Zugebissen: Mitten ins Herz getroffen!


Ausgerechnet in der Nacht nach dem Tag der Vereinigung der rumänischen Fürstentümer (!) wurden im niederländischen Assen aus der Ausstellung „Dakien! Reich von Gold und Silber“ im Museum Drents gezielt vier Gegenstände hohen nationalen Wertes geraubt: der Goldhelm von Co]ofene{ti und drei dakische Spiralarmbänder. Man weiß, für solche Diebstähle gibt zwei mögliche Motive: Entweder soll das Gold möglichst schnell eingeschmolzen werden. Oder die Objekte wurden gezielt bestellt von irgendeinem Sammler-Milliardär, der sich aber niemals damit brüsten können wird. Da drängt sich mir plötzlich eine dritte Variante auf...

Beginnen wir zuerst mit der berühmten Frage: Cui bono? Fest steht, dass der Diebstahl nationalen Kulturerbes, einzigartig und identitätsstiftend, die Rumänen mitten ins Herz trifft! Der materielle Wert ist nicht zu beziffern, übertrifft er doch bei Weitem den Wert des Goldes, was Variante Eins als Motiv für den Diebstahl nahezu ausschließt. Es gibt effizientere Möglichkeiten, an rund ein Kilo Gold zu gelangen, als die Sprengung einer Museumsmauer. Die Täter sollen die Vitrine mit den vier Objekten blitzschnell gezielt angesteuert haben.

Zweite Frage: Warum würde man genau diese Objekte stehlen? Mir fiele auf die Schnelle kein besseres Target ein, um die rumänische Nation so tief in ihrer Seele zu verletzten, um sie aufzurütteln, anzustacheln, aufzuhetzen. Diesmal nicht nur die TikTok-Internauten...  Sondern auch jene, die sich erinnern, dass der Fund des Goldhelms und der Spiralarmbänder einst spöttische Stimmen, die die Existenz des sagenumwobenen Dakergoldes infrage stellten, zum Schweigen gebracht haben. Oder jene, die mit den Ermittlungen zur Rückführung der aus Sarmizegetusa systematisch entwendeten Dakerschätze (wofür der rumänische Staat auch noch sehr viel Geld dafür zahlen musste!) mitgefiebert haben.

Die Rumänen lieben ihre Daker. Deren Geschichte ist nicht nur wegen Ceaușescus Instrumentalisierung für seine Zwecke ein wunder Punkt in der Volksseele, viele sehen sie aus verschiedensten Gründen ständig angegriffen. Und nun - wieder ein Angriff, diesmal aus dem Westen! In dem EU-Land, das Rumänien lange den Schengen-Beitritt wegen unsicherer Grenzen verwehrte, kann ein rumänischer Schatz von allerhöchstem Wert nicht vor Raub bewahrt werden, ist längst über alle Grenzen...

Ein persönlicher Einschub: Vor etwa 20 Jahren kaufte ich in Spanien eine Ausgabe der Zeitschrift „National Geographic“, die der Goldhelm von Coțofenești als Titelbild zierte. Was ich damals noch nicht wissen konnte: Der Fotograf dieses Bildes, George Dumitriu,  sollte Jahre später mein Ehemann werden. Der jetzt mit Tränen in den Augen und Wut im Bauch neben mir sitzt. Der sich nur zu gut erinnert, den Museumsdirektor Ernest Oberländer Târnoveanu vor Wanderausstellungen mit hunderten Originalen aus allen Museen des Landes ins Ausland händeringend gewarnt zu haben. Als Antwort musste er einstecken: George, deine Ansichten sind überholt.

In seinem Schmerz – er hat den Goldhelm einst in seinen Händen gehalten, flankiert von einer Armee an Sicherheitsleuten sogar in den Räumen des Museums - wird mein Mann nicht lang alleine sein. Sicher wird der Vorfall die Ultranationalisten bald noch lauter schreien lassen: Der Staat ist nicht in der Lage, seine kostbarsten Güter zu schützen! Die Kritik wäre nicht unberechtigt.  Wie kommt es, dass eine Ausstellung mit 673 Originalen aus Edelmetallen sieben Monate in einem Städtchen der Größe von Foc{ani oder Tulcea weilt? Lässt sich die Versicherungssumme mit dem tatsächlichen Wert, nicht nur dem Goldwert, vereinbaren? Rechtfertigen die Besucherzahlen Aufwand und Risiko? Warum wurde der Goldhelm, von dem eine Kopie existiert, im Original ausgestellt? Wer hat das alles entschieden?

Noch bevor ich um ein Fazit ringe, lese ich auf Spotmedia: Der Diebstahl werfe Fragen zu „geopolitischen Implikationen“ und „hybriden Eingriffen“ Russlands auf. Zitiert wird Prof. Corneliu Bjola von der Uni Oxford, der seine Argumentation auf einer Reihe öffentlich wenig bekannter „Sicherstellungen“ skythischer Schätze aus der Ukraine durch Russland stützt. Der aktuelle Vorfall, so Bjola, könnte dazu dienen, Spannungen zwischen Rumänien und den europäischen Partnern aufzubauen. Sein Schluss: Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Krise würde dies „klar dem prorussischen Extremisten C˛lin Georgescu zugute kommen“.