Vergangenheit und Gegenwart von Budapest werden lebendig

„Kleine Geschichte Budapests“ von Janosz Hauszmann bietet auch konzentrierten Einblick in die Landesgeschichte Ungarns

Budapest war, ist und bleibt immer eine der schönsten, schillerndsten, spannendsten und aufregendsten Städte der Welt. Und eine der europäischen Metropolen, die auch für Siebenbürgen und Rumänien stets von besonderer historischer und politischer Bedeutung war. Ein neues Buch von Janos Hauszmann lässt Vergangenheit und Gegenwart von Budapest lebendig werden und bietet dabei auch einen konzentrierten Überblick über die Landesgeschichte Ungarns. Der mit umfangreichem Karten- und Bildmaterial sehr ansprechend gestaltete Band ist jüngst im Verlag Friedrich Pustet (Regensburg) erschienen.

Der Band ist auf klassische, für einen Überblicksband freilich angemessene Weise nach Epochen gegliedert. So wird das heutige Budapest zunächst in seiner Entwicklung von der Antike über das Früh-, Hoch- und Spätmittelalter bis zur Frühen Neuzeit geschildert. Das Zusammenwachsen von Buda und Pest zu Budapest vom 17. bis 19. Jahrhundert und die besondere Entwicklung im 19. Jahrhundert werden besonders ausführlich geschildert. Die sehr gelungene Darstellung des 20. Jahrhunderts orientiert sich vor allem an historischen Epochen der Geschichte: 1918/1919 – 1945, 1945 – 1989 und 1989/90 – 2012. Die Darstellung endet mit dem zeitgenössischen Budapest unserer Jahre.

Budapest liegt an der „Nahtstelle Mittel- und Südosteuropas“ (S. 9) und war bereits in der Vor- und Frühgeschichte bewohnt, wie archäologische Funde bewiesen haben, und ist heute mit rund 1,7 Millionen Einwohnern (2010) nach Wien und vor Belgrad die zweitgrößte Stadt im Gesamtverlauf der Donau. Budapest entstand bekanntlich durch die Zusammenlegung der drei Orte Ofen (Buda), Altofen (Óbuda) und Pest im Jahre 1873. Dadurch entstand die berühmte Donaumetropole. Die Zahl der Bevölkerung stieg damals von 156.000 (1850) auf 800.000 im Jahre 1910.

Die positive Entwicklung der ungarischen Hauptstadt der „K.u.K.-Doppelmonarchie“ wird vor allem im 19. Jahrhundert deutlich: Rasch werden Untergrundbahn und Straßenbahnen gebaut, eine Nationalbibliothek, ein Nationaltheater und das Palais der Börse errichtet. Die Euphorie des 19. Jahrhunderts kommt zwar durch den Ersten Weltkrieg und den Untergang der Doppelmonarchie vorerst in eine Krise. Doch die Ungarn und die Budapester Bewohner werden spätes-tens 1956 ihre besondere Rolle wieder unterstreichen, als sie beim „Ungarn-Aufstand“ eine mit Gewalt niedergeschlagene Revolte an der kommunistischen Diktatur wagten. Später entwickelte sich der berühmte „Gulasch-Kommunismus“.

Die Geschichte der heutigen Region Budapest ist wechselhaft, wie der Band darstellt. Nach der Landnahme der vorher halbnomadischen Magyaren mit der Eroberung des Gesamtgebietes von Pannonien/Transdanubien um 900 und der militärischen Niederlage gegen den deutschen König Otto I. (936-973) auf dem Lechfeld bei Augsburg 955 war „die Umwandlung des heidnischen ungarischen Großfürstentums in ein christliches Reich … nur mehr eine Frage der Zeit“, wie Hauszmann schreibt (S. 18). Er schildert, wie sich dieses neue christliche Reich seit Stephan I. (um 974-1038) entwickelt hat. Dabei wird auch deutlich, welche Zentren es in diesem Reich gab und welche enge Verbindung Thron und Altar in dieser Zeit besaßen. Stephan I. wurde ebenso wie sein Sohn Emmerich und Bischof Gerhard (ung. Gellért) heiliggesprochen.

Unvoreingenommen schildert Hauszmann sowohl den großen deutschen Einfluss auf die Stadt seit der Epoche der Herrschaft König Andreas II., der zwischen 1218 und 1225 Deutsche angesiedelt hat, als auch die Zerstörung durch die Mongolen und die spätere Orientalisierung der Stadt unter osmanischer Hoheit mit Moscheen und Türkischen Bädern. Budapest stand, was diese zivilisatorischen, religiösen und politischen Einflusssphären betrifft, über Jahrhunderte am Schnittpunkt zwischen dem europäisch-christlichen Westen und dem Orient.

Sehr spannend sind die Bevölkerungszusammensetzung von Buda, Óbuda und Pest und die ethnische Zugehörigkeit der Eliten bis in die frühe Neuzeit, wie Hauszmann darstellt. So gehörten dem Budaer Stadtrat lange Zeit nur zwei nicht-deutsche Ratsmitglieder an (S. 35), während die Bürgerschaft von Pest überwiegend aus Einwohnern ungarischer Herkunft bestand. Unter der 32-jährigen Herrschaft von König Matthias I. Corvinus von 1458 bis 1490 wurde „Ungarn zweifellos zu einem ernst zu nehmenden Machtfaktor im östlichen Mittel-europa“ (S. 38), auch wenn die osmanische Herrschaft im 16. und 17. Jahrhundert Spuren hinterließ.

Die königliche Residenzstadt Buda (Ofen) wurde zum Hauptort einer neuen osmanischen Provinz. Die Osmanen gingen an die kulturelle Umgestaltung der Stadt. Christliche Kirchen wurden zu Moscheen, ihre Türme zu Minaretten umgewandelt. Nach Hauszmann „hinterließen die lang anhaltende Epoche der osmanischen Oberhoheit und die damit verbundene Islamisierung nicht nur auf den Gebieten von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, sondern auch im Alltagsleben tiefe Spuren“ (S. 47 f), ein Schicksal, das siebenbürgischen Städten erspart blieb. Erst 1686 konnte Buda-Pest das osmanische Joch abschütteln.

Die abwechslungsreiche Geschichte der Herrschaft der Habsburger und des Dualismus in Österreich-Ungarn bis 1918 in Bezug auf Budapest und Ungarn wird ebenso geschildert wie die Entwicklung zur Vereinigung der Städte zu Budapest 1873 und die aufkeimenden sozialen Probleme mit Verelendung der Massen im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts, Hunger und Masseneinwanderungen etwa aus Galizien. So lebten Anfang des 20. Jahrhunderts rund 141.000 Industriearbeiter in überfüllten Kleinstwohnungen in Budapest, in Kellerwohnungen und Massenquartieren der Außenbezirke (vgl. S. 126 ff).

Diese soziale Verelendung und die zwischen Proletariat und Bürgertum gespaltene Gesellschaft der Gründerzeit bewirkt es bekanntlich bis heute, dass die Sozialdemokratie in Städten wie Wien und München, Hamburg und Berlin traditionell so stark ist. Der Kampf der Revolutionäre und der Gegenseite um die Vorherrschaft in Budapest und Ungarn in der Zwischenkriegszeit wird ebenso beschrieben wie der antisemitische Terror in der Zeit des Faschismus. Besonders eindringlich wird die wechselvolle Entwicklung in der kommunistischen Phase und der Wendejahre nach 1989 geschildert.

Der brandneue Band kann jedem nur empfohlen werden, der sich für die Geschichte Budapests, Ungarns und Siebenbürgens interessiert.         

Janos Hauszmann: „Kleine Geschichte Budapests“. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2012, 192 S., 35 Abbildungen, ISBN 978-3-7917-2454-6, 14,95 Euro