Wort zum Sonntag: Was tut die Kirche?

„Was tut die Kirche?“ fragt mich mein Frisör immer wieder, wenn ich bei ihm zum Haareschneiden sitze. „Was tut ihr in der Kirche konkret in dieser Zeit? Was macht ihr, damit sich Kinder entwickeln können, wie wirkt ihr in die Gesellschaft hinein? Ich will es sehen.“ Das sagt einer, der sich auf sein Handwerk versteht, bei dem man das Vorher und Nachher gut am Haarschnitt erkennen kann. So gut, dass vor einigen Jahren, als ich noch in Berlin lebte, eine Kollegin nach dem Urlaub fragte, ob ich wieder in Hermannstadt bei jenem Frisör gewesen sei, sein Haarschnitt sei eindeutig erkennbar. 

Woran aber ist das, was Christinnen und Christen tun, erkennbar? An welchen Früchten, an welchen Ergebnissen – was kommt heraus bei allen Gottesdiensten, bei allem Reden, Singen und Organisieren? Was kommt heraus in den alltäglichen Begegnungen und in dem, was man tut oder lässt, in dem, was einem wichtig ist?

Am zweiten Sonntag im Advent, gleich zum Anfang des neuen Kirchenjahres, begehen die Gemeinden der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien den Landeskirchlichen Bußtag. Vor über 100 Jahren wurde dieser Bußtag eingeführt, im Jahr 1919, ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg und nach der Vereinigung Rumäniens, deren Datum zum Nationalfeiertag geworden ist, der am 1. Dezember gefeiert wird. Auch das kann ein Tag sein, um zu sehen, wo unser Land steht und was jeder und jede tun kann, dass es sich gut entwickelt. 
Der Text für Sonntag, den wir nach dem Nationalfeiertag und in diesem Jahr vielerorts in städtischer Quarantäne hören, steht beim Evangelisten Matthäus im 7. Kapitel (Verse 12 bis 20):

Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.

Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind’s, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!

Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man denn Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln? So bringt jeder gute Baum gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt schlechte Früchte.

Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Darum, an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

Unmissverständliche Worte, messerscharf. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Die Bäume und die Menschen, dich und mich. Vor Jesus hat Johannes der Täufer das schon ähnlich gesagt: Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße (…) jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. (Matthäus 3, 8.10) Während ich sonst den Advent eher mit Maria und Elisabeth, den schwangeren Müttern von Jesus und Johannes, verbinde, sind es hier die erwachsenen Männer Jesus und Johannes, die deutlich daran erinnern, dass ich Gutes oder Schlechtes wirken kann. 

Von der Gnade Gottes, von Gottes Begleitung im Leben, von Gottes Wirken ist hier wenig zu lesen. Dafür umso eindrücklicher: Ihr habt eine Verantwortung, ihr habt einen Spielraum der Freiheit. Ihr seid Handwerker des Lebens und könnt gute Früchte bringen. Ihr könnt beitragen zur Entwicklung der Kinder, der Gesellschaft, zum Blühen eures Ortes, eures Landes. Es soll auch nicht jeder Baum alle Früchte bringen, aber seine, die sollen es sein. An der Frucht erkennt man den Baum. Es ist zu sehen, was über die Jahre wächst oder eben verkümmert. Und ich kann darauf achten, was wachsen soll und was gepflegt werden will – innerlich und äußerlich, auch in dieser Zeit der Pandemie, die so viel beschneidet. Dieser Stopp, dieses Zuhausesitzen ist auch eine Zeit, um zu sehen, was gewachsen ist, was auch verkümmert ist, was wieder aufgenommen werden kann oder abgeschnitten werden sollte, weil es dem Leben und der Entwicklung nicht dient.