Hermannstadt - Etwa 15 Jahre lang war sie stumm. Am vergangenen Sonntag ertönte der volle harmonische Klang der Walcker-Sauer-Orgel in der vollbesetzten Johanniskirche wieder. Der siebenbürgische Komponist Hans Peter Türk hatte für die Einweihung die Choralkantate „Du schöner Lebensbaum des Paradieses” für Chor, Gemeinde, Soli und Orgel verfasst und war bei der Erstaufführung zugegen. Das Auftragswerk wurde vom Hermannstädter Bachchor unter der Leitung von Kurt Philippi sowie von Melinda Samson (Sopran), Elisa Gunesch (Mezzosopran) und Ursula Philippi (Orgel) aufgeführt. Die Einweihung der restaurierten Emporenorgel wurde im Rahmen des Gottesdienstes der Begegnung am Huetplatz vorgenommen. Liturg war Stadtpfarrer Kilian Dörr, der in der Begrüßung das Wiedererklingen dieser Orgel als „kleines siebenbürgisches Wunder“ bezeichntete. Die Einweihungshandlung nahm Bischof Reinhart Guib zusammen mit Stadtpfarrer Dörr und Prof. Dr. Stefan Tobler vor. In der Predigt zum Sonntag Kantate und der Huetplatz-Begegnung erwähnte Bischof Guib, dass er den schönen Klang der Walcker-Sauer-Orgel aus den Studentenjahren kannte (in der Johanniskirche fanden die Studentengottesdienste statt). Die Geschichte der Orgel sei mit Erinnerungen und Zukunft verbunden, angesichts einer gemeinsam hier zu bauenden Zukunft lud er die aus Deutschland angereisten Festteilnehmer ein, wieder nach Siebenbürgen zu ziehen und versprach: Wir bieten euch die Gemeinschaft an.
Finanziert wurde die Orgelrestauration durch den Kreisrat Hermannstadt/Sibiu. Zu dessen Mitgliedern gehört Friedrich Gunesch, der Hauptanwalt der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien. Der Hermannstädter Kreisrat vergibt jährlich eine Förderungssumme für die im Kreis vertretenen Glaubensgemeinschaften, die Summe des Vorjahres wurde für die Instandsetzung des Instruments genutzt. Die Orgel komplett abgebaut, gereinigt und wieder aufgebaut haben die Mitarbeiter der Honigberger Orgel-Lehrwerkstätte, womit sie im vergangenen Herbst begonnen hatten.
Es sei kein großes Instrument, besitzt jedoch einen komplizierten Mechanismus, wofür es wenig Fachleute gibt, erfuhren wir von Organistin Ursula Philippi. Die Orgel stammt vom Anfang des 20. Jahrhunderts, als man die pneumatischen Orgeln zu bauen begann, um leichter gespielt werden zu können als die mechanischen. Das System ist jedoch störanfällig, und galt bald als nicht mehr modern und erhaltenswert. Zudem verstaubte das Instrument, wodurch der Klang beeinträchtigt wurde. Wie die Wiederherstellung vonstatten ging, erläuterte der Schweizer Orgelbauer Fedinand Stemmer, einer der Initiatoren der Werkstatt in Honigberg und zeigte es mittels Bildern. Einige der 778 Pfeifen mussten neu gebaut werden, letzte Woche wurden zunächst alle einzeln und dann zueinander gestimmt. Heimgekehrt in die Orgel in der Johanniskirche ist der Oboenteil, der in den 1980er Jahren ausgebaut und in die Kirche nach Fogarasch/Făgăraş eingebaut worden war. Die dortige Orgel erhielt nun eine Nachkonstruktion dieser Pfeifen, die Emporenorgel in der Johanniskirche aber ist wieder, wie sie 1927 erbaut wurde. Die „alte Dame“ könne nun wieder jubilieren, sagte Stemmer. In einer „Generalprobe“ ertönte die renovierte Orgel öffentlich erstmals wieder am Samstagabend, bei dem für Kinder (und nicht nur) gebotenen szenischen Orgelmärchen „Die Bremer Stadtmusikanten”. Aufgeführt wurde es von Ortrun Rhein (Sprecherin), Kurt Philippi (Bilder), Klaus Philippi (Pauken) und an der Orgel selbstverständlich Ursula Philippi.