Wort zum Sonntag: Stationen  auf dem Weg  zur Seligkeit

In rascher Folge führt uns das Kirchenjahr von der Geburt Jesu über sein Leiden und Sterben zu seiner Auferstehung, von da zur Himmelfahrt und hin zur Ausgießung des heiligen Geistes. Mit Eifer schlagen Christen bei jeder dieser Stationen ihr Lager auf, so als seien sie am Ziel ihrer geistlichen Wallfahrt angelangt. Und tatsächlich bleiben bei jedem dieser göttlichen Gnadenorte Brüder und Schwestern hängen, weil sich ihnen genau dort der tiefste Einblick in die heilsamen Geheimnisse eröffnet, weil sie von dort aus ihr Leben am leichtesten dem Willen Gottes unterordnen können. Doch Jesus lehrt, dass wir die Lager verlassen und auf dem Weg bleiben müssen, um von dem heiligen Geist in alle Wahrheit geleitet zu werden.

Das Evangelium des Sonntags vor Pfingsten, Exaudi, Johannes 15, 5-15, ist Teil einer Rede des Meisters vor seinen Jüngern, die ihm sprachlos zuhören, weil sie nicht begreifen, worum es geht. Noch nicht begreifen, denn später wird der heilige Geist ihnen das Verständnis dafür öffen. Jesus hält, wie so oft, wenn er von himmlischen Dingen spricht, die ins Irdische hineinragen, einen Monolog, der auf Spätwirkung angelegt ist. Er bemüht sich nicht, die Jünger dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden, sondern das Unbegreifliche stellt er einfach vor sie hin als Rätsel zum Mitnehmen auf den Lebensweg. Später hatten sie dann viele Aha-Erlebnisse, so wie jeder unterwiesene Christ bis heute sie auch haben sollte.

Die Botschaft Christi ist nicht die Tagesschau, wo jeder sofort weiss, wovon gesprochen wird, sondern sie bringt uns Informationen zu Vorgängen, von denen kein Mensch von Natur oder Vernunft aus eine Ahnung hat. Es ist das Anliegen des Geistes Gottes, der auch Tröster genannt wird, den Menschen zur gegebenen Zeit die Augen zu öffnen für die Erkenntnis der Wahrheit der Worte Jesu. Deshalb sollte kein Verkündiger des Evangeliums sich scheuen, seinen Hörern textgetreue Unveständlichkeiten zuzumuten, denn das Wort Gottes leuchtet nicht sofort auf, wie ein abgeschossener Feuerwerkskörper, sondern es ist ein Same, der Zeit zum Keimen braucht. Und guten Boden braucht er auch, das heisst feine, geduldige Herzen.

Wäre die Lehre Jesu so einfach, dass wir sie auf Anhieb verstünden, dann wäre sie so einfach, dass wir sie nicht bräuchten. Es ist deshalb der Erlösung und auch der Mission abträglich, zu versuchen, ein zeitgemäßes Evangelium zu predigen. Was den Menschen wirklich weiterhilft, ist Einblick in die Ewigkeit und nicht die Deutung der Zeit. Hierfür sind Jesus und seine Jünger immerwährende Vorbilder: Er als Meister, der mit seinen Lehren sowohl Staunen als auch Spott hervorruft, der Polarisierung zu seinem Programm macht, und die Jünger, die bei ihm ausharren, weil er Worte des ewigen Lebens hat. Das ist der einzige Weg des Fortkommens: wenn der Lehrer unbeirrt bei seiner Lehre bleibt und die Schüler ihm gehorsam nachfolgen. 

Der Weg zur Seligkeit ist zwar übersät mit Hindernissen und Entsagungen, aber auch gesäumt mit Erkenntnissen und Erfüllungen, so dass dem Pilger seine Strapazen schon bald überreich vergolten sind und er von einem Quell der Freude zum anderen eilt. Er könnte meinen, im Aufwind des heiligen Geistes zu fliegen, wäre da nicht weiterhin die Schwere des schwachen Fleisches, die zur Demut nötigt. Und doch erlebt er wunderbare Befreiungen, sobald er das Lagerleben aufgibt und sich vom Geist von Station zu Station leiten lässt: da ist nicht mehr Alt oder Jung, Sachse oder Rumäne, Mann oder Frau, kein Unterschied in den Tagen, keiner mehr in den Speisen, alle sind durch Christus geheiligt, alle sind eins im heiligen Geist. Amen.