Wort zum Sonntag: Gottesfurcht sticht Opportunismus

Im 1. Buch Samuel, im 24. Kapitel, lesen wir, wie David als Flüchtiger vor König Saul, seinem Schwiegervater, diesen in der Höhle En-Gedi hätte ergreifen oder töten können, es aber nicht tat, obwohl das den Gepflogenheiten gemäß gewesen wäre. Auch heute ist es doch üblich, dass man seinem Gegner kräftig zusetzt, sobald dieser sich eine Blöße gibt. So ist es im Sport, so in der Wirtschaft und im sozialen Umgang – wie auf der Jagd. Aber nicht so sei es bei gottesfürchtigen Menschen: selbst wenn die anderen Böses vorhaben, sollen Fromme das Gute tun, auch wenn sie dadurch Nachteile haben oder Schaden erleiden. Gott kann alles zum Guten wenden und sein ist die Rache. Das war schon dem David bekannt.
Seine Gefährten sehen hier Gottes Fügung: Dies ist der Tag, von dem der Herr dir gesagt hat. Siehe, jetzt hast du Gelegenheit, deinen Feind zu beseitigen. Aber David denkt daran, dass Saul der Gesalbte des Herrn ist, und Segen mit Ölung sind für ihn gewichtiger als das bloße Wort zum eigenen Vorteil. Wir denken hier an Jesus und seine Auseinandersetzung mit Petrus nach der ersten Ankündigung seiner Leiden: Als Petrus ihn von seinem Weg in den Tod abhalten will, nennt er ihn einen Satan, weil er menschlich urteilt und nicht göttlich. Und damit kein Zweifel am Prinzip aufkommt, fährt er fort (Mk. 8,31ff): Wer sein Leben erhalten will, der wird‘s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird‘s erhalten.
Ja, oft ist es so, dass Gottes Heilshandeln sich unter dem Gegenteil verbirgt: wir sehen die verpasste Chance, von Gott her aber ist es Bewahrung; wir sehen den Verlust, in Wahrheit aber ist es Befreiung; wir sehen Tod und Ende, tatsächlich aber ist es Neuanfang und Leben. Aus dieser Diskrepanz heraus müssen Christen ihr Leben verstehen und annehmen, wenn sie ihr Ziel, die Seligkeit, erreichen wollen. Das heißt, wir müssen andauernd mit Bezug auf Gott entscheiden und handeln, also ohne Unterlass beten. Es wird dann nicht ausbleiben, dass in uns der Geist Gottes zu wirken beginnt, der seinerzeit in David mächtig wurde, um ihn vor einem Mord zu bewahren, so dass er mit reinen Händen die Königswürde annehmen konnte.

Durch seine Gottesfurcht wurde David zu einem Vorbild für alle Gläubigen, Beamte und Politiker mit eingeschlossen. Auch als König hat er es geschafft, Gott gehorsam zu bleiben, so dass es nach ihm für niemanden eine Entschuldigung gibt, er könne in der Partei oder im Staatsdienst nicht der christlichen Ethik entsprechend handeln. Was bleibt denn noch übrig, wenn man die Moral aus dem öffentlichen Leben verbannt? Nur Lug, Trug und Mord in dem erklärten Bestreben, dadurch das Gute zu bewirken, Frieden und Gerechtigkeit zu schaffen. Aber das alte Sprichwort, das David schon zitierte: Von Bösen kommt Böses bleibt auch heute wahr. Durch unlautere Mittel einen heiligen Zweck zu erreichen, so etwas gibt es nicht.
Ein junger Mönch fragte seinen Meister: Woran erkenne ich, ob mein Ziel gut ist oder nicht? Der Meister antwortete: Am Weg, der dahin führt. Ist er gut, ist auch das Ziel gut. Ist der Weg böse, ist es auch das Ziel. Das heißt, wenn von einem bestimmten Standort aus nur ein böser Weg zum guten Ziel führt, soll man ihn nicht gehen, denn es ist ein Irrweg. Stattdessen wechsle man schnell den Standort. Das ist für Christen umso dringlicher, als unser Glaube ja ein Weg ist, und zwar nicht irgendeiner, sondern Jesus Christus selbst, der von sich sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Weg und Ziel sind eins – der Weg ist das Ziel. Es ist also nicht klug, querfeldein zu laufen. Amen.