Die Straße ist schlecht, die letzten Kilometer zwischen der mazedonischen Stadt Bitola und dem Grenzübergang nach Griechenland gleichen einem Albtraum. Und dann auch noch die Wartezeit, griechische Zöllner kontrollieren jedes Auto mit mazedonischem Kennzeichen äußerst genau, die wenigen rumänischen Autos werden jedoch einfach durchgewunken. Die griechische Fernstraße ist gut ausgebaut und beschildert, dass hier die EU am Werk war, steht außer Zweifel. Dasselbe gilt für die „Egnatia Odos“, die Autobahn, die von der türkischen Grenze über Thessaloniki und Ioannina direkt zum Hafen von Igoumenitsa führt, am Ionischen Meer.
Zwischen der Kleinstadt Metsovo, dem aromunischen Aminciu, und Ioannina, der Hauptstadt des bergigen Epirus, fährt man durch das Gebiet der Aromunen, in Metsovo selbst soll man sich gut auf Rumänisch mit den Einheimischen verständigen können. In Ioannina, das bis zu den Balkankriegen zum Osmanischen Reich gehört hat, gab es außer Griechen und Türken auch noch Juden und Walachen, wie die Griechen die Aromunen nannten.
Schließlich will man aber Griechenlands Strände genießen, diesmal auf Korfu, der wichtigsten griechischen Insel im Ionischen Meer. Korfu ist in den vergangenen Jahren zu einem relativ beliebten Sommerziel für rumänische Touristen geworden, vielleicht nicht so beliebt wie die kostengünstigere Insel Thassos oder die ebenfalls im Ionischen Meer liegende Insel Zakynthos mit ihren wunderschönen Landschaften. Kerkyra, wie Korfu auf Griechisch heißt, bietet jedoch für jeden etwas: Die gleichnamige Hauptstadt ist geschichtlich durchaus interessant, in unmittelbarer Nähe ließ sich Kaiserin Elisabeth eine Sommerresidenz bauen und die Auswahl an Stränden und Bademöglichkeiten ist groß genug. Auch ist die Insel dank eines besonderen Mikroklimas sehr grün, man vergleiche sie nur mit dem ausgetrockneten albanischen Festland, auf das man von der östlichen Seite Korfus blicken kann.
Wer also Sonne, Strand und Wasser genießen will und dabei auch eine schöne Aussicht, entscheide sich für Palaiokastritsa, ein Dorf nordwestlich der Stadt Korfu. Dort gibt es eine Menge Buchten und Höhlen, einige können nur per Boot erreicht werden. Doch die Sandstrände sind relativ eng und bereits im Juli randvoll. Es gibt junge Spanier und Italiener, laut, versteht sich, aber es gibt auch betagtere Paare aus Mitteleu-ropa, Ungarn, Tschechien und Polen. Und Rumänen mit Kindern - den Eindruck, man sei in einem besseren Eforie Nord gelandet, überwindet man nur schwer. Ruhiger geht es auf den Stränden von Glyfada zu, ebenfalls im Westen der Insel gelegen.
Oberhalb von Glyfada liegt ein kleines Dorf, Pelekas, wo sich Taverne an Taverne reiht, Übernachtungsmöglichkeiten gibt es fast überall. Doch wer die Hauptstraße verlässt und sich auf eine der engen, verschlungenen Gassen von Pelekas begibt, der sieht einfachen griechischen Bauern zu, sie pflegen ihre Olivenbäume, füttern ein paar Hühner und bereiten einen köstlichen Likör aus Kumquats zu. Das sind Zwergpomeranzen, die aus Asien stammen und in Griechenland fast ausschließlich auf Korfu angebaut werden. In den Tavernen werden selbstverständlich traditionelle Gerichte angeboten, seit Griechenland ein für viele Rumänen erschwingliches Ziel geworden ist, sind Gyros, Souvlaki oder Taramosalata hierzulande kein Geheimnis mehr. In den Strandrestaurants werden natürlich Meeresfrüchte gegrillt, aber sowohl oben im Dorf als auch unten am Strand empfiehlt sich der Stifado, ein Ragout aus Rind- oder Kaninchenfleisch, venezianischen Ursprungs.
Überhaupt hat die Insel vieles mit Venedig gemeinsam. Die Altstadt von Korfu zum Beispiel gleicht allen Städten an der Adriaküste, die früher der Serenissima angehört hatten. Enge Gassen, schattige Winkel, eine Arkadenstraße im Zentrum, mehrere orthodoxe und katholische Kirchen, eine alte und eine neue Festung, mehrere Museen, darunter eines für asiatische Kunst, zahlreiche Cafés und Restaurants, eine Fülle an Geschäften, mehrere Grünanlagen. Bis 1797 gehörte die Insel zu Venedig, der deutsche Graf Matthias Johann von der Schulenburg konnte sie 1716 heldenhaft gegen die Osmanen verteidigen. Nach den Napoleonischen Kriegen gelangte sie unter die Aufsicht Großbritanniens. Die Engländer ließen zahlreiche öffentliche Gebäude errichten, bauten die Festungen um, eröffneten eine Universität und förderten die griechische Sprache und Kultur.
Bis 1864, als sie in einer beispiellosen Freundschaftsgeste, im vollen Einklang mit ihrer Staatsräson, die Ionischen Inseln Griechenland überließen. Während der englischen Herrschaft entdeckt der Westen die Insel, sie wird zu einem Refugium verschiedener Künstler aus dem Abendland. Um 1889 kann Kaiser Franz Joseph I. ein Grundstück südlich der Stadt Korfu, beim Dorfe Gastouri, erwerben, 1890 bis 1892 entsteht dort das Achilleion, ein Palast im pompejanischen Stil, eine Sommerresidenz für die geplagte Kaiserin, Korfu soll ihre Lieblingsinsel gewesen sein. Bis zu ihrem Tod 1898 besuchte Sisi das Achilleion immer wieder, ihr Gatte hat es nie besucht. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Anlage dann von Kaiser Wilhelm II. erworben, nach dem Ersten Weltkrieg wurde es griechischer Staatsbesitz. Man sieht dies dem Palast an, ein leiser Hauch des Verfalls ist nicht zu übersehen.
In Gastouri, unterhalb des Achilleion, betreibt eine einheimische Familie eine Keramik-Manufaktur, finanziert aus EU-Fonds. Der Mann ist am Werk, die Frau unterhält sich mit uns über die griechische Wirtschaftskrise. Schlimm sei es, 500.000 hätten das Land verlassen, in den Großstädten gehe es hart zu. In Rumänien sei es bestimmt leichter, sagt sie. Aber hier auf der Insel, wo es von Touristen aus ganz Europa nur so wimmelt, kann es doch gar nicht so schlecht gehen, wird ihr entgegnet. Ja, sicher, aber das Land sei am Ende. In der Tat, die Vielzahl an unfertigen Bauten, der viele Müll, die verwahrlosten Grünanlagen, sie könnten schon zu den Folgen der Wirtschaftsmisere zählen. Auch Spyros, der Rezeptionist im Drei-Sterne-Hotel Levant, oberhalb von Pelekas, beklagt sich. Sein 90-jähriger Vater habe vor der Krise eine Rente von 700 Euro bekommen, jetzt seien es nur noch 320. Traurig, in der Tat, was kann man da schon sagen. Ach, und dann die vielen Albaner, die den Griechen die Arbeit wegnehmen, seufzt der stets lächelnde Spyros. Gott sei Dank müsse er nicht in Thessaloniki oder in Athen leben, sondern auf Korfu, da kommen die Touristen und jeder kann noch ein paar Hühner halten. Im Jahre 8 nach Einbruch der Krise müssen alle Händler dem Kunden eine Rechnung ausstellen, sonst braucht der Kunde nicht zu bezahlen. Klingt das nicht bekannt? Griechenland erlebt „schwere Zeiten“...
Doch nach Korfu strömen die Touristen, im Hotel gibt es Franzosen, Italiener, Dänen und Holländer und ein rumänisches Paar, das in London lebt. Die Dame kommt aus Jassy/Iaşi, sie empfiehlt uns unbedingt, die Kathedrale des Heiligen Spyridon in der Stadt aufzusuchen, dort werden dessen Gebeine aufbewahrt, er sei der Schutzpatron der Insel. Wir gehen hin und erleben die Orthodoxie in ihrer ganzen Pracht. Und werden für Russen gehalten, die die Kirche fast gänzlich in Beschlag genommen haben. Es riecht nach Weihrauch, die Reliquien des Spyridon verschwinden hinter einer Wolke, Popen laufen herum, fromme Russinnen zünden Kerzen an. Auf der anderen Straßenseite warten ihre Männer, in den Ikonenläden ringsherum wird zunächst Russisch gesprochen. Lieber also zurück zum Strand von Glyfada, am späteren Nachmittag ist er fast leer und ruhig, die lärmenden Italiener sind verschwunden. Griechische Idylle? Ein bisschen Kitsch? Mag sein, aber Erholung auf alle Fälle.