend in Bukarest wurde von Loďc Meuley, Direktor des Französischen Instituts, und Leopold Unger, Leiter des Österreichischen Kulturforums, eröffnet. Martin Ploderer begann mit dem Gedicht „Der Albatros“ von Charles Baudelaire, das er zuerst im Original vorlas und nachher in der deutschen Übersetzung des Dichters Stefan George. Der Schauspieler fuhr fort mit Paul Valérys Gedicht „Die junge Parze“ in französischer Originalsprache und in deutscher Übersetzung des Bukowinaer Dichters Paul Celan. Es folgten einige Poeme von Rainer Maria Rilke, die er während seiner Zeit als persönlicher Sekretär des französischen Bildhauers Auguste Rodin sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch verfasst hatte, und Stefan Zweigs beeindruckende Beschreibung von Rilke, den er in Paris getroffen hatte, in einem Abschnitt aus „Paris, die Stadt der ewigen Jugend“. Danach hörte sich das Publikum aus Robert Musils Werk „Der Mann ohne Eigenschaften“ das Kapitel „Kakanien“ an, welches auf die kaiserliche und königliche ( k.u.k.) Gesamtmonarchie Österreich-Ungarns anspielt. Anschließend amüsierten sich die Zuhörer prächtig über die ersten Eindrücke und Begegnungen des Nobelpreisträgers für Literatur, Elias Canetti, mit dem berühmten österreichischen Schriftsteller Karl Kraus, sowie er sie in „Die Fackel im Ohr“ schilderte. Es folgten ein Fragment aus „La mise en mots“ von der französischen Autorin Elsa Triolet und das Poem „Ihr Worte“ der österreichischen Lyrikerin Ingeborg Bachmann. 

Die Überraschungen des Abends waren ein in Premiere gelesener Abschnitt aus dem Theaterstück „Glückliche Menschen“ der international bekannten Dramatikerin aus Kronstadt, Elise Wilk, das erst in der Spielzeit 2025/2026 im Theater Gera Altenburg in Deutschland uraufgeführt werden soll, und ein Fragment aus dem Roman der französischen Dramatikerin und Regisseurin rumänischer Herkunft Alexandra Badea „Tu marches au bord du monde“, der, unter dem Titel „Exil“ dramatisiert, gegenwärtig im Bukarester Nationaltheater gespielt wird. 

Auf Verlangen der begeisterten Zuhörer las der Schauspieler abschließend als Zugabe das erste Kapitel des Buches „La bataille“ (Die Schlacht) von Patrick Ramboud, in dem die Schlacht von Aspern vor Wien 1809 geschildert wird und in diesem Kontext auch Napoleon Bonaparte auftritt.

Diese Tournee markierte auf originelle Weise den Beginn des Monats der Frankophonie in Rumänien, indem sie zum ersten Mal in diesem Land ein Leseformat anbietet, bei dem in deutscher und französischer Sprache verfasste Texte von ein und demselben, perfekt zweisprachigen Schauspieler vorgetragen worden waren. 

„Es ist eine etwas eklektische Reise zwischen zwei Welten, der französischen und der österreichischen, die einander gar nicht so fremd sind, wie man meinen könnte. Mir gefällt die Idee, diese beiden literarischen Welten zusammenzubringen, den roten Faden der Begegnung zwischen zwei Sprachen zu verfolgen, die den europäischen Kontinenten und seine Kultur tiefgreifend beeinflusst haben“, sagte Martin Ploderer. Er ist Schauspieler, Sprecher und Mitglied des Österreichischen Sprecherverbandes, dem die besten Stimmen des Landes angehören. 

2014, dem 100. Gedenkjahr des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, präsentierte er die Gesamtfassung der „Letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus an 16 Abenden im Wiener Pygmalion-Theater. Seither tritt er mit Auszügen daraus im In- und Ausland auf. Beim „Monodramen-Festival“ in Kiew wurde ihm dafür der Publikums-Preis zuerkannt. 2016 erschien die Gesamtaufnahme des Werkes als Hörbuch auf 16 CDs im MONO-Verlag, die auf Platz 1 der Hörbuchbestenliste des Hessischen Rundfunks hr2 gereiht wurde, die bedeutendste Auszeichnung auf dem Gebiet deutschsprachiger Hörbücher. Von September bis November 2017 folgte das nächste Mammut-Projekt mit der Lesung der Gesamtfassung der „Göttlichen Komödie“ Dante Alighieris in der deutschen Übersetzung in Versen von Hans Werner Sokop. Auch dieses Werk gibt es als Hörbuch. 

Ab Ende April 2019 präsentierte Martin Ploderer Goethes „Faust I“ als Gesamtlesung an vier Abenden. Derzeit führt er mit dem Schauspieler Philipp Kaplan Mephisto-Faust-Dialoge im Wiener Pygmalion-Theater auf.

Martin Ploderer tritt mit seinen Lese-Programmen im In- und Ausland sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch muttersprachlich auf. Die Koordination seiner Rumänien-Tournee ist Andrei Popov, stellvertretender Leiter des Österrei-chischen Kulturforums in Bukarest, zu verdanken und Partner der Veranstaltungsreihe waren in Kronstadt das Kulturzentrum Apollonia, das Deutsche Kulturzentrum, die Alliance Française und das Institut für Literatur- und Kulturwissenschaften der Fakultät für Literatur der Universität „Transilvania“, das Deutsche Kulturzentrum in Jassy, die Österreich-Bibliotheken in Jassy und Bukarest und das Kulturhaus „Friedrich Schiller“ in Bukarest.