Zugebissen: Eieiei…

Regierungskrisen sind etwas Feines. Besonders wenn das Timing stimmt. Konnte man es am Morgen des 6. November schon nicht fassen, dass sich die Amerikaner erneut für einen den eigenen Penis verherrlichenden Orangenkopf entschieden hatten, kam es am Abend noch besser. Die deutsche Regierung h(a)mpelte erfolgreich durch den Abend, offenbar geflissentlich ignorierend, dass die derzeitige Situation Stabilität und kein überflüssiges Krisenmanagement erfordert. Energien werden freigesetzt, wenn man inhaltlich arbeitet. But hey, no big deal: „Fix it. Fix it. Fix it.“ Weiß man in Berlin, was in der Welt passiert? Sie wollten „löschen“, aber sie haben Feuer gelegt. „America First“ könnte jetzt bald wieder zum Programm werden: Denn die Amerikaner haben sich mit dieser Wahl hauptsächlich für das eigene wirtschaftliche Wohl entschieden.

Der Abend des 6. November schien den Koalitionspartnern offenbar der passende Moment zu sein, sich die Frage nach Kompatibilität und gemeinsamer Linie zu stellen. Schon seit einigen Tagen hatte man sich nicht mehr richtig einigen können, aber: War es ein Zufall oder die Panik, in die man angesichts der Ergebnisse der US-Wahl verfiel? Die Außenwirkung ist auch deswegen fatal, weil sich der Gedanke aufdrängt: Reagiert man nur, wenn quer über den Teich etwas passiert? Autonomes Handeln im Vorfeld, zumindest vordergründig, hätte wohl nicht allzu arg geschadet. Aber vielleicht wusste man in Berlin bis zur Auszählung der Stimmen noch nichts von der US-Wahl.

Jedenfalls wollte Christian Lindner was – und bekam es nicht. Das ist schlimm. Wir alle kennen das aus Kindertagen. Auch mit dem Fuß aufzustampfen hilft manchmal nicht. Hier aber scheint einer hoch gepokert zu haben. Vielleicht stellte er sich vor, es Otto Graf Lambsdorff gleichtun zu können, der am 9. September 1982 mit seinem Papier die Sozialliberale Koalition zerlegte. Damals hieß das Papier „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“. Auch hier standen marktliberale Reformen im Mittelpunkt, die die SPD nicht akzeptieren konnte. Hier aber einigte man sich zugunsten der Stabilität – FDP und CDU konnten damals eine Mehrheit bilden, was derzeit nicht der Fall ist und nach vorgezogenen Neuwahlen wohl auch nicht.

Auch Lindner hatte ein Papier dabei, das „Wirtschaftswende Deutschland – Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit“ heißt. Es wurde als Provokation aufgefasst, weil es Vorschläge mit Änderungen der wirtschaftspolitischen Ausrichtung umfasst, die von anderen Koalitionspartnern offenkundig nicht mitgetragen werden konnten. Daraufhin kam es zum Showdown. Am Abend entließ der Bundeskanzler den Finanzminister. Das Bündnis, das mit dem Slogan „Mehr Fortschritt“ angetreten ist, zerfällt gerade. Kurzum – Hauptsache Mann „eiert“: Und schon wieder drängt sich einem unfreiwillig das Bild des neuen (alten) amerikanischen Präsidenten auf.

Was sind jetzt die Möglichkeiten? Die SPD könnte mit der CDU eine neue Regierung bilden, was diese bereits abgelehnt hat. Auch eine Minderheitenregierung mit den Grünen wäre eine Möglichkeit – allerdings wird dann das Regieren ungemütlich, weil es immer die Unterstützung der Opposition braucht. Die dritte Möglichkeit: Neuwahlen.

Und wie reagieren die europäischen Partner? Viktor Orban jedenfalls freut sich über den Wahlsieg Trumps. Er war der erste europäische Staatschef, der gratulierte. Das innerdeutsche Gerangel hat bei vielen europäischen Partnern offenbar ein Gefühl zwischen Erleichterung und Besorgnis entfacht. Richtig wehmütig ist man angesichts des Ampel-Bruchs vermutlich nicht. Trotzdem ist man besorgt und hofft auf baldige Neuwahlen.

Wenn diese nicht zeitnah stattfinden, ist es im Januar soweit: Dann stellt Olaf die Vertrauensfrage. Vielleicht nicht ganz verkehrt, wenn man zuvor einen Bundeshaushalt beschließen und eine vorläufige Haushaltsführung verhindern will. Vermutlich steht der nächste Kanzler auch schon in den Startlöchern: Dann gibt’s vielleicht demnächst oder passend zum März ein M(a)erzchen. Wie die Situation in der Welt bis dahin aussieht, steht in den Sternen. Aber an den Eiern kann man noch basteln. Und bis Ostern ist ja schließlich auch noch etwas Zeit.