Der deutsche Botschafter, einmal etwas anders

Dr. Peer Gebauer im Gespräch mit den Schülern des Goethe-Kollegs

Botschafter Dr. Peer Gebauer (links) und der Leiter der Spezialabteilung, Elmar Wulff

Die Klassensprecher der 12. Klassen überreichen Dr. Gebauer ein von einer Kollegin aus der 10. Klasse für ihn gemaltes Bild. Fotos: der Verfasser

Im lockeren Gespräch ging es auch um Hobbys und Lebenserfahrung.

Kurz nach Abschluss der Abiturprüfungen beim Bukarester Goethe-Kolleg durften die Schüler der Spezialklasse einen außergewöhnlichen Besuch empfangen: der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, Seine Exzellenz Dr. Peer Gebauer, hat sich den Schülern in einem informellen Gespräch direkt in einem ihrer Klassenzimmer gestellt und ist für knapp eine Stunde auf die Fragen und Interessen der Jugendlichen eingegangen. Die Themenbereiche waren so divers wie die Schüler selbst: von Messi und VfB Stuttgart über die Sehenswürdigkeiten unseres Landes und die Dienstreisen des Botschafter, Tipps und Tricks fürs Karriereleben, bis hin zum Werdegang eines Diplomaten und persönlichen Erfahrungen im Laufe seiner Karriere, wobei auch „politische“ Themen wie die Wiedervereinigung Deutschlands, extremistische Tendenzen in der europäischen politischen Szene und der Ukraine-Konflikt nicht umgangen wurden. Das entspannte und überaus interessante Gespräch hätte wahrscheinlich noch lange gedauert, wenn Dr. Gebauer nicht wieder die Diplomaten-Rolle einnehmen und zu einem anderen Treffen hätte eilen müssen...

Zur Einleitung und insbeson-dere zum gegenseitigen Kennenlernen der etwas ungewöhnlichen Gesprächspartner durfte der Leiter der Spezialabteilung am Goethe-Kolleg, Elmar Wulff, beide Seiten kurz vorstellen und seine Dankbarkeit und Freude für die Initiative der Botschaft und für die Bereitschaft und das Interesse der Schüler ausdrücken.
Anschließend lud Wulff die Zwölftklässler ein, gruppenweise auf einige Fragen zu ihrem Bezug zur deutschen Sprache zu antworten, wie zum Beispiel: seit wann sie Deutsch lernen, ob sie bereits Deutschland besucht haben oder ob sie später in Deutschland studieren möchten. Dabei zeigte sich in erster Linie der langjährige Kontakt der Schüler mit dem deutschen Kulturumfeld, da zahlreiche von ihnen bereits seit dem Kindergarten Deutsch gelernt und insbe-sondere seit der Vorschule die deutsche Schule besucht haben. Ebenfalls zeigten die Schüler ein munteres Interesse für eine Ausbildung in Deutschland, wobei ein Großteil der Schüler erklärte, im Anschluss wieder nach Rumänien zurückkehren zu wollen. Nur fünf der knapp fünfzig Schüler erklärten (bei Abschluss der zwölften Klasse), dass der Besuch der Spezialabteilung für sie ein Fehler gewesen war, wobei sie aber trotzdem über ein Studium in Deutschland nachdenken würden. Das Interesse der aus rumänischen Familien stammenden Schüler für die deutsche Sprache zeigte sich umsomehr, als nur ein einziger Schüler erklärte, die deutsche Staatsbürgerschaft zu haben, und unter einem Zehntel der Schüler daheim auch Deutsch sprechen oder deutscher Abstammung seien. 

Vor- und Nachteile der Spezialabteilung

Als größten Vorteil des Besuchs der Spezialklasse bezeichneten die Schüler Teamwork und Projektarbeit, ebenso wie das Erlernen, sich eine eigene Meinung zu bilden und Stellungnahmen zu unterschiedlichen Aspekten im politischen oder kulturellen Bereich zu formulieren. Die Spezialabteilung hätte zahlreichen Schülern auch die Möglichkeit gegeben, bei unterschiedlichen Austauschprogrammen in Deutschland teilzunehmen, was auch als wesentlicher Vorteil und besonderes Ereignis angeführt wurde. Am problematischsten sei „die Pünktlichkeit“, wie zahlreiche Schüler kichernd und fast im Chor erklärten. Gleichzeitig aber beklagten die Schüler den größeren Studienaufwand, soweit auch die rumänischen Lehrer die Spezialabteilung als Eliteabteilung betrachten und ihnen somit mehr Hausaufgaben geben würden.

Vom Fußball über Fake News zur NATO

Das Gespräch selbst begann mit einer bestimmten Spannung beiderseits, konnte aber in Kürze über Späße und insbesondere durch die gelassene und entspannte Einstellung des deutschen Boschafters aufgelockert werden. Die persönlichen Eindrücke und Lebenserfahrungen des Botschafters während seiner Studienzeit, seine Geigenstunden als Kind, sowie die Erinnerungen an schöne, aber auch schwierige Situationen ließen die Schüler immer gelassener und offener fragen. Und zwar nicht nur über Diplomatie und über seine politische Karriere, sondern auch über private Aspekte wie Fußball, den Lieblingsphilosophen oder die Freizeitbeschäftigungen eines Botschafters, über die Vorlieben für bestimmte Kulturschätze oder über Fremdsprachenkenntnisse. Großes Interesse schienen die Schüler am genauen Arbeitsablauf eines Botschafters zu haben, an den Dienstreisen und die im Büro verbrachte Zeit. Das Gespräch entspannte sich teilweise so weit, dass einer der Schüler sich sogar traute zu fragen, ob Herr Gebauer seinen (des Schülers) Großvater kenne, der noch vor der Wende als Diplomat in Deutschland gearbeitet hatte.

Vor allem aber schienen die Schüler Details und Erklärungen zu den derzeitigen Schlagzeilen zum Ukraine-Krieg und zur Situation in Gaza, aber auch zu den immer stärkeren nationalistischen Strömungen in der gesamten EU aus erster Hand erfahren zu wollen und schätzten sehr, wie Botschafter Gebauer ihnen die eigentlich so komplizierten geopolitischen Änderungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, die Machenschaften Putins und die Reaktionen der NATO in einfachen Worten erklären konnte. Es sei tatsächlich eine Zeitenwende in vielen Hinsichten, an die wir uns alle anpassen müssen, meinte Gebauer nach der Schilderung der Erkenntnisse, welche die europäischen Staaten aus dem Ukraine-Krieg gewonnen hätten.

Ein langes Gespräch entwickelte sich insbesondere zur Bedeutung der Diplomatie bei der Bewahrung des Friedens und der Menschenrechte. Es sei wie bei einem Fußballspiel, bei dem ein Spieler die vereinbarten Spielregeln ignoriere und auf einmal mit den Fäusten auf einen anderen einschlagen würde. Wenn man ebenfalls zuschlage, sei das kein Fußball mehr – wenn man aber nichts unternimmt, drohe man das Spiel zu verlieren, erklärte Gebauer das Dilemma. 

Ein weiteres wichtiges Thema für die Schüler schien die Bekämpfung von Fake News zu sein, insbesondere in einem Zeitalter, in dem künstliche Intelligenz immer trickreicher Scheinwahrheiten zu vermitteln vorgibt. Dagegen könne man nur besser und klarer kommunizieren und gleichzeitig weiterhin selbst unterschiedliche Quellen prüfen, so Gebauer. 
Außerdem versuchte er den Schülern die zahlreichen Vorteile eines gemeinsamen Europas zu schildern, welches zwar zum Teil langsamer zu einer Entscheidung komme, jedoch jedes Mal demokratisch alle Meinungen und Ansichten aufnehmen würde. „Es ist kein Zeichen der Schwäche, sondern ein Zeichen der Stärke, dass wir diese Dinge diskutieren können. Den Preis, den wir dafür bezahlen müssen: ja, es dauert manchmal etwas länger und ja, ich werde meine Überzeugungen nie zu 100% durchsetzen können, sondern immer einen Kompromiss anstreben“, erklärte Gebauer den Schülern auch in Anbetracht auf ihre persönlichen Beziehungen. Aber die Einbeziehungen der verschiedenen Interessen und Anliegen mache die europäischen Entscheidungen letztlich wertvoller und nachhaltiger. „Wir haben alle ein Riesenglück, dass wir nicht alleine als Nationalstaaten diesen Herausforderungen gegenüberstehen.“ 

Erfolgsrezept: Zuhören und Kompromisse schließen

Letzten Endes durfte der Botschafter den Schülern bei zahlreichen Fragen auch mit Lebensweisheiten und Empfehlungen antworten. Wichtige Kernelemente im Leben seien unter anderem, „immer eine Neugier zu haben, eine Bereitschaft, dem anderen zuzuhören, aufeinander zuzugehen und daran interessiert zu sein, was der andere zu sagen hat“, ermutigte er die Schüler. „Dinge hinterfragen, sich mit Themen auseinanderzusetzen, Sachen nicht einfach akzeptieren, sondern auch von einer anderen Seite zu betrachten ist eine Kernkompetenz, damit unsere Gesellschaften erfolgreich bleiben. Das Berufsleben ist voller Herausforderungen, es ist nicht alles einfach. Es kommen Themen auf euch zu, die ziemlich herausfordernd sind. Ich wünsche euch und ich erhoffe mir von euch, dass ihr den Optimismus, den ihr habt, mitnehmt, denn ihr könnt nachher die Zukunft unserer Länder gestalten und prägen. Nehmt mit: die Überzeugung, die bei euch bereits durchgeklungen ist, dass wir in Europa nur gemeinsam erfolgreich sein können“, schlussfolgerte Botschafter Gebauer in seinem Abschlusswort. „Wenn ihr offen diesbezüglich bleibt, mache ich mir über unsere Zukunft keine Sorgen.“