Von Brot und Spielen

Alles Orange: Arad ist Provinzmeister in Sachen Volksfeste und -spiele

„Brot und Zirkusspiele“ (panem et circenses) ist ein Ausdruck des römischen Dichters und Satirikers Juvenal und so aktuell wie vor unserer Zeitrechnung. Schon Kaiser Trajan soll diese Massenunterhaltungen besonders gepflegt haben, da „das römische Volk insbesondere durch zwei Dinge, Getreide und Schauspiele, sich im Bann halten lasse“. Im Kolloseum warf man Brotlaibe unter die jubelnden Zuschauer, je mehr Blut bei den Gladiatorenkämpfen floss, umso begeisterter gebärdete sich das Volk. Ein Heidenspaß waren für den aufgepeitschten römischen Vulgus vor allem die Christenverspeisungen durch wilde Tiere.

Die Massenveranstaltungen unserer Zeit wechselten aus der Arena der Gladiatoren und Wagenrennen auf die öffentlichen Stadt- und Sportplätze oder Straßen. In Zeiten der Rezession, der Verarmung der Bevölkerung, des wachsenden Unmuts der Bürger gegen Staat, Regierung und jedwelche Art Obrigkeit, hier und heute auch noch unter dem Druck eines Wahljahres, schenken die Regierenden wie die Kommunalverwaltungen diesen Volksfesten und -belustigungen größte Aufmerksamkeit. Diese eindrucksvoll inszenierten Großereignisse werden von den Kreis-, Stadt- oder Gemeindeverwaltungen als traditionelle Veranstaltungen mit gewissem patriotischem, den Lokalstolz kitzelnden Hauch organisiert und von einem Teil der Wählerschaft als obligate Wahlgeschenke dankbar angenommen. Dass diese Events mächtige Löcher in das Haushaltssäckel reißen, die Kommunen verschulden, die Steuerzahler bitter teuer zu stehen kommen, scheint niemand ernsthaft zu interessieren.

Von Tomaten- bis Pfannkuchen-Festival

Zum ungekrönten Provinzmeister (sicherlich  Meister der Westregion) in Sachen Volksfeste und -spiele haben sich da in den letzten Jahren Stadt und Kreis Arad herausgemausert. Es hat wohl was mit der Farbe Orange zu tun: Seitdem der Arader PDL-Bürgermeister Gheorghe Falcă hier seit 2004 das Sagen hat (obwohl DNA dem Mann schon vor Jahren einen dicken Prozess wegen Amtsmissbrauch und Korruption angehängt hat) und die Kreisverwaltung zu einer der landesweit wichtigsten Basteien der Regierungspartei geworden ist, werden das ganze Jahr hindurch Massenveranstaltungen am laufenden Band organisiert.

Vor Kurzem wurde nämlich der Arader Kreishaushalt abgesegnet: Die Bewohner des Kreises haben sich heuer auf zirka 80 Feste, Festivals, Messen und traditionelle Veranstaltungen gefasst zu machen und zu freuen. Dafür wurden fast 1,5 Millionen Lei bereitgestellt (im Vor- bzw. Krisenjahr 2011 ließ sich die Verwaltung die Feste noch 1,7 Millionen Lei kosten). Es sind die ohne Ausnahme sündig teuren, als traditionelle Kulturveranstaltungen der jeweiligen Kommunen getarnten Volksfeste, meist mit Gratisgulasch oder -bohnensuppe vom amtierenden Bürgermeister und Volksmusik: u.a. das Weinfest, das „Autentic“-Fest, das Tomaten-Festival von Macea, das Brotfestival in Petschka, das Folklorefestival „Zilele druscelor“ in Bârsa. Lokal- oder Kreisfeste wurden zu internationalen Festivals aufpoliert, wie z. B. das Arader internationale Festival der Majoretten „Europa tanzt“. Die Arader Kreismeisterschaft im Feiern hat jedoch schon längst einen sicheren Sieger mit der Kommunalverwaltung des ehemaligen Kurbades Moneasa: Hier werden in jedem Sommer hintereinander mit viel Aufwand ein Pfannkuchen-, ein Kessel- und ein Festival der Zwillinge veranstaltet. Heuer soll sogar eine Internationale Meisterschaft für Kochen im Freien stattfinden (nicht die zwischen den Festivals stattfindenden Grillparties mit „mititei“ und Bier).

Diese Massenveranstaltungen – in den ersten Reihen sind selbstverständlich stets der Bürgermeister und sämtliche Notabilitäten, die Ehrengäste aus den Parteien und dem Kreisrat – überlagern sich mit den traditionellen lokalen Kirchweihfesten (rumänisch: ruga).
Wenn man ehrlich sein möchte, so war und ist das einzige wahre Volksfest dieses Landstriches der bekannte Mädchenmarkt vom Găina-Berg. Das ethno-kulturelle Fest, das ununterbrochen seit 1816 jährlich um den 18-20. Juli veranstaltet wird, ist heute ein Folklore-Fest, gleich beliebt bei den Einheimischen der Westkarpaten wie auch bei Touristen von nah und fern.

In der Stadt Arad ist das Angebot etwas reichhaltiger und feiner: Neben allerhand folkloristischen Festen (mit Essensausgabe von der Verwaltung), die alle auch etwas mit der laufenden Wahlkampagne zu tun haben, u. a. auch die „Tage der Verwaltung“ oder das „Fest der Nachbarn“, werden in der Stadt auch einige ernstzunehmende Kulturveranstaltungen organisiert. Es sind dies z. B. das Internationale Kurzfilm-Festival, das Festival „Rock auf der Marosch“, das Multikulti-Festival der nationalen Minderheiten oder das Arader Festival der Wiener Musik.

In der kürzlich abgehaltenen Stadtratssitzung zum Thema Stadthaushalt 2012 wetterte die Fraktion der Oppositionsparteien kräftig gegen die wiedermal eingeplanten hohen Beträge für derartige Massenveranstaltungen in Arad. Insgesamt wurden von den USL-Ratsherren 18 Einsprüche vorgebracht, die jedoch im Handumdrehen von der PDL-Mehrheitsfraktion vom Tisch gefegt wurden. Die Vertreter der Opposition verließen darauf vor Sitzungsschluss den Saal. „Ich bin enttäuscht über die Art und Weise, wie die Räte der Opposition sich bei der Wahl des Haushalts aufgeführt haben“, kommentierte Bürgermeister Falcă entrüstet. „Dieses Budget bietet sehr viel Geld für Investitionen, wir sind doch keine populistische Verwaltung!“

Was soll’s? Die Bürger der Stadt sollten eigentlich stolz auf ihre geschäftstüchtige Kommunalverwaltung sein. Im Gegensatz zu Temeswar, dem traditionellen Erzrivalen aus dem Gebiet, das heuer für seine 304.000 Bürger nur einen Jahreshaushalt von 150 Millionen Euro bereithalten kann, hat der Arader Stadtrat für nur halb soviel, bzw. 147.000 Einwohner, heuer ein stattliches Budget von 127 Millionen Euro aufbringen können. Wer zählt da die paar Zehn- oder Hunderttausende Euro für die schönen Volksfeste und –belustigungen? Liebe Landsleute, das ist doch Kleingeld.