WORT ZUM SONNTAG: Mit Gott reden

Jesus erzählt im Evangelium zum 11. Sonntag nach Trinitatis von zwei unterschiedlichen Menschen, die in den Tempel kommen, um dort mit Gott zu reden. Der eine ist ein Zöllner, welcher genau weiß, was er auf dem Kerbholz hat, der deshalb die Augen niederschlägt und nur von ferne bittet: „Gott, sei mir Sünder gnädig.“ Das ist ehrlich und ein echtes Gespräch mit dem himmlischen Vater, der Erbarmen hat mit dem, der im Elend sitzt und auf Gottes Barmherzigkeit angewiesen ist. Der Sünder kann ja gar nicht anders, als vor Gott seine Sünden zu bekennen und um Gottes Gnade zu flehen. Denn es hilft nichts, dem irgendetwas vorzumachen, der unsre Herzen genauestens kennt.

Ja, selbst wenn uns im Moment keine Schuld bewusst ist, wäre es doch falsch, sich selbstgerecht auf die Schulter zu klopfen. Das menschliche Leben ist ja so organisiert, dass wir fortlaufend Entscheidungen treffen müssen, die es mit sich bringen, das anderes, was vielleicht auch wichtig wäre, jetzt oder sogar grundsätzlich ausgeschlossen wird. Der Professor schreibt ein wichtiges Buch, der Künstler arbeitet an einem wichtigen Werk, der Ingenieur an einer wichtigen Erfindung. Andere sind von früh bis spät in der Firma, auf dem Feld oder zu Hause. Manchmal ist es nur eine Kleinigkeit, manchmal geht es Dir durch Herz und Nieren, manchmal merkst Du es gar nicht.

Im Paradies war es möglich, nicht zu sündigen. Der Mensch hatte tatsächlich die Möglichkeit, Gottes Wort und Befehl Folge zu leisten und gehorsam zu sein. Nach dem Fall aber ist das nicht mehr so einfach, und wer aufrichtig und gewissenhaft über sein Leben nachdenkt, dem wird bestimmt nicht verborgen bleiben, dass er bei aller Mühe und Anstrengung immer wieder Fehler gemacht und sogar schuldig geworden ist. Manchmal sagen wir Dinge zu, die wir nicht halten können, oder wir verschließen unsere Augen oder sogar unser Herz vor der Not eines anderen, oder wir urteilen hochmütig in irgendeiner Sache. Nach menschlichem Urteil ist es fast unmöglich, gerecht zu sein. Wir sind auf die Gnade und Barmherzigkeit des Menschen liebenden Gottes unbedingt angewiesen, ebenso wie auf die Gnade und Barmherzigkeit unsrer Mitmenschen, die ja mit unseren Fehlern und Schwächen irgendwie umgehen müssen.

Trotzdem aber trachten wir immer wieder danach, uns selbst zu rechtfertigen. Jesus stellt uns das durch den zweiten Menschen vor Augen, der ebenfalls in den Tempel kommt, um mit Gott zu reden, und dort alles aufzählt, was er alles gut gemacht hat. Er fastet zweimal die Woche, gibt den Zehnten von allem, was er einnimmt und ist – nach eigenem Urteil – kein Räuber, Betrüger oder Ehebrecher, sondern ein ehrbarer Mann. Nun wäre es sicher falsch, alle die aufgezählten ehrbaren Eigenschaften in Frage zu stellen. Jener zweite Mann ist ganz sicher kein Räuber, Betrüger oder Ehebrecher. Und trotzdem ist da etwas faul. Der HERR urteilt in seinem Fall unerwartet hart. Vom Zöllner sagt Jesus, dass er gerechtfertigt in sein Haus ging, der andere nicht. Weshalb urteilt Jesus so?

Wir halten noch einmal fest: Der Zöllner redet ehrlich und aufrichtig mit Gott, der schon von Hause aus weiß, was im Herzen des Zöllners ist, und ein ehrliches und aufrichtiges Herz zählt vor Gott. Ist nun der andere Mensch etwa nicht ehrlich und aufrichtig? Oder was macht sein Verhalten so schwierig? Die Antwort ist einfach: Der andere zeigt mit dem Finger auf den Zöllner. Er ist nicht in die Kirche gekommen, um mit Gott zu reden, sondern er schielt auf andere, hält sich für besser als der Zöllner: Ich bin nicht so wie die da oben. Ich bin besser als die da unten. Wenn es nach mir ginge, wäre alles anders und besser.

In Wahrheit aber erliegt dieser Mann einem unglaublichen Selbstbetrug. Sein Fehler ist nicht, dass er den Zehnten gibt und kein Räuber, Betrüger oder Ehebrecher ist, sondern dieser subtile Versuch, sich selbst zu rechtfertigen. Solche Versuche der Selbstrechtfertigung hat Jesus immer wieder sehr deutlich zurechtgewiesen; Martin Luther hat im Zusammenhang der Rechtfertigungslehre von dem Artikel gesprochen, mit dem die Kirche steht und fällt.

Der heilige Apostel Paulus aber ermuntert uns, auf alle Selbstrechtfertigung zu verzichten und im Gegenzug alles daran zu setzen, zum rechten Glauben, zu echter Gemeinschaft mit Gott, zum ewigen Leben zu gelangen. Da brennt ein Feuer im Herzen, da weinen wir echte Tränen der Reue, da komme ich aus mir heraus, da bekenne ich meine Sünden, da flieht die Gleichgültigkeit, da sehen wir zerbrechliche Gefäße mit kostbarem Inhalt, der Zöllner bekommt einen Namen, da wird alles neu und schön. Die Herrlichkeit des HERRN, Gottes Glanz kehrt zurück in diese Welt.