Es gibt in unseren Tagen wenige Begriffe, die so umfassend sind wie „Kultur“. Jenseits der gebräuchlichsten Nutzung als Sammelbegriff für alles, was man unter Kunst, ein genauso schwer einzugrenzender Begriff, versteht, reden wir von einer Kultur der Unternehmer, einer Sportkultur, einer Essenskultur, aber auch einer Kultur der Politik.
Letztere scheint in Rumänien in den letzten dreißig Jahren Mangelware gewesen zu sein. Durch das Aufkommen der einheimischen souveränistischen Bewegung scheint sie sich von der rumänischen politischen Bühne verabschiedet zu haben. Die noch vorhandenen Antikörper haben versagt und das Virus des politischen Grobianismus scheint fast alle zu befallen.
Wir befinden uns vor dem Anfang der Wahlkampagne für die Präsidentschaftswahlen. Nach den Ereignissen in Dezember, haben alle Politiker versprochen, dass sie die Konsequenzen ziehen werden und dass sie verstanden haben, was das rumänische Volk von ihnen erwartet. Und gelernt haben sie: wenn Georgescu es mit seinem Rezept so weit bringen konnte, muss doch etwas dran sein, also versuchen sie, es ihm nachzumachen. Wir sehen nun die Kandidaten auf den Online-Plattformen wie sie kochen, mit Blumen geschmückte Suppen essen, beim Kaffeetrinken, wie die Gattin sie auf den Markt schickt um einzukaufen... alles Dinge, die für die Zukunft Rumäniens von vitaler Wichtigkeit sind. Ihre Ergüsse betreffend die geopolitische Weltlage könnten von Vorschulkindern stammen und da Georgescu nicht mehr im Spiel ist, scheint es einen Wettlauf um den Platz des besten Blöde-Sprüche-Klopfers zu geben.
Perfekte Beispiele dafür lieferte in den letzten Tagen Mihail Neam]u, Abgeordneter der Partei mit Goldnamen und Vorsitzender der Kulturkommission der Abgeordnetenkammer. Die hohen Schulen, die er besucht hat und derer Abschlüsse er nicht gefälscht hat, wie so viele seiner Kollegen in der rumänischen Politik, scheinen längst vergessen zu sein. In einer inzwischen gelöschten Videonachricht auf einer Online-Plattform räumte er mit seinen Gegnern auf. Er erklärte, dass alle, die ihm Putin- und Russland-Nähe vorwerfen würden, Idioten seien und dass ihre Mutter eine Hure sei, was genauso wenig beweisbar wäre wie sein Liebäugeln mit dem großen Bruder im Osten. Wie sehr er sich im Recht sieht, bemerkt man in einem weiteren Posting, in dem er sich für seine suburbane Wortwahl rechtfertigt. In seiner „mea culpa“, die für weitere Angriffe dient, vergleicht er sich mit Luther und Rabelais, die wie er eine unverblümte Sprache benutzt haben. Die Kirsche auf der Torte: In einem Kommentar zu einem Foto mit Kaja Kallas, Christine Lagarde und Ursula von der Leyen nennt er die drei Damen „Hexen“, indem er ein Wortspiel zwischen „witches“ und „bitches“ bemüht.
Dass die rumänischen Politiker in anderen Sphären schweben und die Gravitationskraft des rumänischen Alltags längst überwunden haben, ist bekannt. Natürlich sollte man nicht alle über einen Kamm scheren: manche wurden von Muskschen Raketen schon auf den Mars befördert, andere sind der Mutter Erde doch etwas näher geblieben. Doch hier unten sind noch immer wir, die Hurenkinder, von denen erwartet wird, dass wir brav im Mai den Weg ins Wahllokal finden. Wir, die Hurenkinder, die das Bedürfnis haben, im Kampf um demokratische Werte nicht alleine gelassen zu werden. Wir, die Hurenkinder, die, so oft es nötig war, für diese Werte auf die Straße gegangen sind – und das nicht um einem Guru „Alles Gute zum Geburtstag“ zu wünschen. Das hat Rumänien viel zu viele Jahre für ein anderes visionäres Ehepaar getan und sollte es nie wieder tun müssen. Es heißt, dass Rumänien so weit gekommen ist, wie es ist, trotz der rumänischen Politiker. Die Hurenkinder haben das bewirkt. Deswegen sollten wir nicht vergessen, uns manchmal gegenseitig auf die Schulter zu klopfen und „gut gemacht“ zu sagen.