Zugebissen: Die Annullierung der Annullierung der Annullierung

Wer sich dem schwierigen Unterfangen stellen möchte, Rumänien verstehen zu wollen, hat zwei Vorgehensweisen zu Verfügung. Entweder nimmt er Gregor von Rezzoris „Maghrebinische Geschichten“ zur Hand, denn die ganzen Karakriminalowitschs, Siktirbeys und Kantakukuruz sind zeitlose politische Gestalten der rumänischen Geschichte, Gegenwart und wahrscheinlich auch der Zukunft oder aber verfolgt er im Liveticker die Nachrichten mit einem Schnapskrug in der Hand. Dabei wird man feststellen, dass nur mit einem vernebelten Hirn ein Sinn dem alltäglichen Tohuwabohu zu entnehmen ist.  

Nach Absurdistan versetzt fühlte sich Ende vergangener Woche jeder, der einen minimalen Hang zur Logik hat, denn während sich in Rom die Welt von Papst Franziskus verabschiedete, wurde mittels eines Richterspruchs die dako-römische Narretei auf ein neues Niveau gehoben.

Eine während der Rente zur Tik-Tok-Influencerin mutierte Richterin hat ein Formular erstellt und alle Interessierten ermutigt, mittels desselben bei allen rumänischen Appellationsgerichten Klagen zur Aufhebung des Beschlusses des Verfassungsgerichts zur Annullierung der Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr einzureichen. Und eine ganze Schar Rumänienretter folgte ihr. Landesweit wurden etwa 130 Klagen eingereicht. 50 wurden zurückgewiesen, andere bekamen Gerichtstermine, wurden aber noch nicht behandelt und wiederum andere warteten auf einen Termin.

Beim Appellationsgericht Ploie{ti wurde zeitgleich in zwei unterschiedlichen Gerichtsverfahren über die Sache beschlossen. Im Verfahren Nummer 300/42/2025 beschließen die Richter, dass es nicht Aufgabe eines Gerichts sei, über einen Beschluss des Verfassungsgerichts zu urteilen. Im Verfahren Nummer 31/42/2025 beschließt zur gleichen Sache der Richter, dass die Annullierung der Wahlen aufgehoben wird. Dieses eine Woche vor der neuen ersten Runde der Präsidentschaftswahlen. Der Plan der Richterin mit Frühlingsblumennamen war aufgegangen. Sie hatte erklärt, dass es einen einzigen Richter braucht, der für die Klage stimmt, und Georgescu würde eine neue Chance bekommen, seinen Wohnsitz in den Cotroceni-Palast zu verlegen. Das souveränistische Lager tat auf allen Medienkanälen mittels Luftsprüngen seine Freude kund, während alle anderen zu verstehen versuchten, was ihnen geschehen war.

Überraschend schnell reagierte der Oberste Gerichtshof. Am nächsten Tag zu einem Kaffeekränzchen zusammengekommen, daran erinnert die eine Stunde, die sie für die Urteilsfällung gebraucht haben, wurde die in Ploie{ti beschlossene Aufhebung der Annullierung für ungültig erklärt. Also wurde die Annullierung der Annullierung der Annullierung dem Volk bekannt macht. Das gleiche souveränistische Lager blieb in der Luft hängen und beweinte das Ende der rumänischen Demokratie, welche nun endgültig von „dem System“ zu Grabe getragen wurde.

Ob in der ganzen absurden Geschichte mehr als eine gut durchdachte Wahlkampagne-Maßnahme zu verstehen ist, ist eher unwichtig, doch die an ein vom „System“ vereinnahmtes Großrumänien glaubende nationalistische Wählerschaft fühlt sich mit Sicherheit in ihrer politischen Option noch stärker bestätigt. Hoffentlich haben aber auch die anderen verstanden, wie der rumänische Rechtsstaat mit einem „goldenen“ Präsidenten an der Macht aussehen könnte.
Dass Simion die erste Wahlrunde gewinnen wird, scheint laut aller Umfragen eine gegeben Sache zu sein. Es gilt nun, dass die rumänische Wählerschaft mittels Wahlbeteiligung zeigt, wie sehr ihr die Zukunft des eigenen Landes am Herzen liegt. Das übliche vor dem Fernseher Sitzen, über „die Politik“ zu fluchen und darauf zu warten, dass die anderen endlich was machen, wird diesmal nicht ausreichen. Wie vielen dieses aber tatsächlich bewusst ist, wird sich während der Wahlen zeigen.