„1989er Solidarität ist eine helle Seite in der rumänisch-ungarischen Geschichte“

Ungarns Staatspräsident Sulyok besucht Temeswar zum 35. Jahrestag der Revolution

Ungarns Staatspräsident Tamás Sulyok in Temeswar Foto: Inquam Photos / Cornel Putan

Temeswar (ADZ) – Ungarns Staatspräsident Tamás Sulyok, Rumäniens Altpräsident Emil Constantinescu und der letzte Außenminister der Deutschen Demokratischen Republik, Markus Meckel, kamen am Wochenende nach Temeswar, um an den von der ungarischen Minderheit veranstalteten Feierlichkeiten zum 35. Jahrestag des antikommunistischen Aufstandes von 1989 teilzunehmen. Wie die ADZ berichtete, haben die Temeswarer Integratio-Stiftung, der Nationalrat der Magyaren Siebenbürgens und die Temeswarer ungarisch-reformierte Pfarrei „Neues Millenium“ eine dreitägige Eventreihe zum Revolutionsjahrestag organisiert, darunter ein Symposium zu den antikommunistischen Umstürzen der Wendejahre 1989 bis 1991 und den rumänisch-ungarischen Beziehungen sowie eine Galaveranstaltung am Samstagabend im vom ungarischen Stararchitekten Imre Makovecz in der Temeswarer Fabrikstadt gebauten reformierten Pfarrzentrum.

Vor seinem Temeswar-Besuch weilte Staatspräsident Sulyok in Klausenburg/Cluj-Napoca, wo er lokale reformierte und katholische Geistliche sowie die Spitzenvertreter des Ungarnverbands UDMR traf. Dem UDMR-Vorsitzenden Kelemen Hunor gratulierte er für den Erfolg bei den Parlamentswahlen, da nun keine Entscheidung, die die ungarische Minderheit Siebenbürgens betreffe, ohne deren Mitsprache getroffen werde.

In Temeswar sagte das Staatsoberhaupt des Nachbarlandes, dass sich die Bürger dieser Stadt am 15. Dezember 1989 wiedergefunden und gemeinsam mit dem Sturz der kommunistischen Diktatur begonnen hätten. Nach Jahrzehnten des Terrors und der Verfolgung hätten alle gewusst, wofür sie kämpften. Nachbarn hätten sich mit Nachbarn wiedergefunden, Studierende mit Arbeitern, Rumänen mit Ungarn, Reformierte mit Katholiken, Orthodoxe mit Baptisten und umgekehrt. Die rumänische Revolution habe den anderen verteidigt, jenen, der sich eine bessere Zukunft vorgestellt und für sie gekämpft habe, sagte Ungarns Präsident Sulyok. Es sei László Tökés´ überragendes Verdienst, durch seinen damaligen Mut die Leute dazu gebracht zu haben, gegen die Diktatur zu protestieren. Hätte er sich dem Regime nicht widersetzt, hätte der Aufstand nicht begonnen, der letztendlich den Bürgern die Freiheit und Ceau{escu den Fall gebracht hat, setzte Sulyok fort. Zwar gäbe es in der gemeinsamen Geschichte der Ungarn und der Rumänen einige schwarze Seiten, es gäbe aber auch viele helle. Man sei solidarisch gewesen, beispielsweise vor 35 Jahren, als Rumänen und Ungarn gemeinsam nach Freiheit gestrebt hätten. Es gäbe keine Freiheit nur für Ungarn oder nur für Rumänen, sagte der ungarische Präsident. Die Freiheit dürfe keine Nationalität, kein Alter und keine ökonomischen Unterschiede kennen, sie müsse für alle gleich sein. Das hätten die Temeswarer vor 35 Jahren sehr gut begriffen.

Für Rumäniens Altpräsident Constantinescu (1996 bis 2000) bleibe Temeswar ein Modell des friedlichen Zusammenlebens, die rumänisch-ungarische Versöhnung habe internationale Wirkungskraft. Nicht um-sonst habe man den rumänisch-ungarischen Grundlagenvertrag von 1996 in Temeswar unterzeichnet. Constantinescu erinnerte sich, dass er nach seiner Amtseinführung im Dezember 1996 sofort nach Temeswar gekommen war, um an den Feierlichkeiten zum 7. Jahrestag der Revolution teilzunehmen. Man müsse die Erinnerung an die damaligen Ereignisse wach halten, sagte Constantinescu. Gefragt nach dem Namen des künftigen Staatspräsidenten Rumäniens, antwortete Constantinescu, dass es vorläufig keinen Namen gäbe, es gäbe aber immer Werte und Ideale, die man anstreben müsste. Der Präsident müsse eine Gestalt mit hoher Symbolkraft sein, ein aufrichtiger Mensch, der nichts zu verbergen hätte, der das sage, was er denke, und das tue, was er sage. Auch solle er gebildet und erfahren sein, einen Anfänger bräuchte man eher nicht, so der inzwischen 85-jährige Constantinescu.

Am ungarisch-rumänischen Symposium über die Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Ländern nahmen unter anderem der Dissident Mircea Dinescu, der Anwalt Elöd Kincses, der ehemalige Intendant der ungarischen Sendung des rumänischen Rundfunks, Zoltán Boros, der Historiker Zoltán Töfálvi, die Journalistin Brîndu{a Armanca und der Vorsitzende der „Timișoara“-Gesellschaft, Florian Mihalcea, teil. Dinescu, der an den Dezember-Ereignissen in Bukarest aktiv teilgenommen hatte, meinte, die damalige Revolution „habe man vertagt“. Sofort nach 1989 hätten die Schulbuchautoren des Bildungsministeriums ihn in die Geschichtslehrbücher aufgenommen. 1993 aber erkundigte er sich bei Schülern, die ihm gesagt hätten, man hätte ihn schon wieder aus den Lehrbüchern gestrichen. Zwei Jahre später erfuhr er, dass inzwischen auch László Tökés gestrichen wurde, erwähnt blieb nur noch Ion Iliescu. Was alles dahinter steckte, war dramatisch genug, meinte Dinescu.