Zu Besuch bei Bischöfen und dem Großmufti

Ökumenische Reise in den Südosten Rumäniens

Für Gäste aus dem deutschsprachigen Raum ist vor allem Siebenbürgen mit Kirchenburgen wie Birthälm oder Tartlau und den Städten Hermannstadt, Kronstadt und Schäßburg ein beliebtes Reiseziel. Doch Rumänien hat für Kulturfreunde weit mehr zu bieten als die siebenbürgischen „Klassiker“: Auch der Südosten zwischen Bukarest und dem Schwarzen Meer lockt mit reizvollen Zielen, selbst in der heißen Sommerzeit. Der frühere Leiter der Evangelischen Akademie Siebenbürgen, Pfarrer Dr. Jürgen Henkel, führte jüngst mit seiner Kirchengemeinde Selb-Erkersreuth (Fichtelgebirge/Bayern) eine ökumenische Studienreise in den Südosten Rumäniens durch. Er übermittelte uns die Rumänienimpressionen seiner Gruppe.

Eine Rumänienreise ist immer ein Erlebnis, manchmal sogar ein Abenteuer, vor allem für Deutsche, die noch nie in Rumänien waren. Nach dem großen Erfolg der Tour nach Siebenbürgen im Jahr 2011 hat die evangelische Kirchengemeinde Selb-Erkersreuth auch in diesem Jahr wieder eine Rumänienreise angeboten. Rund 25 reiselustige Teilnehmer aus dem Fichtelgebirge und Regensburg machten sich auf den Weg, dieses Mal allerdings in eine ganz andere Welt: nach Bukarest, Konstanza und ins Donaudelta.

Gewöhnungsbedürftig war gleich zu Beginn die Wetterlage in Bukarest mit bis zu 44 Grad. Gestartet war man zu Hause bei 14 Grad. Das ist natürlich für Reisende aus dem Fichtelgebirge – der kältesten Gegend Bayerns – ein Erlebnis der besonderen Art. Zum Reiseauftakt gab es in Bukarest die heißesten Temperaturen seit über 50 Jahren. Doch mit ausreichend Wasser bewaffnet, einem klimatisierten Bus und viel guter Laune trotzten die Reisenden der Hitze.

Gleich zu Beginn gab es einige Höhepunkte der Reise: etwa die Führung durch den Parlamentspalast, die gewaltige „Casa Poporului“ des früheren Staatschefs Nicolae Ceauşescu, sowie die Begegnung und eine Abendandacht mit der evangelischen deutschen Gemeinde von Bukarest und den beiden Pfarrern, Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli und Andrei Pinte, bei der auch einige Mitglieder des Presbyteriums zugegen waren. Der Bischofsvikar nahm sich auch die Zeit, die Gruppe durch Bukarest zu führen. Der Prachtbau Ceauşescus ist nach dem Pentagon in den USA das zweitgrößte Gebäude der Welt, für Touristen eine noch viel zu wenig vermarktete Attraktion mit märchenhaften Räumen und tollen Ausblicken auf die Stadt. 

Am zweiten Tag stand ein Besuch der katholischen Kathedrale St. Joseph auf dem Programm. Das Gotteshaus ist derzeit die größte Kirche in Bukarest. Der Ceauşescu-Palast steht auf freiem Raum und stört wenigstens niemand. Anders der Bürokomplex neben der katholischen Kathedrale: Massiv überdimensioniert und illegal zu nah an die Kathedrale gebaut, stört er nicht nur das Stadtbild, sondern stellt beim nächsten großen Erdbeben eine existenzielle Gefahr für die Kathedrale dar. Solche Bausünden des Kapitalismus werden freilich hingenommen, außer in der Kirche regt sich kaum Widerstand. 

Weihbischof Cornel Damian empfing die Gruppe und informierte über das Gemeindeleben der Erzdiözese Bukarest und der rund zwei Millionen Katholiken in Rumänien. Erfreut berichtete er von vielen Berufungen zum Priesteramt. Priestermangel stellt in Rumänien kein Problem dar, die Kirche erlebt derzeit wie die orthodoxe Kirche auch eine Blüte. In der Kathedrale von Bukarest finden sonntags sieben Messen statt. So viele deshalb, um der Masse an Gottesdienstbesuchern Herr zu werden. Für die Besucher aus Deutschland eine interessante Kontrasterfahrung zur heimischen Kirchenlandschaft.

Die Nonne Anastasia vom orthodoxen Stavropoleos-Kloster mitten im Zentrum der quirligen Hauptstadt konnte das große Interesse der Menschen am christlichen Glauben nur bestätigen, selbst in der Millionenstadt Bukarest. Sie zeigt nicht nur ihr Kloster, das aus dem Jahr 1724 stammt und barocke und orientalische Baustile verbindet, sondern auch Schätze aus der Klosterbibliothek.

Selbstverständlich gehörten auch ein Besuch der Patriarchalkathedrale, des Athenäums und des Dorfmuseums sowie im Hard-Rock-Café zum Programm, von den köstlichen Menüs etwa im „Caru cu bere“ ganz zu schweigen. Die Gäste aus Deutschland bewunderten die schönen Biergärten mit Livemusik und die vielen Grünanlagen und Parks in der Hauptstadt, auch den Palast von Mogoşoaia. 

Nach der Überlandfahrt zur Donau wird das Mittagessen im Restaurant „Columna“ in Călăraşi zu einem unerwarteten kulinarischen Höhepunkt der Fahrt: Mitten in der Pampa südöstlich von Bukarest winken in diesem schönen Terrassenrestaurant nicht nur köstlich zubereiteter Wels vom Grill und Cordon Bleu, sondern auch hausgemachte Desserts, eines besser als das andere und freundlicher Service – ein echter Geheimtipp! 

Große Augen und viele Fotos machten die deutschen Gäste dann an der Fähre nach Ostrov. Hemmungslos vordrängelnde Russen und Bulgaren mit deutschen Luxuslimousinen, mit Gummiknüppeln bewaffnete Security an der Fähre und dazwischen friedlich grasende Pferde – in Rumänien geht es doch noch anders zu als in deutschen Gefilden.

Konstanza präsentierte sich in der Altstadt und am Strand unerwartet schmutzig, verfallen und ungepflegt. Wer saubere Strände sucht, muss schon nach Mamaia fahren. Das Kulturprogramm indes gefällt den Gästen: das Aquarium mit seltenen Fischen, die Hafenpromenade, die orthodoxe Kathedrale, das Archäologische Museum, das Marinemuseum und eine Hafenrundfahrt. Zu besonderen Höhepunkten der gesamten Reise werden die Besuche bei Erzbischof Teodosie von Tomis und Grußmufti Yussuf Muurat, dem Oberhaupt der Muslime in Rumänien.

Ruhig und weitgehend unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit leben in Rumänien rund 65.000 Muslime in über 60 Gemeinden, vor allem in der Dobrudscha. Die Kultusgemeinschaft ist beispielhaft in die rumänische Gesellschaft integriert. Nach dem heißen Reiseauftakt mit Hitzerekorden, der spannenden Donauüberquerung, dem Besuch von Adamclisi und der berühmten Klöster Dervent und St. Andreas stand nun die Begegnung mit der muslimischen Kultur in Rumänien auf dem Programm. Für Deutsche angesichts der Probleme mit der Integration der Muslime in Deutschland besonders spannend.

Die Muslime leben seit 1263 in der Region, allein in Konstanza gibt es fünf Moscheen. Die größte ist die Moschee „Regele Carol“, gestiftet 1910 von dem deutschstämmigen König Karl I. „Wir sind eine anerkannte Religion als Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Wir haben wesentlich mehr Rechte als etwa die Muslime in Bulgarien“, machte Erzmufti Muurat deutlich. Über all die Jahrhunderte habe es nie Probleme im interethnischen und interreligiösen Zusammenleben mit den Christen in Rumänien gegeben, die rund 96 Prozent der Bevölkerung ausmachen. „Unser Zusammenleben in Rumänien ist beispielhaft und ein Modell für das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Europa und der ganzen Welt“, hielt Muurat fest.

Der Islam präsentiert sich in Rumänien als moderat. „Wir respektieren alle anderen Religionen und Gläubigen sowie deren heilige Stätten. Die Nächstenliebe und der Respekt vor dem Leben sind für uns grundlegend. Alle anderen Interpretationen des Islam sind Traditionen, die auf Interpretationen beruhen“, so der Erzmufti im Gespräch mit den Teilnehmern der Erkersreuther Sommerreise. So lehnen die Muslime, die in Rumänien zu den Sunniten zählen, die Verschleierung der Frauen ab, Mädchen und Frauen besuchen gleichberechtigt mit den Jungen und Männern Schulen und Universitäten. Mischehen mit Nicht-Muslimen stellen kein Problem dar.

Zur gelungenen Integration der Muslime in Rumänien zählt auch die Zweisprachigkeit. Alle Muslime sprechen auch die Landessprache Rumänisch und verstehen sich nicht als Zugewanderte, sie sind seit Jahrhunderten ansässige Mitbürger. Der Großmufti und seine Gläubigen freuen sich über die starke Unterstützung des Staates für die anerkannten Religionsgemeinschaften, zu denen die Muslimische Kultusgemeinschaft zählt. „Die Förderung durch den Staat ist sehr wichtig für uns. Arabische Stiftungen warten nur darauf, muslimische Gemeinden zu finanzieren und Einfluss darauf zu nehmen. Das wollen wir aber nicht.“

Schwermütig denken die Reisenden aus dem Fichtelgebirge beim Badetag an die heimischen Temperaturen von vier Grad morgens in Marktredwitz, wenn das Schwarze Meer in Konstanza mit 27 Grad Wassertemperatur lockt. Eine echte Enttäuschung stellt indes ausgerechnet das an der Strandpromenade neben dem Casino exponierte Restaurant „Vraja mării“ dar. Hier ist von einem Besuch dringend abzuraten: Angesichts des Preises schon unverschämte Miniportionen bei allen drei Gängen, eine unausgeschlafene Kellnerin und ein verbrannter, schlecht portionierter Fisch laden nicht zur Wiederkehr ein. 

Ein besonderes Erlebnis wird der Besuch der größten Weinkellerei Rumäniens in Murfatlar. Eine Führung und eine Weinprobe mit Essen in dem weltweit renommierten Weingut sollten bei einer Gruppenreise nicht fehlen. Die Reiseteilnehmer haben die Gelegenheit, die verschiedenen Sorten der Kellerei kennenzulernen. Weinprobe und Führung durch die Kellerei machen den Gästen aus dem Fichtelgebirge viel Spaß. Die Kellerei ist Marktführer mit einem Marktanteil von rund 45 Prozent der in Rumänien verkauften Weine. Der Weinhandel ist indes keine Erfindung der Neuzeit in der Region: Schon die alten Griechen und Römer handelten mit Wein, wie alte Amphoren im Weinmuseum der Kellerei zeigen.

In der Hafenstadt Konstanza – dem antiken Tomis – am Schwarzen Meer ließ es sich der orthodoxe Erzbischof Teodosie nicht nehmen, die Gruppe nach einer feierlichen Abendandacht mit beeindruckenden ostkirchlichen Gesängen zum Abendessen im Erzbischöflichen Palais einzuladen. Dort gab es auch ein Wiedersehen mit dem Priesterchor „Cuvânt bun“ aus dem Erzbistum, der kürzlich ein umjubeltes Konzert in Selb gegeben hat.

Besonders beeindruckend war in Konstanza die Begegnung mit der evangelischen deutschen Kirchengemeinde. Die Gäste feierten mit der Gemeinde am Sonntag einen Gottesdienst. Rund 25 Gemeindeglieder leben noch hier. Sie berichten beim Kirchenkaffee von ihrem Gemeindeleben und dem Alltag.

Die Minderheit der Dobrudschadeutschen ist in Deutschland fast in Vergessenheit geraten. Dabei gab es ab dem 19. Jahrhundert in der Region ganze Dörfer, die von Deutschen besiedelt wurden. Die Gäste aus Selb konnten viel erfahren über die Lebensbedingungen der Deutschen in der Dobrudscha. Neben der antiken Römersiedlung in Histria, die deutlich professioneller präsentiert und ausgeschildert werden muss als derzeit, besuchte die Gruppe auch frühere deutsche Kirchen in Tariverde und Cogealac.

Zum Abschluss ging es drei Tage ins Donaudelta. Das 3-Sterne-Hotel „Delta“ in der Hafenstadt Tulcea erwies sich als exzellente Wahl. Das Donaudelta ist eines der letzten Naturparadiese Europas, ein Eldorado für Vogelliebhaber und Naturfreunde. Die reisefreudige Gruppe aus dem Fichtelgebirge machte sich auf zwei beeindruckende Touren, eine davon auf einem nur für die Gruppe eigens gecharterten Schiff. Selbstverständlich waren neben vielen Reihern und weiteren Vogelarten auch einige Pelikane zu beobachten. Zur Freude der Gruppe präsentierte sich das Donaudelta an diesen Tagen mit angenehmen Temperaturen und „stechmückenfrei“.

Zunächst ging es über verschlungene Seitenkanäle an mehreren Seen und Lagunen entlang etwa 100 Kilometer weit zur Hafenstadt Sulina, wo ein Hauptkanal der Donau ins Schwarze Meer mündet. Die Stadt mit ihren etwas über 5000 Einwohnern hat außer Polizei- und Rettungsdienstfahrzeugen fast keine Autos und ist selbst nur per Schiff erreichbar. Pizzerien und Biergärten haben freilich schon Einzug gehalten. Eine zweite Tour führte durch andere Kanäle nördlich nahe an die Grenze zur Ukraine. Rumänien hat längst die wirtschaftliche Bedeutung des Naturtourismus erkannt. Die artenreiche Naturlandschaft des Donaudeltas, das zum Weltnaturerbe zählt, ist noch unberührt und wird hoffentlich nie wirtschaftlichen Interessen geopfert.

Am letzten Abend gab es einen Besuch beim orthodoxen Bischof Visarion von Tulcea. Er betreut 130 Gemeinden im Kreis Tulcea und im Donaudelta. Anders als die Pfarrer im Fichtelgebirge erreicht der Bischof etliche Gemeindeglieder und Kirchen aber nicht mit dem Auto oder gar zu Fuß, sondern nur mit dem Wasserflugzeug oder einem Boot. Die Gäste aus dem Fichtelgebirge durften sich ins Goldene Buch des Bistums eintragen.

Nach elf ereignisreichen, spannenden, fröhlichen und auch heißen Tagen wie zum Auftakt in Bukarest endete die ökumenische Sommerreise der Kirchengemeinde Selb-Erkersreuth. Das Echo der Reiseteilnehmer war überwältigend positiv. Die meisten wollen nächstes Jahr wieder mit von der Partie sein. Dann wird es die „klassische“ Siebenbürgen-Tour und eine weitere Reise in die Maramuresch und zu den Moldauklöstern geben.