Wie ein Studententraum zweier Idealisten zum wahrhaftigen Phänomen der Musikwelt wurde

Sebastian & Diana Gheorghiu, die Gründer der „ICon Arts Academy“

Sebastian Gheorghiu zusammen mit Schülern der Akademie ICon Arts Transilvania in Birthälm

Familie Gheorghiu mit dem japanischen Dirigenten Daisuke Soga bei der Feier des rumänischen Nationaltages in Tokio | Fotos: Sebastian Gheorghiu

Als der junge Student Sebastian Gheorghiu Ende der 90er Jahre an einer Master Class in Deutschland mit einem Stipendium teilnehmen durfte, änderte sich sein Leben radikal. Und kurz nach seinem Abschluss organisierte er zusammen mit seiner mittlerweile Ehefrau Diana seine erste Master Class: intensive Kurse für angehende Musikprofis aus aller Welt mit bereits weltweit renommierten Mentoren. Trotz spärlichen Marketings ist deren Projekt „ICon Arts“ (International Contemporary Arts) nach über zwei Jahrzehnten ein Referenzpunkt in der Musikwelt entlang der Kontinente. Auch dieses Jahr nehmen über 150 Studierende und bekannte Musikprofessoren an dem im Juli und August organisierten „ICon Arts Festival“ in Birthälm/Biertan und elf weiteren sächsischen Ortschaften teil. Zusätzlich dazu rühmt sich der Verein mit über 200 weiteren künstlerischen Events jährlich – sei es in Einkaufszentren, Kirchenburgen, Höhlen, Salzbergwerken und sogar Weinbaugebieten. Alles muss für die Familie Gheorghiu ein bisschen anders sein – und deswegen erhalten sie für ihre außergewöhnlichen Projekte auch zahlreiche Sponsorings und öffentliche Mittel (der Kulturfonds und andere Behörden genehmigten heuer 11 ihrer 12 vorgelegten Projekte).

Aller Anfang ist schwer…

Sebastian erinnert sich immer lächelnd und gleichzeitig überaus dankbar an die erste Auflage des „ICon Arts Festivals“ und seiner Master Classes im Jahr 2003. Der damalige Bürgermeister der Stadt Breaza, wo Sebastian und seine damalige Kollegin, später Ehefrau, Diana, das erste Event gemäß westlichen Standards organisieren wollten, sagte ihnen liebenswürdig ins Gesicht, dass die Stadt für derart Tätigkeiten kein Budget hätte. Er könne jedoch Räumlichkeiten in öffentlichen Gebäuden zur Verfügung stellen und versuchen, die Unternehmer der Stadt zu überzeugen, etwas für das neue Musikprojekt zu spenden. Die Stadt stellte die Schule zur Verfügung, eine Pizzeria lieferte das Mittagessen, einige Gasthauseigentümer  ihre Räumlichkeiten. Und so kam es zur ersten Auflage des Festivals, wobei Sebastian und Diana ihre Version einer musikalischen Master Class somit verwirklichen konnten: in freundschaftlicher Zusammenarbeit zwischen dem Mentor und seinen maximal acht Schülern, weit weg von den Ablenkungen der Großstadt und in enger Verbindung mit dem lokalen Erbe. 

Motivation

Der Wunsch der zwei jungen Absolventen war es, eine Gemeinschaft Gleichgesinnter aufzubauen, ganz im Gegenteil zur damaligen demütigenden Haltung der rumänischen Professoren gegenüber deren Schülern, ein kontinentenübergreifendes Netzwerk, bei dem bekannte Mentoren deren Lebenserfahrung und künstlerisches Wissen der nächsten Generation übertragen können.

Gleichzeitig sollten aber auch die lokalen Gemeinden gefördert, deren Kulturschatz und Erbe vorgestellt und wiederbelebt werden – daher die Entscheidung, die Eventreihe nach Birthälm zu verlagern.

Parallel zu den Master Classes wurde den beiden sehr schnell klar, das nicht nur Europa und der Westen generell großartige Künstler zu bieten haben, sondern auch der meistens fast vergessene Osten. Und somit lenkten sie ihren Blick zur ehemaligen Sowjetunion, zum Nahen Osten, bis hin in den Entfernten Orient und stellten sich zur Verfügung, bei zahlreichen Festivals rumänische Sänger und Künstler vorzustellen, gleichzeitig aber auch zahlreiche Kontakte dort zu knüpfen. Denn ohne Networking und Kulturaustausch können sie sich ihre Tätigkeit nicht vorstellen.

Die beiden mussten nicht nur alle Sponsorings für derartige Projekte selbst aufbringen, sondern sie waren auch bei jedem Event dabei. Lächelnd erinnern sie sich: „Es ist so toll, unterschiedliche kulturelle Hintergründe zu erforschen. Man erweitert seinen Horizont, wird toleranter und versteht die Menschen generell viel besser“.

Kulturprojekte vs. finanzielle Sicherheit

Kulturprojekte allein können aber ein Überleben nicht sichern, insbesondere in Rumänien, wo nicht genug Geld in junge Talente investiert wird, beklagt sich Sebastian. In den jungen Leuten, mit denen er arbeitet sieht er nicht eine etwas weiter entfernte „nächste Generation“, sondern die „unmittelbare Generation“, die unbedingt unterstützt werden muss, um den Kulturschatz des Landes zu erhalten.

Mit großer Mühe versucht er zusammen mit seinem Team, interessante Projekte zu formulieren, um öffentliche Fördermittel aller Art heranzuziehen – sei es über die EU, über Ministerien, Kulturstätten oder lokale Behörden. Überall klopfen sie an und haben größtenteils auch Erfolg: dieses Jahr genehmigte beispielsweise die Verwaltung des Kulturfonds (AFCN) 11 ihrer 12 Projekte. 

Aber ohne den Corporate-Bereich hätten „ICon Arts“ und dessen zahlreiche Kulturtätigkeiten insbesondere in den ersten Jahren nicht überleben können. Sebastian und Diana organisieren für zahlreiche Unternehmen und Einkaufszentren in Bukarest unterschiedliche Events und sind auch hier für ihre etwas anderen Ideen bekannt. Gleichzeitig können sie da natürlich auch zahlreiche kleine Sponsorings für ihre Leidenschaft auftun.

Marketing und Ausgaben

Weswegen es kaum Mediabeiträge über „ICon Arts“ gibt? Ganz einfach: Sebastian und Diana bevorzugen es, sämtliche Sponsorings zugunsten der Studierenden und deren Lehrkräfte zu investieren und somit auf beiden Seiten die Qualität zu steigern. Sie selbst haben in den ersten Jahren alles selbst getan, nicht nur die Organisation: sie waren Fahrer, Fremdenführer, Einkäufer, Köche, Mechaniker, Psychologen, ja sogar Ersthelfer im Notfall. 

Somit konnten sie im Laufe der Zeit renommierte Namen der Musikszene Rumäniens, Großbritanniens, Deutschlands, Irlands oder Japans zu Gast haben und gleichzeitig auch die entsprechenden Bedingungen für alle Teilnehmer gemäß eigener Vorstellung anbieten.

Weitere Projekte

Für die beiden Idealisten ist es schwer, nach fast 30 Jahren alle Kulturprojekte des Vereins vorzustellen. „ICon Arts“ ist derzeit ein bereits bekanntes Brand in der weltweiten Musikwelt und organisiert jährlich Rund 200 Kulturveranstaltungen. Das erlaubt wiederum den Gründern, sich auch weiterhin für ausgeflippte Ideen einzusetzen. 

So, zum Beispiel, haben sie während der Pandemie eine Gesetzeslücke nutzen können und in der Ialomița-Höhle ein Jazz-Konzert mit über 900 Anwesenden organisieren können (bewacht von Vertretern aller möglichen Behörden, wie Sebastian amüsiert zugibt). Das „Jazz Cave Festival“ ist derzeit im August bei der dritten Auflage und soll an drei unterschiedlichen Standorten in Râmnicu Vâlcea organisiert werden: im weit geräumigeren Salzbergwerk, vor dem Kunstmuseum und … inmitten des rund 30 km weit entfernten Weinanbaugebiets Drăgășani, zu Sonnenuntergang, mit einer wunderschönen Aussicht über dem Alt-Fluss, erzählt Sebastian, stolz auf sein Festival, welches nach so kurzer Zeit in das „European Jazz Network“ aufgenommen wurde.

Eine weitere Leidenschaft ist das neue „Romanian Music Competition“ aus Tokio, Japan, wo  heimische Musiker rumänische Volks- und klassische Musik erlernen und darbieten dürfen. 

Es gibt aber auch zahlreiche Zusammenarbeiten mit anderen Kulturstätten, derweilen mit dem Museum der Landkarten in Bukarest (einstweilen auch mit der Nationalbibliothek). Jeden Monat organisiert „ICon Art“ ein Konzert im Museum, und zwar ausgerichtet auf eine der ausgestellten seltenen Landkarten, die im Vorhinein von einem Museumsmitarbeiter vorgestellt wird.

Erst voriges Wochenende waren die Schüler des Eton-College aus Großbritannien, die auf mehreren Bühnen auftreten, durch die Bemühungen Sebastians in Rumänien zu Gast. Die renommierte britische Bildungsanstalt gilt als Abschussrampe in die Politik, wobei Sebastian sich in weiterer Folge erhofft, über diesen Besuch den zukünftigen Politikern ein schönes Bild von Rumänien mitgegeben zu haben. „Es sind die besten Botschafter unseres Landes“, meint er.

Die beiden Gründer haben auch weitere Ideen: Auch dieses Jahr organisieren sie jeden Donnerstag im August in der Kronstädter Weberbastei das „Jazz Bastion“-Musikfestival und im Mai haben sie gerade in Bukarest das „CellEast“-Festival für Cello organisiert. 

Auch Komponisten wurden nicht vergessen: In einer eigenen Master Class („Transilvanica Residency“) konnten sich diese  von den unterschiedlichen Details der sächsischen Dörfer Siebenbürgens inspirieren lassen und danach eine eigene Melodie dafür komponieren, inspiriert vom Dorfleben, von der Geschichte des Ortes, von den imposanten Wehranlagen oder einfach von einer Wendeltreppe. Parallel dazu hat Sebastian den Fotografen Mihai Benea herangezogen, um die bestimmten fokussierten Details entsprechend festzuhalten, wobei am Ende des Projekts nicht nur elf personalisierte Videoclips der unterschiedlichen Orte entstanden sind, sondern auch eine neue Master Class zur Fotografie.