Wer kennt das nicht, dass man sich zum Jahreswechsel zahlreiche Vorsätze für das neue Jahr vornimmt. Der Start ins neue Jahr ist für viele Menschen eine Zeit der Besinnung und Neuausrichtung. Gute Vorsätze wie „gesünder essen“, „mehr Sport treiben“ oder „endlich mehr Zeit fürs Lesen“ stehen hoch im Kurs. Doch ebenso häufig scheitern diese Vorhaben schon nach wenigen Wochen. Warum ist es so schwer, Vorsätze in die Tat umzusetzen?
Liegt es an mangelnder Disziplin oder gibt es tieferliegende Gründe? Wissenschaftliche Erkenntnisse und praxisnahe Methoden liefern Antworten – und können uns nützliche Werkzeuge an die Hand geben, um unsere Ziele langfristig zu erreichen.
Warum gute Vorsätze oft scheitern
Das Problem beginnt im Gehirn. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und unser Gehirn liebt seine Routine. Jede neue Gewohnheit verlangt, dass das Gehirn zusätzliche Energie aufwendet, um bestehende Muster zu durchbrechen. Das Gehirn funktioniert dabei wie ein Netz aus Autobahnen und Trampelpfaden. Gewohnheiten sind wie gut ausgebaute Autobahnen, auf denen Informationen schnell und effizient fließen. Neue Vorsätze hingegen starten als schmale Trampelpfade, die erst durch ständiges Wiederholen breiter und stabiler werden.
Das evolutionärbedingte Verhalten unseres Gehirns begünstigt kurzfristige Belohnungen gegenüber langfristigen Zielen. Während der präfrontale Kortex, das Kontrollzentrum für Planung und Zielsetzung, da-ran arbeitet, uns gesund oder produktiv zu machen, funkt das Belohnungssystem dazwischen: Schokolade, Sofa, Fernseher und Handy sind einfach verlockender als das Fitnessstudio.
Ein weiterer Grund für das Scheitern liegt in der fehlenden emotionalen Verbindung zu den Vorsätzen. Wer Vorsätze rein rational auswählt, etwa um gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen, wird es schwerer haben, die nötige Motivation aufzubringen.
Die emotionale Relevanz als Schlüssel
Damit Vorsätze erfolgreich umgesetzt werden können, müssen sie emotional bedeutsam sein. Der erste Schritt ist, sich zu fragen, warum ein Ziel wichtig ist. Essenziell ist hierbei, den emotionalen Kern eines Vorsatzes herauszuarbeiten. Möchte man beispielsweise im neuen Jahr mehr Sport treiben, sollte man sich auch fragen, warum. Geht es um körperliche Gesundheit, ein besseres Körpergefühl oder das Gefühl von Stärke und Vitalität?
Die emotionale Verbindung zu einem Vorsatz aktiviert dabei das Belohnungssystem unseres Gehirns. Je mehr wir ein Ziel mit positiven Gefühlen verknüpfen, desto eher bleiben wir motiviert und sind bereit, es auch aktiv umzusetzen. Der Faktor Spaß ist hierbei das wichtigste Element, um neue Gewohnheiten zu etablieren. Wenn wir bei der Umsetzung des Vorsatzes keinen Spaß empfinden, verweigert unser Gehirn oftmals die notwendige Unterstützung.
Die WOOP-Methode
Eine der effektivsten Strategien zur Zielerreichung ist die sogenannte WOOP-Methode. Sie wurde von der Motivationsforscherin Gabriele Oettingen, die zudem als Professorin für Psychologie an der New York University und der Universität Hamburg lehrt, entwickelt. Die Methode ist ein vierstufiger Prozess für die Ziel- und Visionsarbeit. WOOP steht dabei für Wunsch (Wish), Ergebnis (Outcome), Hindernis (Obstacle) und Plan (Plan). Dieses einfache, aber trotzdem wirksame Werkzeug verbindet emotionale Motivation mit praktischer Planung.
Im ersten Schritt formuliert man für sich selbst ein klares Ziel, welches erreichbar und bedeutungsvoll sein sollte. Danach visualisiert man, wie es sich anfühlt, wenn das gesteckte Ziel erreicht wurde. Das währenddessen generierte Bild dient als Motivator.
Visualisierungen und gute Bilder reichen jedoch alleine nicht aus, um an das gewünschte Ziel zu kommen. Neuronal sind diese positiven Bilder sehr wichtig, weil sie die emotionalen Zentren aktivieren. Allerdings senken sie auch die Handlungsenergie, weil das Gehirn eben nicht unterscheiden kann, ob man sich das Ziel nur vorstellt oder es tatsächlich schon so ist. Mit positiven Bildern und Gedanken sterben unsere Visionen quasi in Schönheit. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, ist es deshalb auch wichtig, Hindernisse und mögliche Gefahren vorwegzunehmen. So versetzt man sein Gehirn in einen Zustand der „Alarmbereitschaft”. Unser Gehirn ist somit wieder wach und die Handlungsenergie zurück. Die Identifikation von typischen Stolpersteinen, die einen vom Ziel abhalten könnten, ist daher wichtig.
Im letzten Schritt der WOOP-Methode entwickelt man einen Plan, mit dem man die identifizierten möglichen Hindernisse überwinden kann. Dabei ist ein sogenannter „Wenn-Dann-Plan“ besonders hilfreich. Beispiel: „Wenn ich abends zu müde bin, um Sport zu machen, dann mache ich eben morgens 10 Minuten Yoga.“
Die WOOP-Methode fördert nicht nur die Selbstreflexion, sondern liefert auch konkrete Lösungen, um Hindernisse zu überwinden. Studien zeigen, dass Menschen, die diese Methode anwenden, häufiger an ihren Zielen festhalten und erfolgreicher sind.
Drei Prinzipien für nachhaltige Gewohnheiten
Neben der WOOP-Methode bietet die Neurowissenschaft drei weitere Prinzipien, um neue Gewohnheiten effektiv und langfristig zu verankern: Freude, leichte Überforderung und Fokus. Je mehr Spaß eine Aktivität macht, desto eher wird unser Gehirn sie unterstützen. Kleine Belohnungen oder das Einbinden von Hobbys in neue Vorsätze können helfen. Wenn Sie etwa mehr Bewegung wollen, wählen Sie eine Sportart, die Ihnen Freude bereitet, anstatt sich ins Fitnessstudio zu quälen. Setzen wir einen Vorsatz mit Freude um, so steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir ihn langfristig etablieren.
Des Weiteren ist es auch wichtig, sich Ziele zu setzen, die herausfordernd, aber machbar sind. Eine leichte Überforderung führt zu einer Spannung zwischen Können und Herausforderung und hält das Gehirn wach und motiviert. Der richtige Schwierigkeitsgrad sorgt für die Ausschüttung von Noradrenalin, das als Energieschub wirkt.
Letztlich spielt auch der Fokus eine wichtige Rolle. Durch die Minimierung von Ablenkungen kann man sich besser auf eine Aufgabe konzentrieren. Multitasking ist der Feind von Fortschritt. Das Blockieren und die Einhaltung von Zeit für das Ziel sind hierbei essenziell.
Mit kleinen Schritten erfolgreicher zum Ziel
Anstatt sich auf einmal große Ziele zu setzen, ist es ratsam, mit kleineren Schritten zu starten. Anstelle vager Formulierungen, wie: „Ich will mehr Sport machen“, könnte ein konkreter Plan lauten: „Ich gehe dreimal pro Woche 20 Minuten spazieren.“ Kleine Erfolge motivieren uns und bauen Momentum auf.
Ein weiteres hilfreiches Instrument ist die schriftliche Selbstverpflichtung. Indem man seinen Vorsatz handschriftlich festhält, schafft man eine persönliche Bindung zum Ziel. Einige Studien zeigen, dass schriftlich fixierte Vorsätze die Wahrscheinlichkeit ihrer Umsetzung und Erfolge wesentlich erhöhen.
Oft stehen uns unbewusste Überzeugungen im Weg, wie „ich bin nicht sportlich.“ oder „ich schaffe das sowieso nicht“. Diese mentalen Barrieren zu erkennen und aktiv zu verändern, ist ein weiterer entscheidender Schritt.
Der Umgang mit Rückschlägen
Rückschläge gehören zum Veränderungsprozess. Niemand ist perfekt, und gelegentliche Ausrutscher sind normal. Entscheidend ist, wie man damit umgeht. Statt sich von einem Rückfall entmutigen zu lassen, sollte man ihn als Lernmöglichkeit betrachten. Die Analyse, was schiefgelaufen ist, und die Anpassung an den Plan gehören zum Prozess.
Die WOOP-Methode ist hier besonders hilfreich, da sie nicht nur den Fokus auf das Ziel legt, sondern auch auf potenzielle Hindernisse. Wenn ein Plan nicht funktioniert, entwickelt man einen neuen. Wichtig ist, dass man dranbleibt und sich auf seine Fortschritte konzentriert.
Wie lange dauert es, Gewohnheiten zu ändern?
Die Zeit, die es braucht, um neue Gewohnheiten zu etablieren, variiert. Neurowissenschaftliche Studien legen nahe, dass etwa zwölf Wochen konsequentes Üben ausreichen, um das Gehirn neu zu programmieren. In dieser Phase ist es wichtig, den Fortschritt zu dokumentieren und sich kleine Belohnungen zu gönnen. Diese positiven Verstärkungen motivieren und machen den Prozess angenehmer.
Gute Vorsätze umzusetzen ist kein Zufall, sondern das Ergebnis kluger Planung und emotionaler Verbindung. Methoden wie WOOP und Prinzipien wie Freude und Fokus sowie kleine, erreichbare Schritte helfen, Hindernisse zu überwinden und nachhaltig neue Gewohnheiten zu schaffen.