Jenen Menschen, die sich selbstständig und bewusst für den christlichen Glauben entscheiden, wird das Osterfest gerne als passender Termin für die Taufe nahegelegt. Und seit alters her ist es dann auch ein Brauch der Kirche, dass die frisch Getauften eine Woche später noch ihre weißen Taufkleider tragen; so hört dieser Sonntag auf den bezaubernden Namen „Quasimodogeniti“, das heißt: „Wie die Neugeborenen“.
Eine solche Tradition hat theologischen Rückhalt. Ihre Tiefgründigkeit betrifft dabei nicht nur die Täuflinge, sondern jeden Christen, der Ostern gefeiert hat, und lässt somit auch uns fragen: Was hat Bestand von unseren Feiertagserlebnissen, unseren Festlaunen, unseren Osterfreuden?
„Legt also alle Bosheit ab, alle Falschheit und Heuchelei, allen Neid und alle Verleumdung!Verlangt wie neugeborene Kinder nach der unverfälschten, geistigen Milch, damit ihr durch sie heranwachst und Rettung erlangt!“ (1. Petrusbrief 2,1-2)
Neugeborene Kinder zeichnen sich meiner Erfahrung nach vor allem dadurch aus, dass sie leicht zufriedenzustellen sind. Später reichen dann Muttermilch, Wärme und Nähe nicht mehr dazu aus; überhaupt gibt es ab einem gewissen Alter kaum noch zuverlässige Mittel dafür, weil sich nämlich nicht das Bedürfnis, sondern die Empfindung zum Maßstab entwickelt und der Herangewachsene lieber seine Emotion des Unzufriedenseins ausleben als nur die Ursache behoben wissen will.
Andererseits sind Neugeborene insbesondere auf Hilfe angewiesen, von ihr abhängig und somit weit entfernt von jeglicher Art der Entscheidungsmöglichkeit. Ein drittes wäre, dass sie nichts nachtragen, nichts beanstanden und durch nicht enttäuscht werden können, weil sie keinerlei Erwartungen haben: Alles was sie zum Beispiel sehen, hören oder spüren, muss ihnen als ein Wunder erscheinen, kurz nachdem sie aus der dunklen Enge geschlüpft sind. Und einem Menschen, der frei von Erwartungen ist, ist ja Lebensfreude fast garantiert.
Das Osterfest bringt Jahr für Jahr diese Zufriedenheit in die Kreisläufe eines Gläubigen: zu wissen, dass man befreit ist von den Begrenzungen und Ängstigungen des Lebens, abzulassen von stimmungstötenden Befindlichkeiten, aber auch gesunde Abhängigkeit zu genießen und Überraschungen und Wunder wertzuschätzen.
Es wird schon einige Feiertage gebraucht haben, um solche Dinge zu reflektieren. Und nun – bei der Rückkehr in den Alltag, dem Anlegen der Arbeitskleidung statt der (oder besser über die) „weißen Gewänder“ – was bleibt davon, was wirkt weiter?
Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir, die wir Christen sein wollen, unter der Last der Erwartungen, die die Welt an uns stellt, ersticken. Es könnten ja strapaziöse, gar hämische Erwartungen sein, es können aber auch nur neugierige oder zweifelnde Erwartungen sein, die wir da vermuten und spüren.
Nicht selten spiegeln diese Befürchtungen vor allem unsere eigenen Erwartungen: Wir antworten auf den hierzulande für die Osterzeit üblichen Gruß „Der Herr ist auferstanden“ schon nach wenigen Tagen nur noch halbmundig das „wahrhaftig“, obwohl er nach alter Gewohnheit mehrere Wochen gültig wäre – wahrscheinlich, weil wir irgendwo in uns drin meinen und befürchten, wir müssten das, was wir aussprechen, auch beweisen können; wir müssten uns auch damit rühmen können, dass wir den Auferstandenen physisch gesehen und mit unseren Händen seine Wundmale befühlt haben, wir müssten erklären können.
Wie sind Neugeborene? Sie vertrauen ohne erklären zu können. Der einzige Beweis, den sie vorbringen, ist ihre Abhängigkeit: Sie sind darauf angewiesen, dass man ihnen hilft, dass ein anderer ihre Bedürfnisse kennt und auf die ein oder andere Art auch erfüllt. Diese Abhhängigkeit/Bedürftigkeit macht sie so einzigartig und liebenswert.
Wollen wir uns dem bezaubernden Angebot des „Quasimodogeniti“ hingeben? Es wäre eine Entscheidung, die uns viele weitere abnimmt!