Wort zum Sonntag: Paradoxes Ehrenamt

Das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern. Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust. (Dtn 30,11-14).

Am 11. Oktober feiert unsere Kirche den Tag des Ehrenamts. Manch eine und manch einer macht sich dabei vielleicht Gedanken über die Antriebskraft eines solchen Amts. Wie kommt es zum Ehrenamt? Was für Interessen stehen dahinter, was ist das Ziel ehrenamtlicher Tätigkeit? Tatsache ist, dass in der Kirche viel solcher Arbeit geleistet wird, dass es für die Kirche von zentraler Wichtigkeit ist, ja, dass sie ohne Ehrenamt nicht bestehen könnte. Dabei muss man nicht nur an die gewählten Kuratoren und Presbyter denken, oder an die Mitglieder aller anderen regionalen, nationalen oder sogar internationalen Körperschaften, sondern dasselbe gilt auch für alle, die im Stillen etwas für die Gemeinschaft der Heiligen oder die Ausbreitung der Königsherrschaft Gottes beitragen. Das können Hausbesuche, Handreichungen bei Reparaturarbeiten oder das Herrichten von Blumenschmuck am Altar sein, um nur einige Beispiele zu nennen. Das sind zum großen Teil ganz einfache Dinge, und doch ist es keine leichte Aufgabe, Menschen zu finden und zu motivieren, die solches zu tun bereit sind.

Der Bibeltext, der für Sonntag vorgesehen ist, spricht von solchen Aktivitäten als einem Gebot. Dabei wird der Gedanke des Gebotenen noch dadurch betont, dass von einem göttlich gebotenen Gebot die Rede ist, einem im Deutschen eher nicht wohlklingenden Ausdruck, der aus dem Hebräischen übernommen ist und dort die Intensität des Gesagten verstärkt. Da stellt sich die Frage, wie es ein intensives Gebot geben kann für etwas, was freiwillig ist, denn ehrenamtliche Tätigkeit kann nun einmal nicht erzwungen werden. Umso verblüffender ist die Antwort: Das göttlich gebotene Gebot kommt gar nicht von dort, wo Menschen Gott vermuten, sondern aus dem inneren des Menschen heraus. Göttliches Gebot bedeutet folgerichtig nicht etwas, was als äußerer Zwang empfunden werden sollte. 

Gott gebietet auch nicht etwas, was den Menschen in die Knie zwingt – obwohl auch das denkbar wäre –, sondern das Gebot Gottes mobilisiert die inneren Kräfte des Gläubigen. Das Gebot kommt nicht von oben, auch nicht aus weiter Ferne, es kommt nicht vom Himmel oder von jenseits des Meeres – so betont der biblische Text –, sondern es ist ganz nahe beim Menschen, ja kommt sogar aus dem Menschen wie von innen heraus: Es äußert sich durch den Mund und aus dem Herzen heraus.

 Ja, das Verkünden guter Botschaft und eine gute Tat, die aus dem Herzen kommt, sind Tätigkeiten, die aus dem Gebot Gottes heraus geschehen und dieses erfüllen. Und das ist ehrenamtliche Tätigkeit, so paradox das auch klingt: In Freiheit geborener Beitrag zur Ehre Gottes und doch göttlich gebotenes Gebot. Gott wirkt also auf ganz subtile Weise, so dass der Mensch gar nicht merkt, dass er das Gebot Gottes erfüllt, so dass der Mensch am Ende selbst über sich erstaunt ist, was er getan hat. 

Ganz im Sinne Jesu, der im Matthäusevangelium über die Gerechten spricht, dass sie sich gar nicht Rechenschaft geben, wo sie Jesus treffen und für ihn Gutes tun (Mt 25,37-40): Aus innerem Antrieb heraus und doch in Erfüllung des göttlichen Gebots. Das Gebot des Allmächtigen schenke uns auch in Zukunft in aller Freiheit sein Gebot und durch dieses die Fülle ehrenamtlicher Tätigkeit, damit die Gemeinschaft der Heiligen wachse, bis die Königsherrschaft Gottes anbricht.