WORT ZUM SONNTAG: Das tragfähige Fundament einer Gemeinschaft

Wir Menschen sind soziale Wesen und leben in einer Gemeinschaft. Einsiedler sind Ausnahmen. In jeder Gemeinschaft entstehen Probleme, oft schwer erträgliche, da wir nicht wie ein Ei dem andern gleichen. Jedes Mitglied hat andere Stärken und andere Schwächen, andere Talente und andere Ansichten. Soll eine solch bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft trotzdem lebensfähig bleiben, müssen die Mitglieder aufeinander Rücksicht nehmen und sich einander als hilfsbereit erweisen. Als Vorbild dazu kann unser Leib dienen. Wenn wir uns einen Dorn in den Fuß getreten haben, nimmt unser ganzer Körper Rücksicht. Sofort wird der schmerzende Fuß entlastet, das andere Bein nimmt sofort die ganze Körperlast auf sich. Das Auge hilft, den Dorn zu suchen, die Hände entfernen den Fremdkörper und schließen die Wunde mit einem Verband oder Pflaster. Dann bekommt das verletzte Körperglied Ruhe verordnet, auch wenn es den anderen Gliedern gar nicht recht ist. Unterdessen ist der ganze Organismus eifrig an der Arbeit, die Wunde zu schließen und zu heilen.

So ähnlich muss jede Gemeinschaft handeln, will sie lebens- und aktionsfähig bleiben. Hier muss die Hälfte des Spruchs „Alle für den Einen“ zutreffen. Dazu ermahnt uns der Apostel Paulus (2. Kor. 11, 29): „Wer leidet unter seiner Schwachheit, ohne dass ich mit ihm leide? Wer kommt zu Fall, ohne dass ich von Sorge verzehrt werde?“ Im Galaterbrief ermutigt er uns: „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen!“ Christus unterstreicht das im Johannesevangelium (13,34): „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebet einander!“ Als abschreckendes Beispiel stellt uns Christus im Matthäusevangelium den unbarmherzigen Knecht vor Augen. Sein Herr erlässt ihm eine übergroße Schuld, aber er fordert rücksichtslos die kleine Schuld seines Mitknechtes ein und lässt ihn in den Kerker werfen. Mit solchen Menschen, die für sich Rücksicht fordern, aber selbst keine Rücksicht üben, ist keine soziale Gemeinschaft lebensfähig.

Als Fundament jeder sozialen Gemeinschaft, die lebensfähig bleiben will, muss das Wort Christi gelten (Mat. 7,12): „Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihr ihnen!“ Also: „Alle für einen!“ Leider können nicht alle die gleiche Leistung in die Gemeinschaft einbringen. In jeder Gemeinschaft gibt es Starke und Schwache. Das erkannte auch der Apostel Paulus und schrieb an die Römer (15,1): „Wir müssen als die Starken die Schwäche derer tragen, die schwach sind und dürfen nicht für uns selbst leben. Jeder von uns soll Rücksicht auf den Nächsten nehmen, um Gutes zu tun und die Gemeinschaft aufzubauen!“ Hier muss die andere Hälfte des Grundsatzes zur Geltung kommen: „Einer für alle!“

Einen Aneiferer dazu müssen wir weder in der Weltgeschichte, in der Literaturgeschichte, noch in den Heiligenleben suchen. Wir finden ein solches Vorbild in uns selbst: Unseren Magen! Er ist das Organ, das alle Speisen, die wir zu uns nehmen, zuerst zugeführt bekommt. Und doch wie selbstlos benimmt er sich bei seiner schweren Arbeit. Er sagt nie, wie wir es oft bei Menschen sehen: „Ich bin am ersten dran, ich trage dazu die Hauptlast, darum sorge ich zuerst für mich!“ Ganz im Gegenteil! Er sorgt für alle anderen Glieder des Körpers eher als für sich. Er leitet dem Blut die Säfte zu, die es für sich und den ganzen Körper nötig hat. Er versorgt jedes Organ nach seiner Art und seinem Bedarf. Für sich behält er nur so viel, als nötig ist zum Fortbestand für seine Arbeit im Dienste des Ganzen. Man hat beobachtet, dass bei schwerem und anhaltendem Hunger der Magen seine eigene Substanz angreift, um damit den edleren Organen, vor allem dem Gehirn, noch lange die Kräfte zuzuführen, die zur Erhaltung ihrer Tätigkeit nötig sind.

So hat Gott Eigenschaften in die Organe unseres Körpers gelegt, die uns aneifern sollen, unseren Geist voll und ganz in die Gemeinschaft einzubringen. Jeder von uns soll nach seinen Fähigkeiten und Kräften seinen Beitrag leisten, aber mit Rücksicht auf die Fähigkeiten der Schwächeren. Das tragfähige Fundament einer gesunden Gemeinschaft lautet: „Einer für alle! Alle für einen!“ Handeln wir danach!