Am kommenden Sonntag, dem 29. Juni, um 18 Uhr, findet in der Wallfahrtskirche Maria Ramersdorf, München, ein außergewöhnliches Konzert statt, bei dem Werke Banater Komponisten aufgeführt werden, die erst kürzlich entdeckt wurden. Im Mittelpunkt steht die Missa Solemnis des Franz Hybls, komponiert nach Motiven der Oper „Joseph und seine Brüder“ von E. N. Méhul.
Aus der Oper in die Kirche
Wir kennen kaum welche biografische Daten über Franz Hybl. Er lebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und war vermutlich als Kapellmeister im Banat tätig. Dem Namen nach stammte er entweder aus Bayern oder aus Mähren. In Olmütz (Olomouc, Tschechien) war ein Wilhelm Hybl (1751-1824) als Musiker tätig. In Straubing (Niederbayern) lebte im 19. Jahrhundert Heinrich Hübl (1847-1908), dessen Vater als Chordirektor an der Stadtpfarrkirche tätig war. Seine Idee, aus verschiedenen Teilen und Motiven einer Oper eine Messe zusammenzustellen, ist nicht einzigartig in der Musikgeschichte: Im süddeutschen Raum führte man im frühen 19. Jahrhundert oft sogenannte „Zauberflötenmessen“ auf, also Messkompositionen, die nach bekannten Opern zusammengestellt wurden. Selbst Komponisten bekannter Opern verwendeten daraus musikalische Themen, um eine Messe zu komponieren.
Franz Hybl schrieb seine Missa Solemnis nach Motiven der Oper „Joseph und seine Brüder“, deren Schöpfer Etienne Nikolas Méhul (1763-1817) war. Die Premiere der Oper fand am 17. Februar 1807 in der Komischen Oper von Paris statt. Es handelt sich dabei um ein Meisterwerk, welches mehrere Jahrzehnte auf den meisten europäischen Bühnen aufgeführt wurde – auch in München, zum Beginn des 20. Jahrhunderts auch als Oratorium. Mit der Zeit geriet aber diese erfolgreiche Oper in Vergessenheit. Heute ist dieses Werk aus dem Opernrepertoire fast vollständig verschwunden. Wie Franz Hybl zu dem Aufführungsmaterial kam, ist unbekannt.
Kapellmeister Franz Hybl gelang es aber, die Musik dieser Oper durch seine geschickte Umarbeitung für den sakralen Raum zu retten. Die Kirchenbesucher wollten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts opernähnliche Musik auch in Gottesdiensten hören. Oft waren es die gleichen Kapellmeister und die gleichen Solisten, die sowohl auf der Opernbühne wie auch auf den Kirchenemporen auftraten. Doch in der Zeit des folgenden Cäcilianismus – eine kirchenmusikalische Bewegung, die von Regensburg ausging – fiel diese opernhafte Kirchenmusik (in manchen Fällen zurecht) in Ungnade und die Aufführungsmaterialien verschwanden auf den Dachböden von Kirchen oder wurden gar vernichtet. So konnte z. B. auch das Aufführungsmaterial der Missa Solemnis Hybls vor wenigen Jahren in einem Bündel Altpapier im Banat (Rumänien) entdeckt werden.
Ein Werk und mehrere Widmungsträger
Hybl konnte seine Messe zwischen 1830-1840 geschickt „vermarkten“. So ist uns überliefert, dass er dieses Werk im Jahre 1834 der Stadt Arad im Banat gewidmet hat, die damals durch Kaiser Franz I. zur Königlichen Freistadt erhoben wurde. Während des zu diesem Anlass abgehaltenen Festgottesdienstes in der Arader Minoritenkirche wurde diese Musik aufgeführt. Ein Jahr davor (1833) widmete er sie dem Quardian des Lugoscher Minoritenklosters, P. Valerian Ratvay, anlässlich des 100. Jubiläums dieser Ordenskirche (heute Pfarrkirche). Auch in der Musiksammlung der Dombibliothek zu Wesprim (Veszprém, Ungarn) konnte das handgeschriebene Aufführungsmaterial dieser Missa Solemnis entdeckt werden, diesmal gewidmet dem dortigen Bischof Johannes Küley. Laut einem Eintrag im Stimmenmaterial dieser Messe, wurde sie unter Kapellmeister Wenzel Pekarek im Jahre 1845 auch in Preßburg (Bratislava, Slowakei) aufgeführt.
Ein Feuerwerk konzertanter Kirchenmusik aus dem Banat
Nach der Entdeckung der handschriftlich erhaltenen Stimmen dieser Messe wurden die Partituren in einem Münchner Verlag für die Aufführung erstellt und herausgegeben. Im Rahmen des Konzertes vom 29. Juni in Maria Ramersdorf, München, werden u. a. noch Kirchenmusikwerke von Vincens Maschek, Joseph Blahack, Anton Leopold Herrmann und Georg Müller aufgeführt, die ebenfalls erst vor kurzer Zeit entdeckt werden konnten und nun in deutscher Erstaufführungen erklingen werden.