Hermannstadt - Unter dem Motto „Backen, Bockeln und Begeisterung“ lud die evangelische Gemeinde Michelsberg/Cisnădioara am Samstag zu einem „Dorf der offenen Türen“ ein. Die auf einen Tag zusammengefasste „Woche der Traditionen“ fand im Rahmen des Projekts „Entdecke die Seele Siebenbürgens“ der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) statt. Versandt worden war die Einladung per E-Mail an 900 Adressen, hingewiesen worden war auf die Veranstaltung in den beiden deutschsprachigen Zeitungen. Angemeldet haben sich zehn Personen, die üblichen unangesagten Teilnehmer blieben weitgehend aus. Zum Glück fand im Elimheim eine von der Frauenarbeit der EKR organisierte Freizeit für Senioren statt und diese kamen zu den Traditionsvorführungen hinzu, sonst hätte die Zahl der Veranstaltungsanbieter und -organisatoren jene der Teilnehmer überboten. Die einzelnen Programmpunkte wurden in deutscher und/oder rumänischer Sprache angeboten, doch war eine einzige Teilnehmerin des Deutschen nicht mächtig.
In Vertretung des Ortspfarrers Dr. Stefan Cosoroabă begrüßte Friedrich Gunesch, der EKR-Hauptanwalt, die Teilnehmer in der schmucken Dorfkirche und führte in die Geschichte der Siebenbürger Sachsen, der evangelischen Kirche und der Gemeinde Michelsberg ein. Was die evangelische Gemeinschaft angeht, so hatte diese in Michelsberg 1977 rund 1140 Mitglieder, kurz vor der Wende etwa 900, um im ersten Nachwendejahr auf die Hälfte zu fallen. 2001 wurden 116 Gemeindeglieder gezählt und seither sind es nur acht Personen weniger geworden, im Dorf gibt es also eine für siebenbürgisch-sächsische Dorfverhältnisse starke Gemeinschaft, was nicht zuletzt an der Vielzahl an Angeboten zur Pflege alter und neuer Traditionen festzustellen ist. Der Motor all dieser Veranstaltungen ist die Familie von Michael Henning.
Im Hof auf Nummer 134 im Silbertal, wo ein Backofen aus dem 16. Jahrhundert steht, zeigten Emmi Henning und Helferinnen wie die Hanklich zubereitet wird, die u. a. bei den sonntäglichen „Michelsberger Spaziergängen“ aber auch anderen Festveranstaltungen mundet. Verkostet wurde das siebenbürgische Gebäck zum krönenden Abschluss des Tages zum Kaffee. Nachdem das Grüppchen Neugierige – mit dazu gehört hat die Familie eines Bayern, der sich in Mühlbach/Sebeş niedergelassen hat – gesehen hatte, wie der Teig geknetet wird, begab sich ein Teil in den Pfarrgarten. Unter dem Nussbaum lauschte und goutierte man Walther Seidners Wortspiele, Geschichtchen und „erfrischend weiberfeindliche Gedichte“ (so Seidner) in Deutsch und in sächsischer Mundart. Im Elimheim zeigte und erklärte Rosemarie Müller an Dagmar Misachevici die Tracht in Alzen/Alţâna und das Bockeln. Die frischvermählten Frauen werden ab dem ersten Sonntag nach der Hochzeit gebockelt, d. h. das Schleiertuch wird ihnen kunstvoll auf Haube, Borten und „Stimpelcher“ (Füßchen) mit Bockelnadeln befestigt.
Gar nicht leicht waren die von Dr. Sigrid Haldenwang, der Betreuerin des Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuchs, zusammengestellten Proben für den erstmals ausgetragenen Wettbewerb in sächsischer Sprache und leider sehr gering die Teilnehmerzahl. Die vom Siebenbürgenforum gestifteten und dessen Vorsitzendem Martin Bottesch überreichten Preise für die bis 15-Jährigen erhielten die beiden Teilnehmer Anna Henning und Simon Tartler. In der Kategorie 16 bis 35 Jahre hatte es ebenfalls nur zwei Teilnehmerinnen gegeben, von denen Juliane Henning den 1. und Ruth Istvan den 2. Preis erhielt. Bei den fünf über 35-Jährigen schnitt Inge Blaga (aus Mediasch) vor Emma Machat (aus Schäßburg/Sighişoara) und Henriette Guib (Hermannstadt/Sibiu) am besten ab. Die Jury hatte aus Rosemarie Müller, Ortrun Morgen (Schweischer/Fişer) und Dr. Sigrid Haldenwang bestanden.
Warum es so wenige Teilnehmer gab? Im Angebot der Michelsberger stehen die bereits zur Tradition gewordenen sonntäglichen musikalischen Spaziergänge, beim Festlegen des Termins war außer Acht gelassen worden, dass am gleichen Wochenende weitere Veranstaltungen – Kronenfeste, Transylvanian Brunch, Fahrt zu Balthes-Bauten – stattfinden. Vor allem aber vergisst man leider, dass die eigene Gemeinschaft sehr klein geworden ist und jene der Mundartsprecher noch kleiner.