WORT ZUM SONNTAG: Der Gründer von Sao Paulo

Die größte Stadt Brasiliens ist Sao Paulo. Sie hat 10 Millionen Einwohner, ist der Hauptsitz des brasilianischen Kaffeehandels, besitzt eine gut entwickelte Industrie und beherbergt vier Universitäten. Wie ist diese Weltstadt entstanden? Schon der Name deutet darauf hin, dass nicht Abenteurer und Konquistadoren ihre Gründer waren, sondern katholische Missionare. Die Gründung wird dem Jesuitenpater Jose de Anchieta zugeschrieben. Dieser Portugiese wurde im Jahre 1534 als Sohn eines baskischen Edelmannes geboren. Schon mit 17 Jahren war sich der junge Jose über sein Lebensziel im Klaren. Er wurde Mitglied des jungen Jesuitenordens. Wie alle übrigen Jesuiten durchlief auch er alle Studiengänge, eignete sich echte Frömmigkeit, gepaart mit einem gründlichen Philosophie- und Theologiestudium an. Nach der Priesterweihe reiste er nach Brasilien. In diesem Land wollte er seine Landsleute, die dort eine neue Heimat gefunden hatten, von der Gier nach Gold, Edelsteinen und maßlosem Landbesitz heilen. Seine erste Arbeit bestand darin, die Kinder der Aussiedler zu guten Christen heranzubilden und ihnen ein gediegenes Wissen zu vermitteln. Zehn Jahre hindurch war er im Schuldienst tätig.

Sein Missionseifer drängte ihn dazu, sich um die Indios zu kümmern, die von seinen christlichen Landsleuten verdrängt, teils zu Arbeitssklaven erniedrigt wurden. Zunächst musste er selbst lernen. Wollte er bei den Indios Erfolg haben, musste er ihre Sprache sprechen und ihre Kultur kennen. Er erlernte die Sprache der Guarani-Indianer so genau, dass er eine Grammatik dieser komplizierten Sprache erstellen konnte. Sein Werk wurde noch 1933 von der Nationalbibliothek in Rio de Janeiro neu aufgelegt. Jose de Anchieta besuchte weit im Süden das Indianerdorf Piratininga. Dort gründete er eine Ordensniederlassung. Es war am 25. Januar, am Fest der Bekehrung des Apostels Paulus. Ihm zu Ehren nannte er den neuen Ort „Sao Paulo“. Keiner der Anwesenden ahnte, dass diese kleine Gründung sich zur größten Stadt Brasiliens entwickeln werde. Da Pater Anchieta die Indianersprachen und ihre Dialekte gut beherrschte, gewann er das Vertrauen der Ureinwohner. Bei Stammesfehden der Indios war Pater Anchieta der begehrte Friedensrichter. Seinem Urteilsspruch unterwarfen sie sich willig.

Der Jesuitenmissionar besaß vielseitige Talente. Er war nicht nur Missionar und Sprachwissenschaftler, er wurde auch zum Botaniker. Durch die Indios lernte er viele bisher unbekannte Heilpflanzen kennen und auch wie sie anzuwenden seien. Diese indianischen Kenntnisse der Pflanzenheilkunde schrieb er in Handbüchern nieder. Diese Bücher sollten vor allem den armen Leuten helfen, wo es keinen Arzt gab oder die sich einen Arztbesuch nicht leisten konnten. Damit waren aber seine Talente noch nicht erschöpft. Er wusste aus Erfahrung, welch segensreichen Einfluss die Musik auf Menschenseelen ausüben konnte. So textete und komponierte er religiöse Volkslieder, die bald überall gesungen und zu Ohrwürmern wurden. Unter seiner Regie wurden viele erbauliche Theaterdichtungen aufgeführt. So sorgte er auch für die Entwicklung des Volkstheaters in Brasilien. Daneben schrieb er Lexika und Glaubensbücher. Seine große Sorge galt den Ureinwohnern. Er nahm die Indios vor der Willkür portugiesischer und spanischer Kolonialherren in Schutz. Zu diesem Zweck gründete er Indianerdörfer, die sogenannten „Aldeias“. Diese Dörfer verwalteten sich selbst und den Kolonialherren war jeder Einfluss verwehrt. Dadurch verhinderte er die Ausbeutung der Ureinwohner. Seine „Aldeias“ wurden zur Vorstufe der Jesuiten-Reduktionen in Paraguay.

Dem unermüdlichen Seelsorger wurde ein neues Amt aufgebürdet. Einmütig wurde er zum Provinzleiter gewählt. Das bedeutete reisen und abermals reisen. Zu Fuß, zu Pferd, in schmalen Flussbooten legte er Zehntausende von Kilometern zurück. Schließlich erlahmte seine Kraft. Er starb, 63 Jahre alt, auf der Missionsstation zu Reritiba. Ein solcher Mann blieb beim Volk unvergessen. Viele Straßen, öffentliche Plätze, Schulen, Kirchen wurden nach ihm benannt.