Zu uns „hui“, von uns „pfui“!

Politischer Opportunismus wird vor den Wahlen groß geschrieben

Was ist für einen Großteil der rumänischen Politiker angemessen? Zurzeit eine günstige Gelegenheit aufzuspüren, den bis dato (nicht unbedingt) eigenen Glauben zum Vorteil einer anderen (unbedingt) chancenreicheren Meinung zu ändern und von der einen Partei in die andere zu wechseln, ohne Rücksicht zu nehmen auf Ideologie, moralische Haltung, Loyalität oder eventuelle Konsequenzen. Die kurzfristige Zweckmäßigkeit verdrängt die Grundsatztreue, allein der persönliche Wahlsieg zählt.

Seit vielen Jahren berichtet die Öffentlichkeit immer wieder von politischen Umsteigern, welche die politische Szene hierzulande kolorieren. Sehen konservative oder liberale Opportunisten bessere Möglichkeiten, ihr „Potenzial“ anderweitig zu verbessern, so steigen sie um. Zur maßlosen Verwunderung ihrer Ex-Kollegen, die empört Verrat, Opportunismus, Karrierismus, Prinzipienlosigkeit etc. anprangern. Dasselbe gilt natürlich auch umgekehrt für die sozialistischen Machtliebhaber. So scheint dieser Tage manch tapfere PDL-Vertreter nichts davon abzuhalten, nach ihrem Glück aus dem Boot der Opposition zu angeln. Es ist immer das Gleiche. Neu ist nur der Chor, der die Partitur „von ihnen zu uns hui, von uns zu anderen pfui“ interpretiert.

Wer könnte als aktuelles Musterbeispiel, als Opportunist des Tages, gelten? Sorin Frunzăverde, bis unlängst Vizepräsident der regierenden Liberaldemokraten und Spitzen-Lokalpolitiker, der aus seiner Partei austrat, um seitens der Nationalliberalen im Rahmen des oppositionellen Bündnisses USL für die Wiederwahl als Kreisratsvorsitzender in Karasch-Severin zu kandidieren? Cristian Popescu „Piedone“, der amtierende Bürgermeister des vierten Bukarester Bezirks, der vorige Woche noch für die mitregierende Union für den Fortschritt Rumäniens (UNPR) antreten wollte, von Elena Udrea zum Wahlkampfleiter der in Bukarest inzwischen auch aufgelösten Partnerschaft PDL–UNPR ernannt wurde und dann über Nacht zu den Sozialisten überlief? Der PDL-Bürgermeister von Slatina, Darius Vâlcov? Vasile Pruteanu, der ehemalige Vorsitzende des Kreisrats Neamţ? Die zig Bürgermeister, die ihren lokalen Spitzenkandidaten folgten?

Natürlich brodelt es in der Gerüchteküche. Es wird spekuliert, es wird phantasiert. Ob jetzt Sorin Frunzăverde unzufrieden war (oder nicht) mit der Nominierung von Mihai Răzvan Ungureanu zum Premierminister, ob sein Schachzug einen Versuch darstellt (oder nicht), sich von der Angst vor der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft zu befreien, ob er daran denkt (oder nicht), die lang ersehnte Vereinigung der Rechten von der liberalen Seite her anzukurbeln, ob Darius Vâlcov und Cristian Popescu allein an ihre angefangenen und unterfinanzierten Projekte denken (oder nicht), ist für uns, die vielen außerhalb des Bretts, unwichtig. So genau werden wir es wahrscheinlich auch nie erfahren. Eins wissen wir aber sicher, und das ist die Tatsache, dass sich viele der politischen Spieler hierzulande keinesfalls trennen wollen von der Macht und deren Vorteilen aller Art. 

Zurzeit ist die PDL diejenige Partei, die mit einem Fiasko zu rechnen hat. Der Exodus in Richtung PNL ist groß, ich denke, dramatischer und dementsprechend folgenreicher als erwartet. Was passiert beispielsweise mit dem vereinbarten Algorithmus im USL, wenn die Nationalliberalen bei den Lokalwahlen dadurch viel mehr Sitze gewinnen als gedacht? Was wenn vor den Parlamentswahlen neue Koalitionen entstehen, wenn sich alte Gebilde neu erfinden und/oder definieren?
Wir erleben ein spannendes Wahljahr, in dem anscheinend keine Mittel gescheut werden, um ans Ziel zu kommen. Das wussten wir, Originalität und Einfallsreichtum der rumänischen Politik überraschen uns aber immer wieder.