Auf der unbestritten schwierigsten und gefährlichsten Rennstrecke bzw. Bergrennstrecke der Welt haben Porsche und Volkswagen innerhalb von einer Woche mit Prototypen Motorsport-Geschichte geschrieben. Während Porsche mit einem modifizierten Le Mans-Hybriden durch den über 20 Kilometer fassenden Nürburgring pflügte, nahm Volkswagen einige Tage zuvor den berüchtigten 4301 Meter hohen Pikes Peak mit einem ausschließlich durch Elektronik angetriebenen Rennwagen in Beschlag.
Der Sturm hatte sich zusammengebraut: Nachdem Porsche 2017 zugunsten eines Einstiegs in die Formel E (2019) aus der mehrfach gewonnenen Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC und dem 24-Stunden-Klassiker von Le Mans ausstieg, hatten die Stuttgarter, respektive Weissacher (Motorsportabteilung), eine „Tribute Tour“ des 919er Modells gestartet. In Spa-Francorchamps ließ man den Boliden dann im April erstmals auf die freie Wildbahn und pulverisierte mit Werksfahrer Neel Jani in 1:41,770 Minuten den 2017er Formel 1-Rekord von Mercedes Benz (Lewis Hamilton) um 0,783 Sekunden.
Nachdem der Nürburgring, die berüchtigte „Grüne Hölle“ oder heutige Nordschleife, mit 73 Kurven und 20,832 Kilometern quer durch die Eifel führend, seit über einer Woche für Porsche vollgesperrt war, und schon seit Tagen in den sozialen Medien über einen Rekordversuch gemutmaßt wurde, platzte dann am letzten Freitag, dem 29. Juni, die Bombe: Werksfahrer Timo Bernhard lag mit dem mit 1160 PS ausgestatteten Porsche 919 Hybrid Evo, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 233,8 km/h, in 5:19,55 Minuten unter der bisherigen Bestmarke. Damit unterbot Bernhard den 35 Jahre alten Streckenrekord vom damaligen Porsche-Werksfahrer, des leider 1985 in Spa-Francorchamps tödlich verunglückten Ausnahmetalents Stefan Bellof, um 51,58 Sekunden. Bellof fuhr seinen Rekord am 28. Mai 1983 mit einem 620 PS starken Rothmans Porsche 956 C im „Trainingsverkehr“ zum 1000-Kilometer-Rennen, ohne jeglichen elektronischen „Schnickschnack“.
Um es sich zu verdeutlichen, ein kurzer Einblick in die Daten: Der Hybrid-Wagen, eine Kombination aus konventionellem Antrieb durch Benzin und regenerativer Energie, aufgrund von Rückgewinnung durch Abgas- und Bremskraft, gilt aufgrund seiner brachialen Spezifikationen als Formel 1-Jäger. Die Evo-Version des Porsche 919 wurde von beinahe allen Reglementrestriktionen befreit. Der Antriebsstrang erzeugt bei einem Leergewicht von 849 Kilogramm eine Systemleistung, die sich aus 720 PS/Kraftstoff und 440 PS/Energierückgewinnung generiert. Die umgestaltete Aerodynamik liefert über gewaltige 50 Prozent mehr Abtrieb im Vergleich zur Le Mans-Variante. Die Spitzengeschwindigkeit am Nürburgring betrug 369,4 km/h, wobei die Übersetzung sicherlich zu Lasten der Endgeschwindigkeit auf das Kurvenverhalten angepasst wurde.
Bereits einige Tage zuvor hatte Volkswagen mit einem unlimitierten Rennwagen am „Höllenberg“ Pikes Peak, auf 19,99 Kilometern, mit 1439 Metern Höhenunterschied und 156 Kurven, einen neuen Weltrekord aufgestellt. Nicht nur der Rekord für elektronisch angetriebene Autos wurde beim „Race to the clouds“ geknackt. Auch die 2013er Zeit vom 9-fachen Rallye-Weltmeister Sebastian Loeb, mit einem brachialen 1 zu 1-Leistungsverhältnis von 875 PS zu 875 Kilogramm ausgestatteten Peugeot 208 T16 Pikes Peak, wurde von Romain Dumas unterboten. Dies vornehmlich auch aufgrund eines angenommenen, bis zu 40-prozentigen, Leistungsabfalls von benzinbetriebenen Verbrennungsmotoren in der sauerstoffarmen Höhenluft.
Dumas bezwang damit die mit konventioneller Antriebstechnik fahrende Konkurrenz im von Volkswagen mit „angeblich nur“ 680 PS starken E-Motoren ausgestatteten „I.D. R Pikes Peak“ in 7:57,148 Minuten. Damit verbesserte die Motorsportabteilung aus Hannover nicht nur die bisherige Bestmarke für Elektrofahrzeuge aus dem Jahr 2015 durch Rhys Millen, in einem 1368 PS fassenden Eigenbau, sondern auch den Allzeit-Rekord von Loeb um 16 Sekunden.
Mit dem I.D. R Pikes Peak hatte Volkswagen einen speziell auf die Anforderungen des legendären Bergrennens zugeschnittenen Rennwagen konzipiert: Um die Seilschaft bergfest zu machen, setzten die Ingeneure in erster Linie auf größtmöglichen Abtrieb. Optisch kam das auf einem Norma-Prototyp basierende Auto mit einem Biertheken-ähnlichen Heckflügel und einer kompletten Unterbodenverkleidung zur Geltung. Die von VW angegebene Leistung, deren Angabe beinahe einem unverschämten Understatement gleichkommt, bot die Grundlage der Expedition.