Abenteuerlust, musikalische Inspiration und eine beginnende Revolution

Ein Buch von Dr. Franz Metz beschreibt, was Johann Strauss 1847/48 im heutigen Rumänien erlebte

Dr. Franz Metz beim Vortrag in der Residenz der österreichischen Botschaft ...

... und mit der österreichischen Botschafterin Ulla Krauss-Nussbaumer Fotos: KF Bukarest


„Wir sind im Orient angekommen“, ließ Johann Strauss (Sohn) verlauten, als er mit Anfang zwanzig im Jahr 1848 Bukarest erreichte. Bukarest lag, anders als das Banat und Siebenbürgen, außerhalb der österreichisch-ungarischen Monarchie, im Fürstentum Walachei, und war offensichtlich gefühlt kaum näher dran als Konstantinopel – oder was man sich damals halt so als Orient vorstellte. Andersrum waren der Wiener Kapellmeister und Komponist bzw. dessen Werke in Bukarest bestens bekannt. Strauss – „bereits ein in ganz Europa bewunderter Star“ - und seine dreißigköpfige Kapelle wurden in der fremden Stadt fürstlich empfangen und hatten dort offensichtlich eine gute Zeit, bis gewisse historische Ereignisse dazwischenfunkten. 

Die Station Bukarest markiert den Endpunkt einer spektakulären Osteuropa-Tournee, über welche der aus dem Banat stammende Musikwissenschaftler Dr. Franz Metz bereits 1999 ein Buch, erschienen mit Unterstützung der ADZ, geschrieben hat. Über die Person Franz Metz berichtete die ADZ zuletzt ausführlicher im März diesen Jahres, nachdem diesem der präsidiale Orden Rumäniens für kulturelle Verdienste verliehen wurde.

Zwei Buchvorstellungen in Bukarest 

Anlässlich des Jubiläumsjahres, 200 Jahre seit Strauss´ Geburt, hat Metz eine neue, ergänzte Auflage herausgegeben. Am 18. Juni stellte er „Eine Reise in den Orient: Johann Strauss und seine Konzerte im Banat, in Siebenbürgen und in der Walachei“ (Verlag Edition Musik Südost) in der Residenz der österreichischen Botschafterin in Bukarest vor. Am Tag zuvor war die rumänische Übersetzung des Buches, erstellt von von Ozana Alexandrescu, bei einer Veranstaltung mit dem Autor in der Bukarester Buchhandlung C²rture{ti Verona besprochen worden.

In ihrer Begrüßung versicherte die Gastgeberin, die österreichische Botschafterin Ulla Krauss-Nussbaumer, dass es sich nicht um ein ausgefallenes Thema handele – dem ein oder anderen Fachfremden mag dieser Gedanke gekommen sein – und ordnete den Gegenstand des Buches als Teil einer gemeinsamen Kulturgeschichte Österreichs und Rumäniens, insbesondere Temeswars ein.

Die etwa 20 Gäste erwartete dann ein spannender Reisebericht, basierend auf den jahrelangen Recherchen des Autors sowie Analysen dazu, wie die Konzertreise einerseits das musikalische Schaffen des sogenannten „Walzerkönigs“ und ande-rerseits die Entwicklung der Temeswarer Klassikszene beeinflusst hat. Auch Klassiklaien konnten dem Vortrag folgen, zumal Metz Passagen der entscheidenden Stücke einspielte – der Bildschirm zur Präsentation des begleitenden Bildmaterials war konsequenterweise auf einem Flügel platziert.

Voller Erfolg, aber nicht in Klausenburg

Konzertreisen erfolgreicher Komponisten aus dem deutschsprachigen Raum durch das östliche Europa waren damals nichts Ungewöhnliches, ließ Metz durchblicken. Kurz vor Strauss´ Eintreffen in Temeswar, habe dort beispielsweise sein Grazer Konkurrent Josef Gung’l Station gemacht. Doch „Strauss hat ihm die Show gestohlen“. Die Reisen seien aber weniger durchgeplant gewesen als heutzutage. „Strauss wusste nicht, wo er am nächsten Abend übernachten oder ein Konzert geben würde“. Sicher sei auch eine Portion Abenteuerlust bei den jungen Protagonisten dabei gewesen.

Die Konzerte bzw. Ballabende der damaligen Zeit, erläuterte Metz, könne man sich als stundenlange Veranstaltungen vorstellen, die meistens in Gasthäusern mit Festsälen stattfanden, bereits nachmittags begannen und bei denen die Musiker nicht nur als gesamtes Orchester, sondern in unterschiedlichen Formationen oder auch als Solisten nacheinander die Stücke zum besten gaben.

Strauss´ erste Konzerte im heutigen Rumänien fanden im Herbst 1847 in Temeswar/Timișoara statt. Aufgrund der größtenteils deutschsprachigen Bevölkerung ein „Heimspiel“ und „riesiger Erfolg“, so Metz. Drei verschiedene Locations füllte Strauss Kapelle damals, darunter den ehemaligen Opernsaal Temeswars, an dessen Ort heute das Nikolaus-Lenau-Lyzeum steht. 

Weniger erfolgreich verlief später die Station in Klausenburg/Cluj-Napoca, erzählte Metz. Strauss habe dort seine „erste große Niederlage“ erfahren. Da der junge Wiener keine ungarischen Tänze im Programm hatte, verließ die Hälfte der Zuhörer den Saal vorzeitig, die ungarischsprachige Presse kommentierte entsprechend bissig. „Das waren die Zeiten, wir nähern uns der Revolution von 1848“, ergänzte Metz. Auch in Hermannstadt/Sibiu dürfte etwas vorgefallen sein, schließlich schrieb Strauss in einem Brief, dass die Rückreise bitte nicht über diese Station erfolgen möge.

Nach weiteren Konzerten in Kronstadt/Bra{ov machte sich die Kapelle durch die Karpaten auf nach Bukarest. Strauss schrieb in Briefen von Wölfen und Bären, die sie überfallen hätten und dass sie Instrumente an Dorfbewohner verkaufen mussten, um sich Revolver zur Selbstverteidigung zu kaufen. Inwiefern diesbezüglich die allgemeine Abenteuerstimmung und ein vom eigenen Bruder diagnostizierter Hang zur Übertreibung die Geschehnisse etwas aufgebauscht haben, kann man heute nur vermuten, so Dr. Metz.

Von den historischen Ereignissen eingeholt

In Bukarest traf in jedem Fall eine einsatzfähige Kapelle ein und konzertierte, freie Abende dagegen verbrachte Strauss mit Vorliebe im noch heute existierenden Gasthaus „Hanul lui Manuc“, wo er sich Volksmusikmotive notierte, die einige seiner Kompositionen beeinflusst haben. Als Beispiele für die rumänische Inspiration gelten die Annika-Quadrille und die Marien-Quadrille, die in Bukarest uraufgeführt wurden. Von Januar bis März 1848 hielt sich Strauss in Bukarest auf, und wäre dort laut Metz sogar am Hofe des Fürsten geblieben, wäre nicht die – in ganz Europa gegen die herrschenden Monarchien gerichtete – Revolution ausgebrochen, der sich Strauss nicht entziehen konnte.

Fühlte Strauss eine Verbundenheit mit den überwiegend jungen und aus dem intellektuellen Milieu stammenden Revolutionären? Es kam, wie Metz anschaulich schilderte, zu einem Zwischenfall, bei dem Strauss mit protestierenden rumänischen Studenten in das österreichische Generalkonsulat eindrang, wobei Wachleute angeblich ein Stück seiner Uniform als Beweisstück sicherten und nach Wien schickten, damit dem Musiker dort der Prozess gemacht werden könne. 

Strauss kehrte in der turbulenten Zeit nach Wien zurück, einen Prozess gab es nicht. Zumal, wie Metz in seinem Buch schreibt, es übertrieben wäre, sich Strauss aufgrund der Bu-karester Ereignisse als enthusiastischen Revolutionär vorzustellen. Den revolutionären Entwicklungen in Europa, insbesondere auch in seinem Heimatland Österreich, widmete Strauss nach seiner Rückkehr aus Bukarest den 1848 komponierten „Revolutions-Marsch“. Danach war die revolutionäre Phase schnell vorbei, Strauss´ Karriere dagegen nahm rasant Fahrt auf und führte ihn bis nach Boston in die Vereinigten Staaten.In Rumänien dagegen wird das musikalische Erbe des Ausnahmekünstlers bis heute gepflegt. Franz Metz Buch trägt dazu ganz wesentlich bei.