Jeder Mensch besitzt seine Würde. Sie liegt darin begründet, dass jedes Wesen, das der Schöpfer mit Vernunft und freiem Willen ausgestattet hat, ein Ebenbild Gottes ist. Hinzu kommt, dass der Christ durch die Taufe zur Würde eines Gotteskindes erhoben wurde. Christus unterstreicht diese Würde, indem er sich mit unseren Mitmenschen identifiziert: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan“. Die Würde des Menschen muss unantastbar bleiben.
Leider wurden im Laufe der Geschichte unzählige Menschen durch Gewalttätige dieser Würde beraubt. Wo immer Menschen zu Sklaven gemacht oder als Deportierte zur Zwangsarbeit genötigt wurden, hat man diese Würde mit Füßen getreten und die Ebenbilder Gottes zu Arbeitstieren degradiert. Viele entkleiden sich selbst dieser Würde, wie es die gewerbsmäßigen Dirnen tun. Sie erniedrigen sich zum sexuellen Genussmittel und verkaufen ihre Würde um Geld.
Auch bei Angestellten gerät die Menschenwürde leicht in Gefahr. Das geschieht dann, wenn der Angestellte einzig und allein nach seiner Leistung bewertet und als bloßes Produktionsmittel angesehen wird. Diese Gefahr lässt sich nur schwer bannen, solange die menschliche Gesellschaft aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern besteht. Da-rum spielt sich das eigentliche Menschsein nicht am Arbeitsplatz ab, sondern in der Freizeit, im Freundes- und Familienkreis. Hier wird man nicht als Produktionsmittel betrachtet. Der Wert seines Menschseins wird nicht an seiner Leistung gemessen. Wenn jemand deine Freundschaft sucht, sich zu dir hingezogen fühlt, so bestätigt er dich in deinem geistigen Wert und in deiner Würde. Deshalb haben wir Freundschaften nötig, denn sie bestätigen uns gegenseitig in unserem Wert und in unserer Würde. Noch besser kommt dieses Werturteil in der Liebe zwischen Mann und Frau zum Ausdruck. In ihrer gegenseitigen Liebe offenbart sich mehr als die bloße Anerkennung eines geistigen Wertes. In dieser Liebe wird ein Mensch als einzigartiger Wert aus allen übrigen Menschen herausgehoben. Der Liebende bekennt: Du bist für mich das Teuerste und Kostbarste von alldem, was diese Welt mir bieten kann! Wer fühlt sich da nicht beglückt, von einem anderen Menschen nicht als bloßes Mittel zum Zweck, nicht als Genuss- oder Produktionsmittel angesehen zu werden, sondern als ein in der eigenen Person begründeter hoher Wert anerkannt zu werden?
Formuliert ein Mann seinen Heiratsantrag an eine Frau mit folgender Begründung: „Ich benötige dich zum Kochen, Waschen und Strümpfestopfen“, so fühlt sie sich in ihrer Würde gekränkt und weist ihn mit den Worten ab: „Dazu bin ich mir zu gut. Suche dir eine Wirtschafterin und bezahle sie.“ Und wenn ein Mädchen einem jungen Mann erklärt: „Ich bin bereit dich zu heiraten, damit ich gut versorgt bin“, so versetzen ihn diese Worte keinesfalls in den siebenten Himmel der Liebe, sondern ernüchtert wird er erwidern: „Ich will eine Frau, die mich liebt, aber keine, die mich als Versorgungsinstitut betrachtet.“ Wir alle wollen in unserem Wert und in unserer Würde uns bestätigt sehen. Das geschieht vornehmlich in der Freundes- und Gattenliebe und in der Eltern- und Kindesliebe.
Wie schützt man wirksam die Menschenwürde? UNO-Resolutionen genügen nicht. Wir alle sind zu ihrem Schutz aufgerufen. Wer die Menschen mit den Augen der Gleichgültigkeit betrachtet, kann keinen besonderen Wert in ihnen erkennen. Er stuft sie als Massenware ein. Wer sie mit den Augen der Feindschaft betrachtet, sieht wie in einem Zerrspiegel nur ihre schlechten Eigenschaften und diese unheimlich vergrößert. Feindschaft und Hass sehen den anderen Menschen nur als Karikatur. Schauen wir die Menschen mit den „Augen der Liebe“ an. Sie sehen tiefer als die Augen des Hasses und erblicken das Gute im Menschen, für das der Hass blind ist. Wer die Menschen mit den Augen der Liebe betrachtet, wird keinen verachten, sondern seinen Wert und seine Würde anerkennen.