Frauen, die eine Inspiration für jeden, der ihre Lebensgeschichten liest, sein könnten, deren bedeutende Rolle in der Gesellschaft meistens erst viele Jahre später anerkannt wurde, aber auch Frauen, die heute den Unterschied machen: Sie können die Besucher der Ausstellung „Danube Women Stories“, die am 24. Juli im Banater Dorfmuseum eröffnet wurde, näher kennenlernen. Die Ausstellung stellt Frauen vor, deren erheblicher Beitrag zur Gesellschaft gewürdigt werden sollte. Von Maria Theresie über Sophie Scholl oder Luise Händlmaier bis hin zu Hildegardis Wulff, alle Frauen, die in der Ausstellung „Danube Women Stories“ haben in Donauländern gelebt und gewirkt oder tun es auch heute noch. Insgesamt stellt die Ausstellung, die dank der Zusammenarbeit von Designerin Sabine Geller aus Ulm und Kurator Dr. Andrei Milin vom Temeswarer Dorfmuseum zustande kam, 17 Frauen vor, deren Lebensgeschichte und Wirken inspiriert.
Ein warmer Sommernachmittag im Dorfmuseum: Entlang der gepflasterten Allee, die vom Haupteingang an der kleinen orthodoxen Kirche vorbei bis in Bühnennähe führt, stehen 27 Plakate. Davon können die Besucher der Ausstellung „Danube Women Stories“ die Lebensgeschichten der Frauenpersönlichkeiten ablesen. Mit Hilfe von QR-Codes sind sogar mehr Infos, als auf den Plakaten abgedruckt, abrufbar. „Danube Women Stories“ entstand infolge internationalen Kulturprojekts, das ganz im Sinne der EU-Donauraumstrategie zum grenzüberschreitenden Austausch über Frauenthemen anregen soll. Mehrere Projektpartner aus unterschiedlichen Donauländern arbeiteten zusammen: das Donauländermagazin „danube connects“ aus Ulm, die Gruppe „Budapest Walkshop (Sétamühely)“, die Journalistenschule aus Novi Sad, die World of NGOs aus Wien und das Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Ulm. Das erste Ergebnis war das im Ulmer Verlag „danube books” erschienene deutschsprachige Buch, das mehr als 50 Frauen aus Geschichte und Gegenwart vorstellt, die entlang der Donau Bedeutendes geleistet haben oder leisten. Die Ausstellung, die bis Anfang September in Temeswar besichtigt werden kann, wurde voriges Jahr in Novi Sad, der europäischen Kulturhauptstadt 2022, davor auch noch in anderen europäischen Städten, gezeigt.
Die Senfproduzentin aus Regensburg
Es ist schwer, eine besondere Geschichte aus der Ausstellung hervorzuheben, denn schließlich haben alle Stories etwas Interessantes. Besucher können beispielsweise Geschichte von Luise Händlmaier aus Regensburg erfahren, die davon zeugt, wie aus einem typischen weiblichen Nebengeschäft ein profitables Hauptgeschäft wurde. Geboren 1910 in Landau an der Isar, heiratete Luise 1933 in eine Metzgerfamilie. Ihre Schwiegermutter hatte bereits mit Senfkörnern, Wasser, Zucker, Essig und Gewürzen experimentiert. Als die Männer das Geschäft 1949 übernahmen, kümmerte sich Luise um den Senf.
Nach dem Tod ihres Mannes 1955 war sie auf sich allein gestellt. Geärgert über die männerdominierte Branche, verkaufte Luise 1963 ihre Metzgerei und widmete sich dem Senf, der ab 1964 als verfeinertes Rezept unter dem Namen „Luise Händlmaier“ zu einer beliebten Marke wurde. 1981 starb die Senffabrikantin im Alter von 70 Jahren. Tochter Christa Aumer führte den Betrieb in der Gesandtenstraße 17 in Regensburg bis in die 90er Jahre weiter. Noch heute stammt der süße Händlmaier-Senf aus dem Familienbetrieb.
Die geniale Mathematikerin aus Novi Sad
„Der eine bekommt die Perlen, der andere die Schachtel“, schreibt eine der in der Ausstellung vorgestellten Frauen 1909 an einen Freund. Es handelt sich um keine geringe als um Frau Einstein. Während Albert Karriere macht, engagiert sich Mileva Maric Einstein mehr und mehr im Haushalt. Die beiden trennen sich bis zuletzt.
Albert Einstein hat es zu weltweitem Ruhm gebracht, doch seine Frau Mileva, die ebenfalls genial war, kennen nur wenige. In der Ausstellung „Danube Women Stories“ findet auch ihre Geschichte Gehör. Bereits in ihren ersten Schultagen fiel Mileva Maric, die aus Neusatz/Novi Sad stammt, durch ihre genialen Fähigkeiten in den Fächern Mathematik und Physik auf. Mit einer Sondergenehmigung durfte sie das das Königliche Humanistische Gymnasium in Zagreb besuchen, das bis dato nur für Jungen reserviert war. Sie war eine der nur zwei Frauen, die das Polytechnikum in Zürich absolvierten. Ihr Studienkollege Albert Einstein wurde ihr Freund und später ihr Ehemann. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes schrieben Mileva und Albert mehrere Werke zusammen, darunter solche über die Brownsche Bewegung, den photoelektrischen Effekt und die spezielle Relativitätstheorie, und arbeiteten an der berühmten Formel E = mc². Im Jahr 1905 wurden die Texte veröffentlicht, ursprünglich unterzeichnet mit Einstein-Mariti, später verschwand ihr Schweizer Name aus den Werken. Ihr zweiter Sohn Eduard litt an Schizophrenie, und Mileva musste die wissenschaftliche Tätigkeit aufgeben. Albert vernachlässigte seine Familie mehr und mehr, sodass die beiden 1919 ihre Scheidung einreichten.
Die Benediktinerschwester aus Temeswar
Besucher der Ausstellung können auch die Benediktinerschwester von der Hl. Lioba Hildegardis Wulff kennenlernen, die in Temeswar bedeutende soziale Arbeit geleistet hat. Geboren am 8. September 1896 in Mannheim als Liselotte Wulff, studierte Schwester Hildegardis Deutsch, mittelalterliche Geschichte und Kirchenrecht. Der 29. April 1929 war der Tag, der ihr Leben verändern sollte: Schwester Hildegardis Wulff kommt in Temeswar an, wo sie sich mit einem festen Plan im Kopf und im Herzen niederlässt. Temeswar und das Banat sind der Ort, an dem sie ihre apostolische Tätigkeit fortsetzen und ihr „Lebenswerk“ schaffen wird. Schwester Hildegardis organisiert Vorträge und gründet die ersten Vereinigungen von Mädchen und Frauen. Eine wichtige Errungenschaft ist der Bau des St.-Anna-Krankenhauses, das 1936 in Temeswar in Betrieb genommen wird und für seine Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie sowie für seine Entbindungsstation bekannt ist – dort kommen jährlich 500-600 Babys zur Welt. Die Arbeit der Benediktinerinnen unter der Leitung von Schwester Hildegardis wurde bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Herbst 1939 fortgesetzt, als die ersten Probleme auftraten. Zwischen 1940 und 1943 nahm die medizinische und karitative Arbeit zu. Schwester Hildegardis wird 1951 von den Kommunisten verhaftet und im Februar 1952 ins Gefängnis gesteckt. Sie verbrachte neun Jahre in den Gefängnissen der Securitate. Am 1. Juni 1959 fand an der Glienicker Brücke in West-Berlin der Austausch einiger Ordensschwestern, darunter Schwester Hildegardis, gegen zwei rumänische Spione statt. Die Informationen zum Leben von Schwester Hildegardis Wulff wurden vom Archiv der römisch-katholischen Diözese Temeswar zur Verfügung gestellt.
Der Engel von Vukovar
„Die Menschen sind nicht böse, sie sind nur unglücklich. Der Hass schadet nicht demjenigen, gegen den er sich richtet, sondern uns, die wir ihn in uns nähren.“ Diese Worte gehören der Friedensaktivistin Ljiljana Gehrecke aus Vukovar in Kroatien, deren Leben ebenfalls in der Ausstellung vorgestellt wird. Man nannte sie den „Engel von Vukovar“ oder „Gandhi von Vukovar“, und jeder, der sie kannte, würde bezeugen, dass sie irgendwie nicht von dieser Welt war oder aus einer anderen Zeit zu stammen schien. Ljiljana Gehrecke wuchs in Vukovar auf und verbrachte dort ihre Kindheit. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften, promovierte in Organisationswissenschaften und arbeitete als Universitätsprofessorin in Serbien, Kroatien sowie in Deutschland. Ihr Berufsleben spiegelt eine beeindruckende Karriere ihrer vielseitigen Persönlichkeit wider.
Nach dem Krieg kehrte sie 1996 nach Vukovar zurück und gründete im Jahr 2000 das Europahaus in Vukovar, das zu einem Ort des Dialogs wurde. Für ihre beharrlichen Bemühungen um Versöhnung, Wiederaufbau des Vertrauens und der vom Krieg zerrütteten Beziehungen unter den Menschen in Vukovar wurde sie mit mehreren Auszeichnungen geehrt, zuletzt 2015 mit dem Bundesverdienstkreuz. Sie widmete diese Auszeichnung ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern und forderte sie auf, damit eine Quelle der Hoffnung und einen Ansporn mitzubringen, um Vukovar in eine vereinte und solidarische Gemeinschaft zu verwandeln.
In der Ausstellung im Dorfmuseum können die Geschichten weiterer 14 Frauen aus Ulm, Regensburg, Wien, Linz, Budapest, Vukovar, Novi Sad und Temeswar nachgelesen werden. Besucher können mehr über Erzsébet Gaál (Model für die Budapester Freiheitsstatue), Szilvia Szénási (UCCU-Stiftung), Regina Hellwig-Schmid (donumenta-Gründerin), Luise Händlmaier (Senfproduzentin), Mileva Maric Einstein (Mathematikerin), Svetlana Mojic Džakula (Designerin und Architektin), Mirela Hutinec (Museumsleiterin), Hedy Lamarr (Schauspielerin, Erfinderin), Martina Reiter (Musikerin), Sophie Scholl (Antinazismuskämpferin), Iris Mann (Bürgermeisterin), Katharina Kepler (Mutter des Astronomen Johannes Kepler), Anna Maria Brandstätter (Künstlerin), Andreea Kremm (Unternehmerin), Gertrud von Hohenberg (Vorgängerin aller Habsburger) oder Maria Theresia (Visionärin für die Donauregion) erfahren. Die Ausstellung „Danube Women Stories“ unter freiem Himmel kann von allen besichtigt werden, die sich auch das Dorfmuseum anschauen. Bei der Sommerhitze ist ein Abstecher ins Museum mit viel Grün definitiv zu empfehlen. Der Eintritt kostet 15 Lei für Erwachsene und 4 Lei für Kinder.